AktStR: Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg, 2024 S. 529: Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175 b Abs. 1 AO Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175 b Abs. 1 AO Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg Jahrgang: 2024 . Seite: 529 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. Die Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175 b Abs. 1 AO ist auch zulässig, wenn die unzutreffende Berücksichtigung der von einem Dritten übermittelten Daten auf einen Fehler der Finanzbehörde zurückzuführen ist. BFH-Urt. v. 20.2.2024 - IX R 20/23, BFH/NV 2024, 951 I. Vorbemerkungen 1. Elektronische Datenübermittlung und -verarbeitung (§ 93 c AO) Die zum 1.1.2017 eingeführte Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Daten durch Dritte an die FinVerw nach § 93 c AO spielt bereits heute in der Veranlagungspraxis eine herausragende Rolle, die in den nächsten Jahren vor dem Hintergrund der vermehrt vollautomatisierten Bearbeitung der Steuerfälle weiter zunehmen wird. In der Praxis zeigt sich aufgrund der Zugriffsmöglichkeit des Stpfl. bzw. des steuerlichen Beraters i.S.e. vorausgefüllten Steuererklärung für „beide Seiten“ eine Vorteilhaftigkeit der elektronischen Datenverarbeitung vor allem dadurch, dass insoweit Schreib- und Übernahmefehler i.S.d. § 129 AO bzw. § 173 a AO praktisch ausgeschlossen sind. Nach § 150 Abs. 7 S. 2 AO gelten nach § 93 c AO übermittelte Daten als Angaben des Stpfl., soweit er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht. Beratungshinweis: Erweiterung elektronischer Datenübermittlung - Spenden und Behinderungsgrade Die gesetzliche Möglichkeit, Spendenbescheinigungen i.S.d. § 10 b EStG (Zuwendungsbestätigungen) ebenfalls elektronisch nach § 93 c AO an das Finanzamt zu übermitteln, wurde mit § 50 Abs. 2 S. 1 EStDV bereits geschaffen. Die Regelung gilt erstmals für Spenden, die dem Zuwendungsempfänger nach dem 31.12.2024 zufließen. Auch der Grad der Behinderung soll künftig elektronisch durch das Versorgungsamt an die FinVerw übermittelt werden. Die Verpflichtung tritt in dem Abschluss der Programmierarbeiten folgenden VZ in Kraft und soll durch BMF-Schreiben bekannt gegeben werden. Beratungshinweis: Fehlerhafte Datenübermittlung Sind übermittelte Daten fehlerhaft oder fehlen Daten, besteht aufgrund der automatisierten Bearbeitung die Gefahr, dass diese unzutreffend bzw. nicht berücksichtigt werden, die Fehlerhaftigkeit also gar nicht erkannt wird. Zumindest eine „Plausibilitätsprüfung“ ist in der Beratungspraxis unerlässlich - auch wenn sich in der Praxis gezeigt hat, dass die übermittelten Daten i.d.R. zutreffend sind. Insbesondere in Fällen, in denen Daten zuungunsten des Mandanten fehlerhaft sind oder insgesamt fehlen, kommt es zu Streitigkeiten, da von der Erklärung abweichende elektronische übermittelte Daten von der FinVerw - z.T. ohne weitere Prüfung - übernommen werden. In diesen Fällen ist von entscheidender Bedeutung, dass die Datenübermittlungen nicht die Funktion eines Grundlagenbescheid s haben, sodass das Finanzamt die übermittelten Daten nicht bindend übernehmen muss. Aus § 93 c Abs. 4 S. 2 AO ergibt sich vielmehr die Pflicht des Finanzamts, den Sachverhalt ggf. von Amts wegen zu ermitteln. Die von Dritten mitgeteilten Daten dienen lediglich der Unterstützung des Veranlagungsverfahren s. Sie sind bei der steuerlichen Sachverhaltsermittlung nach § 88 AO (Amtsermittlungsgrundsatz) wie die Auskunft eines Dritten nach § 93 Abs. 1 AO zu berücksichtigen und unterliegen den allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung. Weichen die von dem Dritten übermittelten Daten von den Angaben in der Steuererklärung ab, hat das Finanzamt nach den Umständen des konkreten Einzelfalles zu prüfen, inwieweit der Sachverhalt vor Erlass des Steuerbescheides weiter aufzuklären ist. Letzterem kommt die FinVerw in der Praxis allerdings nicht immer nach. Beratungshinweis: Rechtliche Würdigung Mangels Grundlagenfunktion der elektronischen Datenübermittlung gibt es auch keine Bindung durch die vom Datenübermittler erfolgte rechtliche Würdigung (z.B. Einordnung der Rentenart oder steuerbegünstigte Abfindung i.S.d. § 34 EStG). 