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Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
Jahrgang: 2025 . Seite: 701
Die entgeltliche Übernahme ärztlicher Notfalldienste durch einen Arzt (unter Freistellung des ursprünglich eingeteilten Arztes von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit diesem Dienst) ist unabhängig davon, wem gegenüber diese sonstige Leistung erbracht wird, als ...

Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
Jahrgang: 2025 . Seite: 711
Umsatzsteuerliche Einordnung von Umsätzen aus Online-Veranstaltungsdienstleistungen (zugleich Aufhebung des BMF-Schr. v. 29.4.2024 - III C 3 - S 7117-j/21/10002 :004, BSt ...

AktStR: Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster, 2025 S. 507: Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster Jahrgang: 2025 . Seite: 507 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. 1. Erbringt ein Unternehmer neben Reitunterricht zusätzliche Leistungen wie Unterkunft und Verpflegung, liegen umsatzsteuerrechtlich regelmäßig selbstständige Hauptleistungen vor. 2. Unterricht im Pferdesport ist kein Schul- oder Hochschulunterricht und dient typischerweise der Freizeitgestaltung. Allerdings kann er in begründeten Ausnahmefällen der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung dienen. BFH-Urt. v. 22.1.2025 - XI R 9/22, DStR 2025, 1337 (Fall 1) Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL umfasst nicht die Erteilung von Flugunterricht. BFH-Urt. v. 13.11.2024 - XI R 31/22, BFH/NV 2025, 494 (Fall 2) I. Vorbemerkungen 1. Steuerfreie Bildungsleistungen Nach zwei gescheiterten Reformvorhaben 2013 und 2019 hat der Gesetz-geber die Umsatzsteuerbefreiung in § 4 Nr. 21 UStG im JStG 2024 mit Wirkung zum 1.1.2025 neu geregelt.  Den Handlungsbedarf für den Gesetzgeber dürfte die Ankündigung der Europäischen Kommission im eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren noch dadurch erhöht haben, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland zu richten.  Die Vorschrift hat seit dem 1.1.2025 folgenden Wortlaut: § 4 Nr. 21 UStG „Steuerfrei sind a) die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, aa) wenn sie als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder bb) wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung erbringen. (…)“ Die in der Neuregelung verwendeten Begriffe „Ausbildung, Fortbildung und berufliche Umschulung“ werden in Art. 44 MwStDVO definiert.  Es handelt sich danach um Dienstleistungen, die Schulungsmaßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf umfassen, sowie Dienstleistungen, die jegliche Schulungsmaßnahmen umfassen, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienen. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung ist unerheblich. Nach der Rspr. des BFH liegen solche berufsbezogenen Bildungsleistungen vor, wenn die Leistungen ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- oder der -fortbildung dienen, d.h. wenn spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, die zur Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten notwendig sind.  Bei Art. 44 S. 1 Alt. 2 MwStVO genügt die konkrete Eignung der Schulungsmaßnahme zum Erwerb oder zur Erhaltung beruflicher Kenntnisse. Hierfür kommt es darauf an, ob die Schulungsmaßnahme Teilnehmern ermöglicht, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten beruflich zu nutzen. Verwenden alle Teilnehmer die Schulungsmaßnahme beruflich, ist dabei die erforderliche Eignung zu unterstellen (sog. geschlossene Kurse). Die Schulungsmaßnahme ist dann in jedem Fall umsatzsteuerfrei. Handelt es sich um „gemischte Kurse“ mit Berufsverwendung nur durch einzelne Teilnehmer, folgt eine Steuerfreiheit für alle Kursteilnehmer daraus, dass ansonsten