2. Grundlagenähnliche Funktion des § 175 b AO Gleichzeitig mit § 93 c AO wurde mit der Einführung des § 175 b AO eine neue Änderungsvorschrift geschaffen, die der fehlenden Grundlagenfunktion der nach § 93 c AO übermittelten Daten Rechnung tragen soll. Danach ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten i.S.d. § 93 c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. § 175 b AO ist erstmals anzuwenden, wenn steuerliche Daten eines Stpfl. für Besteuerungszeiträume nach 2016 von einem Dritten als mitteilungspflichtiger Stelle elektronisch an Finanzbehörden zu übermitteln sind. Beratungshinweis: § 175 b AO „schlägt“ §§ 129, 173, 173a AO Als lex specialis geht § 175 b AO anderen Änderungsvorschriften vor, sodass es weder auf ein Verschulden des Stpfl. , das Vorliegen eines Schreib- oder Rechenfehlers bei der Erstellung der Steuererklärung oder dem Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit bei Erlass des Bescheides durch die FinVerw ankommt. Die Anknüpfung des § 175 b AO an § 175 AO wird auch durch seine Stellung im Gesetz zum Ausdruck gebracht. Die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 b AO kann sich je nach Sachlage zu Gunsten wie auch zu Ungunsten des Mandanten auswirken. Die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Änderung nach § 175 b AO bestimmt sich nach allgemeinen Grundsätzen. Danach trägt die Finanzbehörde die Feststellungslast für solche Tatsachen, die vorliegen müssen, um eine Änderung nach § 175 b AO zuungunsten des Stpfl. rechtfertigen zu können. Der Stpfl. trägt dagegen die Feststellungslast für solche Tatsachen, die eine Änderung nach § 175 b AO zu seinen Gunsten ermöglichen. Die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 b AO steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Da der an die FinVerw übermittelte Datensatz keinen Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung darstellt, darf die Änderung der Steuerfestsetzung allerdings nur erfolgen, soweit die bisherige Steuerfestsetzung in hier relevanter Hinsicht materiell-rechtlich unzutreffend war und wenn die Grenzen der Kleinbetragsverordnung überschritten werden. Anders als die Umsetzung eines Grundlagenbescheids nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO setzt eine Änderung nach § 175 b AO allerdings auch eine rechtliche Würdigung der übermittelten Daten voraus. 3. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfrage Der BFH hatte über folgende Frage zu entscheiden: Kann sich das Finanzamt trotz im Veranlagungsverfahren vorgenommener Prüfung der ermäßigten Besteuerung einer Entschädigungsleistung auf die Änderungsnorm des § 175 b AO stützen? II. BFH-Urt. v. 20.2.2024 - IX R 20/23, BFH/NV 2024, 951 1. Sachverhalt Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr (2018) zusammen zur ESt veranlagt wurden. Dem Finanzamt lagen zwei am 23.1.2019 übermittelte LSt-Bescheinigungen vor (Auszug): Bescheinigung 1 1 Dauer des Dienstverhältnisses 01.01.-31.08. 3 Bruttoarbeitslohn einschl. Sachbezüge ohne 9 und 10 34.303,16 EUR 19 Stpfl. Entschädigungen/Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre, die nicht ermäßigt besteuert wurden - in 3. enthalten 9.000,00 EUR Bescheinigung 2 1 Dauer des Dienstverhältnisses 01.12.-31.12. 3 Bruttoarbeitslohn einschl. Sachbezüge ohne 9 und 10 2.273,01 EUR In ihrer ESt-Erklärung deklarierten die Kläger in der Anlage N einen Bruttoarbeitslohn i.H.v. insgesamt 27.576 EUR (25.303 EUR in Kennziffer 110 sowie 2.273 EUR in Kennziffer 111 der Erklärung) und Entschädigungen/Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre, die nicht ermäßigt besteuert wurden i.H.v. 9.000 EUR (Kennziffer 165). Rechnerisch wurde der Bruttoarbeitslohn lt. Bescheinigungen damit um 9.000 EUR gekürzt, obwohl dieser Betrag im bescheinigten Bruttoarbeitslohn nicht enthalten war. Das Finanzamt veranlagte zunächst erklärungsgemäß mit ESt-Bescheid v. 25.9.2019. Mit ESt-Bescheid v. 20.5.2021 änderte das Finanzamt die Festsetzung und erhöhte den Bruttoarbeitslohn um 9.000 EUR auf 36.576 EUR. Die Änderung stützte das Finanzamt laut Erläuterungstext auf § 175 b AO. Unter „Art der Festsetzung“ war im Bescheid als Änderungsnorm § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO angegeben. Das Datum des geänderten Bescheides wurde einmal zutreffend (25.9.2019) und einmal unzutreffend (17.9.2019) angegeben. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die Rev. wurde zugelassen. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Kläger Zusammenveranlagte Ehegatten. 