ein- und dieselbe Schulungsmaßnahme je nach der individuellen Verwendung des jeweiligen Teilnehmers teils steuerfrei und teils steuerpflichtig wäre. Danach können z.B. die Leistungen von Ballett- oder Kampfsportschulen als Aus- und Fortbildung dem Grunde nach auch nach der seit 1.1.2025 geltenden Neufassung (weiterhin) steuerfrei bleiben, ohne dass dem die einschränkende Auslegung des EuGH zum Unterrichtsbegriff entgegensteht, z.B. auch dann, wenn bei lediglich zwei von hundert Schülern eine Berufsverwendung besteht, weil der Anteil der Schüler mit Berufsverwendung aufgrund der vorgenannten leistungsbezogenen Auslegung ohne Belang ist.  Beratungshinweis: EuGH-Rechtsprechung Der EuGH vertritt in Abkehr von seiner bisherigen Rspr. seit einiger Zeit eine enge Auslegung des Begriffs „Schul- und Hochschulunterricht“. Danach setzt die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals bei der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen voraus, um die Voraussetzungen der USt-Befreiung zu erfüllen. Umgekehrt darf es sich nicht um „spezialisierten Unterricht“ handeln.  2. Steuerpflichtige Bildungsleistungen? Nicht immer ist vom Bildungsanbieter eine Umsatzsteuerfreiheit gewünscht. Vielmehr ergeben sich aus bestimmten Eingangsleistungen ggfs. (hohe) Vorsteuerbeträge, die der Bildungsanbieter abziehen möchte. Nach der bis zum 31.12.2024 geltenden Fassung des § 4 Nr. 21 UStG ergab sich keine Einschränkung bei der Vorsteuerabzugsberechtigung, weil die erforderliche behördliche Anerkennung des Leistungserbringers im beruflichen Bildungsbereich nur unter den engen Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erfolgte, wonach die Steuerfreiheit an eine Bescheinigung geknüpft war, dass die Einrichtung auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet ist. Gerade im Bereich der Fortbildung war diese Voraussetzung i.d.R. nicht erfüllt, so dass die Leistungen der Einrichtungen steuerpflichtig waren. Diese Einschränkung enthält die Neufassung nicht mehr, so dass davon ausgegangen werden muss, dass grds. alle Aus-/Fortbildungs- und Umschulungsleistungen umsatzsteuerfrei sind. Fraglich ist, ob der Umstand, dass der Bildungsanbieter eine Bescheinigung nicht einholt, zu einem anderen Ergebnis führt, weil nach der bisherigen Regelung in Abschn. 4.21.5 Abs. 2 S. 1 und 2 UStAE auch die Finanzbehörde die Genehmigung nachträglich einholen kann, wenn nur die Begriffe „Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung“ erfüllt sind. Wörtlich heißt es:  „(…) Die für die Erteilung der Bescheinigung zuständige Landesbehörde kann nicht nur vom Unternehmer, sondern auch von Amts wegen eingeschaltet werden (vgl. BVerwG-Urteil vom 4.5.2006, 10 C 10.05); hierüber ist der Unternehmer zu unterrichten. Die Bescheinigung ist zwingend zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorliegen (vgl. BVerwG-Urteil vom 4.5.2006, 10 C 10.05). (…)“ Beratungshinweis: Anwendungsschreiben des BMF zur Neuregelung ab 1.1.2025 steht aus Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Beitrags lag ein Anwendungsschreiben des BMF lediglich im Entwurf vor.  In diesem Entwurf fehlt im neuen Abschn. 4.21.7 Abs. 2 UStAE-E die Formulierung, wonach die Bescheinigung ggfs. auch von Amts wegen durch die Finanzbehörde eingeholt werden kann. Ob damit eine Rechtssicherheit für die Bildungsanbieter erreicht wird, ist fraglich. Zu beachten ist auch, dass Art. 137 MwStSystRL ein Wahlrecht zur Steuerpflicht bei diesem Befreiungstatbestand nicht vorsieht. Der Verfasser dieses Beitrags und weitere USt-Experten haben am 12.2.2025 gemeinsam mit dem DStV hierzu eine kritische Stellungnahme an das BMF abgegeben.  