2018 Im Rahmen der ESt-Erklärung wurde der Bruttoarbeitslohn i.H.v. 27.576 EUR unter Abzug einer lt. LSt-Bescheinigung nicht im Bruttoarbeitslohn enthaltenen Entschädigung/Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre i.H.v. 9.000 EUR angegeben. Finanzamt ESt-Bescheid ergeht am 25.9.2019 zunächst erklärungsgemäß und wird am 20.5.2021 unter Berücksichtigung eines um 9.000 EUR höheren Bruttoarbeitslohns geändert, die Änderung wird lt. Erläuterungstext auf § 175 b Abs. 1 AO gestützt. Im Bescheid wurde unter „Art der Festsetzung“ § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO als Änderungsvorschrift genannt und das Datum des erstmaligen Bescheids wurde u.a. mit dem 17.9.2019 unzutreffend angegeben. FG Münster Abweisung der Klage, Rev.-Zulassung 2. Entscheidung und Begründung Die Rev. hat der BFH aus den nachfolgenden Gründen als unbegründet zurückgewiesen: Für eine Änderung nach § 175 b AO ist es unerheblich, worauf die unzutreffende Berücksichtigung der übermittelten Daten durch das Finanzamt zurückzuführen ist, sodass auch ein Fehler bei der Tatsachenwürdigung oder der Rechtsanwendung korrigiert werden muss. Die Änderung nach § 175 b AO steht nicht im Ermessen des Finanzamts. Eine teleologische Reduktion des weit gefassten § 175 b AO kommt nicht in Betracht, da die Auslegung nach dem Wortlaut nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis führt. Weder die fehlerhafte Angabe der Änderungsnorm des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO unter „Art der Festsetzung“ noch die fehlerhafte Angabe des Ausgangsbescheids führen zur Rechtswidrigkeit des Änderungsbescheids. III. Anmerkungen 1. Korrektur von Rechtsanwendungsfehlern Die Rezensionsentscheidung ist erst das zweite Urteil des BFH zum Anwendungsbereich des § 175 b AO. Nach den vom BFH aufgestellten Grundsätzen, die sich bereits in der ersten Entscheidung v. 8.9.2021 andeuteten, hat die Vorschrift einen sehr weit gefassten Anwendungsbereich, sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Mandanten, und ist daher für die Beratungspraxis von großer Bedeutung. Mit der Anwendung auf Fehler in der Tatsachenwürdigung und vor allem in der Rechtsanwendung ist der Anwendungsbereich deutlich weiter als bei den bisher im Fokus stehenden Vorschriften der §§ 129, 173 und 173a AO. § 175 b AO ermöglicht die Änderung auch, wenn die relevanten elektronischen Daten dem Finanzamt bei der vorherigen Veranlagung schon bekannt waren und gerade keine „offenbare“ Unrichtigkeit vorliegt. Andererseits kommt es bei einer Änderung zu Gunsten des Mandanten auch nicht darauf an, ob ein „grobes“ Verschulden i.S.d. § 173 AO vorliegt. § 175 b AO eröffnet damit zuvor noch nie dagewesene Änderungs- und Korrekturmöglichkeiten materiell-rechtlicher Fehler außerhalb des § 164 AO. Die Vor- instanz führt für den Urteilsfall aus, dass eine Änderung nach § 129 AO wg. der bewussten Handlung des Finanzamts nicht möglich gewesen wäre. Auch eine Änderung nach § 173 AO wäre mangels neuer Tatsachen (keine erneute oder abweichende Datenübermittlung) nicht möglich gewesen. Für eine Änderung nach § 175 b AO kommt es hingegen nicht darauf an, ob nach der Veranlagung eine erstmalige oder abweichende Datenübermittlung erfolgt - ausreichend ist lediglich, dass elektronische übermittelte Daten unzutreffend gewürdigt worden sind. Beratungshinweis: Weitreichende Anlaufhemmung Bei der Anwendung des § 175 b AO sind die Grenzen der Festsetzungsverjährung zu beachten. Allerdings enthält § 171 Nr. 10 a AO eine gesonderte Ablaufhemmung. Danach endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang der Daten i.S.d. § 93 c AO, soweit diese innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind. 2. Vertrauensschutz Mit der Rezensionsentscheidung räumt der BFH dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum ein. M.E. stellt sich die Frage, ob dies vor dem Hintergrund eines verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes bzgl. des Verwaltungshandelns in jedem Fall zutreffend sein kann. Der Stpfl. muss m.E. grds. auf eine i.R.d. Veranlagung unter Kenntnis sämtlicher Informationen rechtliche Würdigung eines Sachverhaltes durch die FinVerw vertrauen können, wenn der Steuerbescheid weder vorläufig nach § 165 AO noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergeht. Dies gilt auch, wenn die rechtliche Würdigung zu Gunsten des Stpfl. unzutreffend ist. Soweit es sich allerdings um elektronische Daten handelt, könnte nach dem Wortlaut des § 175 b AO innerhalb der Festsetzungsfrist jederzeit eine erneute und ggf. abweichende rechtliche Würdigung vorgenommen werden. Beispiel Dem Finanzamt liegen elektronisch übermittelte Daten eines Rentenversicherungsträgers vor. Demnach handelt