Eine Reaktion des BMF steht aus. Die BReg hat auf eine kleine Anfrage hin am 3.7.2025 bestätigt, dass ein Anwendungsschreiben des BMF zur Neuregelung des § 4 Nr. 21 UStG geplant sei. Gleichzeitig weist die BReg darauf hin, dass aufgrund der EuGH/BFH-Rspr. eine (erg.: erneute) Gesetzesänderung „nicht möglich“ sei.  Derzeit „behelfen“ sich viele Bildungsanbieter mit einer Regelung, die das BMF in einem Erlass vom 29.4.2024 getroffen hat : Wird neben der Möglichkeit der Teilnahme an einer Live-Veranstaltung (Live-Streaming) auch die Nutzung von Aufzeichnungen zu einem späteren Zeitpunkt angeboten (den der Kunde wählen kann), handelt es sich um eine vom BMF so bezeichnete Leistungskombination. In diesen Fällen kann es sich um eine einheitliche Leistung eigener Art oder um jeweils getrennt zu beurteilende Leistungen handeln. Bei einer einheitlichen Leistung eigener Art soll es nach Meinung des BMF insgesamt zur Anwendung des Regelsteuersatzes kommen, ohne dass eine Aufteilung des Entgelts in Betracht kommt. Beratungshinweis: Einheitliche Leistung Eine einheitliche Leistung eigener Art nimmt die FinVerw an, wenn es sich um die kombinierte Bereitstellung eines Live-Streams (mit und ohne Interaktionsmöglichkeit) und einer Aufzeichnung handelt, die zu einem späteren, vom Nutzer gewählten Zeitpunkt abgerufen werden kann.  3. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfragen In zwei aktuellen Verfahren hatte sich der BFH mit der Steuerbefreiung von Bildungsleistungen zu befassen. Dabei ging es um folgende Fragestellungen: Unter welchen Voraussetzungen ist die Steuerbefreiung für Umsätze mit Reitkursen für Jugendliche und Kinder sowie mit deren Beherbergung und Verköstigung auf Reiterhöfen zu gewähren? Inwieweit erbringt ein Verein Leistungen, die nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei sind und insoweit einen Vorsteuerabzug ausschließen? II. BFH-Urteile 1. BFH-Urt. v. 22.1.2025 - XI R 9/22, DStR 2025, 1337 (Fall 1) a) Sachverhalt Der Kläger ist Rechtsnachfolger des nach Klageerhebung verstorbenen X. X hatte in den Streitjahren Räumlichkeiten auf einem Hof an eine GmbH verpachtet, deren Geschäftsführer er zugleich war. Zwischen X und der GmbH bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft. Die GmbH betrieb einen Pferde- bzw. Reiterhof, auf dem sie Reitkurse, Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für Kinder und Jugendliche anbot. Das Kursangebot umfasste drei Bereiche: In einer Ponygruppe wurde Kindern und Jugendlichen der altersgerechte Umgang mit Ponys praktisch und theoretisch vermittelt. Eine sozialpädagogische Assistentin begleitete die Kinder und betreute das Rahmenprogramm. Bei der sog. Großen Pferdegruppe handelte es sich um ein weiterführendes Kursangebot für fortgeschrittene Reiterinnen und Reiter. Die zweiwöchigen Kurse bereiteten gezielt auf das Ablegen von Leistungsabzeichen vor, die Voraussetzung für die Teilnahme am Turniersport waren. Rund 60 bis 70 % der Teilnehmer nahmen an den Prüfungen teil, die durch Vertreter eines Pferdesportverbands (Richtern) abgenommen wurden. Diese Abzeichen waren nicht nur für den Turniersport relevant, sondern teilweise auch Zugangsvoraussetzung für eine Ausbildung zum Pferdefachwirt mit dem Schwerpunkt „Reiten“. Darüber hinaus bot die GmbH ein speziell auf Schulkinder ausgerichtetes Programm im Rahmen von Klassenfahrten an. Dieses zielte darauf ab, den Schülerinnen und Schülern einen ersten Zugang zum Tier und insbesondere zum Pferd zu ermöglichen, wobei Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein geschult werden sollten. Auch hierbei wurden theoretische und praktische Lerneinheiten vermittelt. X behandelte sämtliche Umsätze als umsatzsteuerfrei. Im Rahmen einer Ap für die Streitjahre 2007 bis 2009 erfasste das Finanzamt sämtliche Umsätze als ust-pflichtig. Hiergegen wandte sich X mit seiner Klage. Das FG Schleswig-Holstein gab der Klage statt, ließ aber die Rev. zu.  Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahre 2007 bis 2009 Kläger Rechtsnachfolger nach X. Verpachtet Reiterhof an eine GmbH (umsatzsteuerliche Organschaft). GmbH bot Reitkurse und Beherbergungs-/Verpflegungsleistungen für Kinder/Jugendliche an. Es gab eine „Ponygruppe“ für Kinder/Jugendliche, in der der altersgerechte Umgang mit Ponys vermittelt wurde. In der „Großen Pferdegruppe“ wurden die Teilnehmenden in 2-wöchigen Kursen auf Leistungsabzeichen als Voraussetzung für den Turniersport vorbereitet. Das zu erwerbende Abzeichen war u.a. Zugangsvoraussetzung für eine Ausbildung als Pferdefachwirt mit Schwerpunkt „Reiten“. Weiterhin bot die GmbH ein Programm für Klassenfahrten an, bei dem den Schülerinnen und Schülern ein erster Zugang zu Tieren vermittelt wurde. X behandelte sämtliche Umsätze als von der USt befreit. Finanzamt Behandelte alle Umsätze als umsatzsteuerpflichtig. FG Schleswig-Holstein Gibt der Klage statt und lässt die Rev. zu. b) Entscheidung und Begründung Der BFH hat die Klage überwiegend abgewiesen. Im Ergebnis sind lediglich die Umsätze aus der sog. „Großen Pferdegruppe“ steuerfrei. Für die übrigen Umsätze (Ponygruppe, Klassenfahrten sowie die Umsätze aus der Gewährung von Unterkunft und Verpflegung) kommt nach Auffassung des BFH eine Steuerbefreiung nicht in Betracht. Der BFH begründet das im Wesentlichen wie folgt: Die Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen sind jeweils als eigenständige Hauptleistungen zu qualifizieren. Damit war eine isolierte umsatzsteuerliche Beurteilung der unterschiedlichen Leistungsbestandteile vorzunehmen. Hinsichtlich der Unterkunft und Verpflegung i.R.d. Ponygruppen und Klassenfahrten sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 23 UStG a.F. nicht erfüllt. Die Klägerin ist keine anerkannte Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter i.S.d. unionsrechtlichen Vorgaben, Art. 132 Abs. 1 Buchst. h und i MwStSystRL. Diese Voraussetzung ist aber notwendige Grundlage für die Steuerbefreiung. Die Umsätze aus der „Großen Pferdegruppe“ sind steuerfrei nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG. Entscheidend dafür ist die tatsächliche Ausrichtung der Kurse auf den Erwerb von Leistungsabzeichen, die als Zugangsvoraussetzung für den Turniersport - und damit potenziell für eine berufliche Tätigkeit - dienten. Die vom FG herangezogene Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde zur Berufsvorbereitung hat eine indizielle Wirkung. Entscheidend ist, dass der Unterricht nicht bloß der Freizeitgestaltung diente. 2. BFH-Urteil v. 13.11.2024 - XI R 31/22, BFH/NV 2025, 494 (Fall 2) a) Sachverhalt Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein, der die Förderung des Luftsports bezweckt. Im Jahr 2015 erwarb er ein einmotoriges Flugzeug und zog den gesamten in Rechnung gestellten Vorsteuerbetrag ab. Das Flugzeug überließ er zum einen seinen Mitgliedern gegen Entgelt zum Fliegen. Zum anderen verwendete er das Flugzeug in den Jahren 2016 und 2017 in der Ausbildung von Flugschülern zum Erwerb der Privatpilotenlizenz. Der Kläger verfügte über eine Erlaubnis, derartige Ausbildungslehrgänge durchzuführen. In den Rechnungen wurde das Entgelt für die Überlassung des Flugzeugs („Flugzeitgebühr Schüler“) mit dem ermäßigten Steuersatz ausgewiesen. Das Entgelt für den Flugunterricht („Aufwandsentschädigung Ausbildung“) erfolgte ohne Umsatzsteuerausweis. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Überlassung des Flugzeugs und die Erteilung des Flugunterrichts als einheitliche umsatzsteuerbefreite Leistung zu qualifizieren sei. Deshalb sei der Vorsteuerabzug insgesamt zu versagen. Die hiergegen erhobene Klage wies das FG ab.  Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahre 2016, 2017 Kläger Ist ein gemeinnütziger Verein, der die Förderung des Luftsports bezeckt. Er erwarb 2015 ein einmotoriges Flugzeug und zog die gesamte in Rechnung gestellte USt als Vorsteuer ab. Das Flugzeug überließ er seinen Mitgliedern gegen Entgelt zum Fliegen. Außerdem verwendete er es in der Ausbildung von Flugschülern zum Erwerb der Privatpilotenlizenz. In den Rechnungen wurde das Entgelt für die Überlassung des Flugzeugs („Flugzeitgebühr Schüler“) mit dem ermäßigten Steuersatz ausgewiesen. Das Entgelt für den Flugunterricht („Aufwandsentschädigung Ausbildung“) erfolgte ohne Umsatzsteuerausweis. Finanzamt Kein Vorsteuerabzug: Die Überlassung des Flugzeugs und die Erteilung des Flugunterrichts sind als einheitliche umsatzsteuerbefreite Leistung zu qualifizieren. FG Baden-Württemberg Weist die Klage ab und lässt Rev. nicht zu. BFH Lässt auf NZB des Klägers hin nachträglich die Rev. zu. b) Entscheidung und Begründung Der BFH hat die Entscheidung des FG aufgehoben und an das FG zurückverwiesen. Nach seiner Auffassung ist der Flugunterricht nicht von der USt befreit. Dafür waren folgende Erwägungen maßgebend: Der Flugunterricht ist nicht gem. § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG steuerfrei. Die Vorschrift ist entsprechend Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen. Von der Steuer zu befreien sind danach nur Veranstaltungen i.S.d. § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG, die als „Schul- und Hochschulunterricht“ sowie als „Aus- und Fortbildung oder berufliche Umschulung“ anzusehen sind. Diese Voraussetzungen liegen beim Flugunterricht nicht vor. Denn beim Fliegen geht es nicht um die Vermittlung eines „breiten und vielfältigen Spektrums von Stoffen“, was für die Steuerbefreiung als „Schul- und Hochschulunterricht“ nach der Rspr. von EuGH und BFH erforderlich wäre.  Zielt der Flugunterricht auf den Erwerb einer sog. Privatpilotenlizenz für Hobbyflieger ab, ist er auch nicht als „Aus- und Fortbildung“ steuerfrei. Selbst wenn die dort vermittelten Kenntnisse für berufliche Zwecke nützlich sein könnten, so ist die Privatpilotenlizenz keine Voraussetzung für eine entsprechende Berufsausbildung, etwa als Pilot bei einem Luftverkehrsunternehmen. Die USt-Befreiung nach § 4 Nr. 21 UStG kommt im Übrigen auch deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger die dafür erforderliche Bescheinigung nicht eingeholt hat. Das FG hat im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob der ermäßigte Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG) zu Recht angewendet worden ist. Dies könnte zweifelhaft sein, weil der Verein in Wettbewerb zu gewerblichen Flugschulen treten könnte, die ihre Leistungen zum Regelsteuersatz erbringen. III. Anmerkungen Die beiden Rezensionsentscheidungen bieten nicht vollständig Neues und Überraschendes. Insbesondere die Entscheidung zum Pferde- und Reiterhof (Fall 1) macht allerdings den Reformbedarf der Befreiungsregelung noch einmal mehr als deutlich. Der BFH hebt hier hervor, dass Reitunterricht grundsätzlich eine freizeitorientierte Tätigkeit darstellt, indem er den Vergleich mit Tanz-, Schwimm- oder Jagdschulen anstellt. Allerdings kann - und auch das wird durch die Entscheidung klar - ausnahmsweise bei nachgewiesener Berufsbezogenheit die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG in Betracht kommen (hier: „Große Pferdegruppe“). Beratungshinweis: Wirkung der Bescheinigung Für die seit dem 1.1.2025 geltende Neuregelung ist die Aussage des BFH von Bedeutung, dass die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde „Indizwirkung“ hat. Noch deutlicher wird die Auffassung des BFH in der Sache XI R 31/22 (Fall 2): Dort stellt