es sich um Renteneinkünfte i.S.d. § 22 Nr. 5 EStG, die der Vollbesteuerung zu unterwerfen sind. Das Finanzamt berücksichtigt die Rente allerdings unter Abzug eines steuerfreien Teilbetrags nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Der Wortlaut des § 175 b AO ermöglicht dem Finanzamt, den Bescheid innerhalb der Festsetzungsfrist jederzeit zu ändern und seinen Rechtsanwendungsfehler zu Lasten des Mandanten zu korrigieren. Ein von § 233 a Abs. 2 AO abweichender Zinslauf ist nicht vorgesehen. Einige FG haben sich mit diesem Widerspruch zwischen Rechtsrichtigkeit und Rechtssicherheit auseinandergesetzt und sind jeweils zu der Überzeugung gelangt, dass die Entscheidung des Gesetzgebers für die Rechtsrichtigkeit (verfassungsrechtlich) nicht zu beanstanden ist. Leider hat sich der BFH in der Rezensionsentscheidung mit dieser Frage nicht weiter auseinandergesetzt. § 175 b AO als rein „technische“ Änderungsvorschrift zu betrachten, die innerhalb der Festsetzungsfrist eine unbeschränkte Änderungsmöglichkeit eröffnet, kann m.E. nicht für jeden Fall zutreffend sein. Dies gilt insb. dann, wenn sich die Rechtslage nach der vorherigen Veranlagung ändert. Als Beispiel - zu Gunsten des Stpfl. - sei die Entscheidung des BFH zur Frage der Besteuerung von Rentenzahlungen aus einem vor dem 1.1.2005 abgeschlossenen begünstigten Versicherungsvertrag s mit Kapitalwahlrecht genannt. Hierzu hatte der BFH entschieden, dass Rentenzahlungen, die auf einem begünstigten Versicherungsvertrag i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG beruhen, insgesamt den Einkünften aus KapV i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zuzuordnen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG steuerfrei sind, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt. Davon abweichend vertritt die FinVerw die Auffassung, dass die Rentenzahlung i.H.d. Ertragsanteils zu sonstigen Einkünften i.S.d. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG führt. Da die Entscheidung immer noch nicht im BStBl veröffentlicht ist, werden die Einkünfte immer noch als entsprechende Renteneinkünfte nach § 93 c EStG elektronisch an die FinVerw übermittelt. Weiterhin ist erneut ein Rev.-Verfahren beim BFH anhängig , bei dem es um die Frage der Doppelbesteuerung von Renten i.S.d. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG geht. Je nach Ausgang des Verfahrens könnte § 175 b AO zu Gunsten der Mandanten eine Änderung bestandskräftiger Bescheide ermöglichen. Der Urteilsfall war für die Frage nach einer Begrenzung der wortlautgetreuen Auslegung des § 175 b AO ungeeignet. Zum einen ging es „nur“ um einen einfachen Rechenfehler und zum anderen hatte auch der Stpfl. selbst den Bruttoarbeitslohn in der Erklärung unzutreffend ermittelt. Aus meiner Sicht sollte eine Änderung zu Ungunsten der Mandanten nach § 175 b AO aufgrund eines Rechtsanwendungsfehlers nicht ohne weiteres hingenommen werden. 3. Fazit Nach der bisherigen Rspr. des BFH zum Anwendungsbereich des § 175 b AO und vor dem Hintergrund der immer weitergehenden elektronischen Übermittlung von Daten durch Dritte bietet die Vorschrift aus meiner Sicht z.T. überbordende Änderungsmöglichkeit en. Für die Beratungspraxis bedeutsam ist, dass die Änderungsmöglichkeiten auch zu Gunsten des Stpfl. wirken können. Gerade für die o.g. Entwicklungen im Bereich der Renteneinkünfte, sollte die Vorschrift im Werkzeugkasten der Steuerberatung nicht fehlen. Ob der BFH zukünftig auch eine Grenze für den Anwendungsbereich setzen wird, bleibt abzuwarten. Geboten scheint mir dies auf jeden Fall i.Z.m. Rechtsentwicklungen nach dem Zeitpunkt der vorherigen Veranlagung. Die Frage eines Rechtsanwendungsfehler s muss m.E. immer aus dem Zeitpunkt der letzten Veranlagung beurteilt werden - ähnlich der herrschenden Meinung i.Z.m. § 173 AO. Entscheidend für die Änderungsmöglichkeit bei nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen ist, wie das Finanzamt bei Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel den Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte. Maßgeblich sind damit die damalige Rspr. des BFH und der die Finanzämter bindenden Verwaltungsanweisungen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses gegolten haben. Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016, BGBl I 2016, 1679 § 84 Nr. 2 d EStDV § 65 Nr. 3 a EStDV § 84 Nr. 3 g S. 2 EStDV § 84 Nr. 3 g S. 3 EStDV Vgl. hierzu BT-Drucks. 18/7457 v. 3.2.2016, Seite 88 Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO § 173 AO § 173 a AO § 129 AO FG Münster, Urt. v. 14.8.2023 - 8 K 294/23 E, EFG 2023, 1592 mit Anm. Echtermann BFH-Urt. v. 8.9.2021 - X R 5/21, BStBl II 2022, 398 FG Münster, Urt. v. 14.8.2023 - 8 K 294/23 E, EFG 2023, 1592 mit Anm. Echtermann Vgl. u.a. Nds. FG, Urt. v. 13.10.2022 - 2 K 123/22, EFG 2023, 1589 sowie FG Münster, Urt. v. 9.3.2021 - 1 K 2809/19 E, EFG 2021, 989 BFH-Urt. v. 1.7.2021 - VIII R 4/18, BFH/NV 2021, 1558 Weiterführend Perschon, AktStR 2022, 87 Az des BFH: X R 9/24 Vgl. BFH-Urt. v. 11.5.1988 - I R 216/85, BStBl II 1988, 715 sowie BFH-Urt. v. 15.1.1991 - IX R 238/87, BStBl II 1991, 741