der BFH heraus, dass die USt-Befreiung nicht in Betracht kommt, wenn eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde fehlt. Umgekehrt bedeutet dies m.E., dass immer dann, wenn der Unternehmer keine Bescheinigung einholt, er in jedem Fall in der USt-Pflicht ist. Diese Aussage hat deshalb große Bedeutung für die Bildungsanbieter, die die USt-Befreiung gerade nicht in Anspruch nehmen möchten. In der Sache überrascht die Entscheidung des BFH in dem Verfahren XI R 31/22, Flugunterricht für Hobbyflieger nicht von der USt zu befreien, nicht. Nach den erwähnten Entscheidungen des EuGH, insb. zur Fahrschule und zur Schwimmschule , war dies zu erwarten.  Flugunterricht ist nämlich spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht und als solcher gerade nicht auf die Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von (Unterrichts-)Stoffen angelegt. Die Tatbestandsvoraussetzung „Schul- und Hochschulunterricht“ ist damit eindeutig nicht erfüllt. Beratungshinweis: Abweichende Auffassung der FinVerw Die abweichende Auffassung der FinVerw in Abschn. 4.22.1 Abs. 4 S. 1 UStAE, wonach „zu den in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG bezeichneten Veranstaltungen belehrender Art auf dem Gebiet des Sports die Erteilung von Sportunterricht, z.B. die Erteilung von Schwimm-, Tennis-, Reit-, Segel- und Skiunterricht gehört,“ dürfte damit überholt sein. Es bleibt abzuwarten, ob der UStAE in diesem Punkt zeitnah geändert wird. IV. Fazit Beide Entscheidungen haben nochmals den Reformbedarf der USt-Befreiung bei den Bildungsleistungen vor Augen geführt. Die zum 1.1.2025 in Kraft getretene Neuregelung überzeugt aus meiner Sicht allerdings lediglich im Ansatz. Zu beanstanden ist vor allem, dass der Gesetzgeber weiterhin für die USt-Befreiung am Bescheinigungsverfahren festhält. Dies ist auch deshalb unverständlich, weil die Vorgaben in Art. 132 Abs. 1 der MwStSystRL an keiner Stelle eine solche Bescheinigung vorsehen. Sollte das BMF - was zu erwarten ist - daran festhalten, dass eine nicht vorliegende Bescheinigung auch von der FinBeh (ggfs. erst i.R.e. Ap) eingeholt werden kann, sind beide Rezensionsentscheidungen für die Beratung sehr wichtig: Der BFH stellt einerseits heraus, dass eine vorliegende Bescheinigung nur indizielle Bedeutung hat (Fall 1) und andererseits eine nicht vorliegende Bescheinigung zur USt-Pflicht führt (Fall 2). Wichtig sind diese Aussagen m.E. für Bildungsanbieter, die die USt-Befreiung etwa im Hinblick auf einmalige und/oder laufende Vorsteuerbeträge nicht in Anspruch nehmen möchten. Es bleibt aber die Forderung, die Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG nochmals zu überdenken oder - was noch wichtiger wäre - für den Bereich der Bildungsleistungen in Art. 137 Abs. 1 der MwStSystRL die Möglichkeit der Option zur USt-Pflicht zu regeln. Das könnte von der BReg über das BMF angeregt werden und würde dem Anwender und damit der Beratungspraxis auf jeden Fall Rechtssicherheit geben.      JStG 2024 v. 5.12.2024, BGBl I 2024, Nr. 387       Fritz, in: Küffner/Zugmaier, UStG-Kommentar, § 4 Nr. 21 Rz 6 m.w.N.       Bei einer unionsrechtlichen Verordnung handelt es sich um unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltendes Recht. Einer Umsetzung wie bei den Richtlinien bedarf es nicht.       BFH-Urt. v. 21.3.2007 - V R 28/04, BStBl II 2010, 999       BFH-Urt. v. 28.5.2013 - XI R 35/11, BStBl II 2013, 879       EuGH, Urt. v. 14.3.2019 - C-449/17, BFH/NV 2019, 511 - A & G Fahrschul-Akademie GmbH; EuGH, Urt. v. 21.10.2021 - C-373/19, MwStR 2019, 894 - Dubrovin & Tröger - Aquatics; EuGH, Urt. v. 28.4.2022 - C- 612/20, MwStR 2022, 503 - Happy Education SRL       Hervorhebungen durch den Verfasser       Entwurf BMF v. 20.1.2025 - III C 3 - S 7179/00054/002/006       Vgl. z.B. https://www.haufe.de/steuern/finanzverwaltung/dstv-kritik-an-bmf-entwurf-zu-bildungsleistungen_164_642364.html       BT-Drucks. 21/747, Seite 3: Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Schrodi auf eine kleine Anfrage hin.       BMF-Schr. v. 29.4.2024 - III C 3 - S 7117-j/21/10002 :004, BStBl I 2024, 726; dazu Grune, AktStR 2024, 705       Worin das BMF eine Rechtsgrundlage für diese „Regelung“ sieht, ist nicht erkennbar. Allerdings dürfte für die Anwendungspraxis solange Rechtssicherheit unter Vertrauensschutzgeschichtspunkten bestehen, bis das BMF eine andere Regelung vornimmt (was im Herbst 2024 angekündigt worden war).       FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 2.3.2022 - 4 K 114/17, EFG 2022, 966 mit Anm. Leinhos       FG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.6.2021 - 1 K 3047/19, EFG 2023, 1425 mit Anm. Hennigfeld       Hinweis auf z.B. EuGH, Urt. v. 14.3.2019 - C-449/17, BFH/NV 2019, 511 - A & G Fahrschul-Akademie GmbH; EuGH, Urt. v. 21.10.2021 - C-373/19, MwStR 2019, 894 - Dubrovin & Tröger - Aquatics; EuGH, Urt. v. 28.4.2022 - C- 612/20, MwStR 2022, 503 - Happy Education SRL       EuGH, Urt. v. 14.3.2019 - C-449/17, BFH/NV 2019, 511 - A & G Fahrschul-Akademie GmbH; EuGH, Urt. v. 21.10.2021 - C-373/19, MwStR 2019, 894 - Dubrovin & Tröger - Aquatics; EuGH, Urt. v. 28.4.2022 - C- 612/20, MwStR 2022, 503 - Happy Education SRL       So auch Leonard, UStDD 5/2025, 2   

Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
Jahrgang: 2025 . Seite: 519
Eine Methode zur Aufteilung eines einheitlichen Gesamtentgelts, die dazu führt, dass auf ein Produkt einer rabattierten Warenzusammenstellung ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ...

Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
Jahrgang: 2025 . Seite: 333
1. Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14 c Abs. 1 S. 1 UStG setzt voraus, dass diese an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass ihr die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen, zu dene ...

Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
Jahrgang: 2025 . Seite: 347
Es geht zu Lasten des Steuerpflichtigen, der die Anwendung der Differenzbesteuerung begehrt, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 a UStG unerwiesen geblieben ist und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um Unregelmäßigkeiten in Bezug auf seinen jeweiligen Geschäftspartner nachzugehen. BFH-Beschl ...

Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
Jahrgang: 2025 . Seite: 165
Ausstellung von Rechnungen nach § 14 UStG; Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnung bei Umsätzen zwischen inländischen Unternehmern ab dem 1. Januar 2025 BMF-Schr. v. 15.10.2024 - III C 2 - S 7287-a/23/10001:007, BStBl I 2024, 1320 Fragen und Antworten zur Einführung der obligatorischen (verpflichtenden) E-Rechnung zum 1. Januar 2 ...

Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
Jahrgang: 2024 . Seite: 685
Umsatzsteuerliche Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2024 I. Vorbemerkungen Das JStG 2024  lag zum Zeitpunkt der Drucklegung  als Kabinettsbeschluss der BReg vor. Es soll nach derzeitigen Planungen Ende November 2024 verabschiedet werden. Dabei handelt es sich um das einzige StÄndG in diesem Jahr, das Anpa ...

Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Jahrgang: 2024 . Seite: 705
Umsatzsteuerliche Einordnung von Umsätzen aus Online-Veranstaltungsdienstleistungen und weiteren Online-Dienstleistungsangeboten BMF-Schr. v. 29.4.2024 - III C 3 - S 7117-j/21/10002 :004, BStBl I 2024, 726 I. Vorbemerkungen 1. Online-Dienstleistungen Im Rahmen der Corona-Pand ...

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