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Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf
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Jahrgang: 2023 . Seite: 501
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Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und - wenn ja - unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF zulässig ist. BFH-Beschl. v. 14.12.2022 - X R 19/21, DStR 2023, 517 I. Vorbemer ...
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Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
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Jahrgang: 2023 . Seite: 335
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Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeit en nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der ...
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Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
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Jahrgang: 2023 . Seite: 155
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1. Die von einem Erben durch eine unterlassene Berichtigung gem. § 153 Abs. 1 AO begangene Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) führt nicht zu einer weiteren Verlängerung der Festsetzungsfrist, wenn diese sich schon aufgrund einer Steuerhinterziehung des Erblassers nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf zehn Jahre ...
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Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
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Jahrgang: 2022 . Seite: 671
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1. Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des ...
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Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
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Jahrgang: 2022 . Seite: 501
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Da sich für den Erlass einer Prüfungsanordnung keine konkreten und allgemeingültigen Maßstäbe zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und zur Beachtung des Willkür- und Schikaneverbots entwickeln lassen, wirft der Beschwerdeführer keine abstrakte Rechtsfrage i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO auf, wenn er geklärt sehen will, ...
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Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
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1. § 23 Abs. 1 S. 3 EStG ist eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift i.S.v. § 42 Abs. 1 S. 2 AO; damit ist die Annahme eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AO für den Fall der Veräußerung nach unentgeltlicher Übertragung grundsätzlich ausgeschlossen. 2. Hat der ...
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Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
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Jahrgang: 2021 . Seite: 839
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1. Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt für die Auswahl des Zinsgegenstands und die Bestimmung des Zinssatzes im Steuerrecht ist ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab. Zinsregelungen als steuerliche Nebenleistungen bedürfen zur Wahrung der Belastungsgleichheit eines über den Zweck d ...
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Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
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Jahrgang: 2021 . Seite: 641
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1. Einzelsteuergesetzliche Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen, die tatbestandlich nicht einschlägig sind, schließen die Anwendung des § 42 AO nicht aus. 2. Bei der Prüfung des ...
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