12
AktStR: Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf, 2025 S. 207: Personenzusammenschluss von Freiberuflern und Gefahr der Gewerblichkeit Personenzusammenschluss von Freiberuflern und Gefahr der Gewerblichkeit Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf Jahrgang: 2025 . Seite: 207 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden. BFH-Urt. v. 4.2.2025 - VIII R 4/22, BFH/NV 2025, 578 I. Vorbemerkungen 1. Allgemeines In der Beratungspraxis kommt der Abgrenzung zwischen gewerblichen Einkünften und Einkünften aus einer selbstständigen Tätigkeit große Bedeutung zu. Der Abgrenzung bedarf es gerade dann, wenn bei Zusammenschlüssen von Berufsträgern freier Berufe durch Aufgabenteilung en einzelne Mitunternehmer überwiegend organisatorische oder administrative Aufgaben im Personenzusammenschluss erbringen. Verstärkt wird in Ap das Erzielen von freiberuflichen Einkünften bei Personenzusammenschlüssen in Frage gestellt. Das nachträgliche Feststellen von gewerblichen Einkünften führt zu vielfältigen Besteuerungsfolgen: Auslösung einer Buchführungspflicht nach Maßgabe von §§ 140 bzw. 141 AO Versagung der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 UStG  Begründung einer Gewerbesteuerpflicht  Mehrbelastung durch die GewSt, weil die Anrechnung der GewSt nach § 35 EStG auf das 4-fache des GewSt-Messbetrags beschränkt ist und die tatsächliche GewSt den Anrechnungsbetrag übersteigt. Beratungshinweis: Höhe der Anrechnung Nach Maßgabe von § 35 EStG findet eine Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb statt, die die Belastung mit GewSt ausgleichen soll.  Durch die Steuerermäßigung nach § 35 EStG soll eine Doppelbesteuerung mit GewSt und ESt verhindert werden. Die Steuerermäßigung ist auf die tatsächlich zu zahlende GewSt beschränkt.  Ein GewSt-Erlass im Erhebungsverfahren nach § 227 AO oder eine Verjährung im Erhebungsverfahren  löst keine Änderung des Einkommensteuerbescheids in Bezug auf die Anrechnungshöhe aus.  Wird jedoch ein Festsetzungserlass der GewSt nach § 163 AO gewährt, ist diese bei der Anrechnungshöhe zu berücksichtigen und der Steuerbescheid ist nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zu ändern.  Die GewSt ist zwar betrieblich veranlasster Aufwand , sie darf den steuerlichen Gewinn aber ebenso wie die Nebenleistungen zur GewSt   nicht mindern.  Die Gewinnerhöhung aus dieser GewSt-Hinzurechnung nach § 4 Nr. 5 b EStG wird trotz z.T. ausgleichender Gewerbesteueranrechnung  - zumindest nach der Verwaltungsauffassung  - bei der Frage, ob die Gewinngrenze von 200.000 EUR je Betrieb i.S.d. § 7 g EStG eingehalten wird, berücksichtigt.  Bei Einkünften aus selbstständiger Arbeit ergibt sich diese Problematik mangels Gewerbesteuerpflicht nicht. 2. Abgrenzung der gewerblichen Einkünfte von freiberuflichen Einkünften Gewerbliche Einkünfte werden nur erzielt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen ist.  Ob eine freiberufliche Tätigkeit vorliegt, richtet sich nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen folgenden freiberuflichen Tätigkeiten: Fallgruppe 1 (bestimmte Berufsausübung): Selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit. Fallgruppe 2 (Katalogberufe ): Die selbstständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen. Fallgruppe 3 (ähnliche Berufe zu einem Katalogberuf): Die selbstständige Berufstätigkeit der den Katalogberufen ähnlichen Berufe. Ein Angehöriger eines freien Berufs ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient. Voraussetzung hierfür ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.  Eine PersG kann nicht selbst die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit erfüllen. Vielmehr müssen alle Gesellschafter der PersG die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllen, um eine Freiberuflichkeit der PersG zu begründen ( tätigkeitsbezogene Betrachtung). Jeder Gesellschafter muss mithin über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich auch entfalten. Beratungshinweis: Umfang der Tätigkeit Es wird jedoch nicht erwartet, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet.  Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann nach Auffassung des BFH auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden.  3. Vom BFH entscheidende Rechtsfrage Folgende Rechtsfrage hatte der BFH zu entscheiden: Liegt eine freiberufliche Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft dann vor, wenn die Arbeitsteilung zwischen mehreren Berufsträgern so weit geht, dass ein einzelner Berufsträger in einer zahnärztlich tätigen Mitunternehmerschaft nur in (allenfalls) marginalem Umfang Behandlungsleistungen an Patienten vornimmt, in der weit überwiegenden Vielzahl der Fälle und bezogen auf den allergrößten Teil der Umsatzerlöse der Gesellschaft keinerlei eigenen Beitrag zur unmittelbaren Ausübung der Zahnheilkunde durch andere Berufsträger leistet und vornehmlich tätigkeitsnahe Tätigkeiten (z. B. Qualitätssicherung, Schulung, Hygieneüberwachung etc.) erbracht werden? II. Entscheidungen 1. BFH-Urt. v. 4.2.2025 - VIII R 4/22, BFH/NV 2025, 578 a) Sachverhalt Die Klägerin ist eine PartG, die aus sieben approbierten Zahnärzten besteht. An der PartG ist auch Dr. AM beteiligt. Neben seiner Tätigkeit für die Klägerin war Dr. AM im Streitjahr auch Ges.-GF der G-GmbH, deren Geschäftszweck der Automobil-Handel ist. Im Streitjahr 2010 beschäftigte die Klägerin neben den Partnern fünf weitere Zahnärzte und erzielte Umsatzerlöse, zu denen Dr. AM einen Umsatz i.H.v. 0,028 % beitrug. Die Umsätze generierte Dr. AM durch die konsiliarische Beratung von fünf Patienten, die außerhalb der Praxisräume erfolgte bzw. in Situationen, in denen Dr. AM die Patienten „immer wieder“ im Wartezimmer angetroffen habe. Dr. AM war nicht direkt „am Stuhl“ behandelnd tätig und auch sonst in die praktische zahnärztliche Arbeit der sechs Mitsozien und der fünf weiteren angestellten Zahnärzte nicht eingebunden. Als Seniorpartner erzielte Dr. AM einen Vorabgewinn von 15 %. Die Honorierung erfolgte für die Übernahme der Organisationsarbeiten der Praxis, damit sich die anderen Partner auf die Betreuung der Patienten am Stuhl fokussieren konnten. Mit Gesellschafterbeschluss vom 28.3.2011 beschlossen die Partner der Klägerin mehrheitlich Folgendes: „Die Gesellschafter sind übereingekommen, dass der seit Gründung der Gesellschaft unterdurchschnittliche Beitrag des Gesellschafters Dr. AM zur gemeinsamen Berufsausübung dem Gesellschaftszweck widerspricht. … Der Gesellschafter Dr. AM wird aufgefordert, entsprechend dem in § 1 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags definierten Gesellschaftszwecks einer „gemeinsamen Berufsausübung“ mit dem 1.4.2011 wieder am Sitz der Gesellschaft seine volle Arbeitskraft zur Erbringung zahnärztlicher Leistungen bereitzustellen“. Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, die PartG erziele gewerbliche Einkünfte. Die Klage hiergegen blieb ohne Erfolg. Auch nach Auffassung des FG Rheinland-Pfalz  erzielte die PartG insg. gewerbliche Einkünfte. Dies ergebe sich daraus, dass ein Mitunternehmer nur in geringem Umfang eigene originär freiberufliche (Zahnarzt-)Leistungen an Patienten erbrachte und durch diese gewerbliche Tätigkeit eines Einzelnen sämtliche Einkünfte der PartG gewerblich sind. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahr 2010 Klägerin Die zahnärztliche PartG besteht aus sieben approbierten Zahnärzten. Der Seniorpartner Dr. AM übte im Streitjahr an seinen Tätigkeitstagen vornehmlich organisatorische Tätigkeiten aus. Dr. AM war nicht direkt behandelnd am Stuhl tätig; er war konsiliarisch für die Mitgesellschafter und die angestellten Ärzte tätig und erzielte hieraus 0,028 % des Praxisumsatzes. FG Rheinland-Pfalz Abweisung der Klage. Die zahnärztliche PartG erzielt gewerbliche Einkünfte, weil ein Mitunternehmer ganz überwiegend Organisations-, Verwaltungs- und Management-Tätigkeiten ausübt. Berufstypische Tätigkeiten in außerordentlich geringem Umfang reichen nicht für die Freiberuflichkeit aus. b) Entscheidung des BFH Der BFH schloss sich mit der Auffassung der Vorinstanz nicht an und hielt die Rev. der Klägerin im Wesentlichen aus folgenden Erwägungen für begründet: Sämtliche Gesellschafter der PersG erfüllten die Voraussetzung für eine freiberufliche Tätigkeit, weil sie als Zahnärzte über die persönliche Berufsqualifikation verfügen. Die bloße Zugehörigkeit zu einem Katalogberuf reicht nicht aus. Zudem muss jeder Gesellschafter diese Qualifikation aktiv am Markt entfaltet haben. Bei Mit- und Zusammenarbeit i.R.e. Mitunternehmerschaft muss der jeweilige Mitunternehmer selbst aber nicht persönlich an jedem Auftrag leitend und eigenverantwortlich mitwirken. Es genügt, wenn der einzelne Mitunternehmer die berufstypische freiberufliche Tätigkeit zumindest in geringem Umfang leitend und eigenverantwortlich ausübt. Diese patientenbezogene Betrachtung schließt eine freiberufliche Tätigkeit nicht aus, wenn gerade bei größeren Zusammenschlüssen von Berufsträgern neben einer ggf. äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit am Patienten vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Gesellschaft erbracht werden. Die nachweisliche Beratung von fünf Patienten - ohne Aktivität am Behandlungsstuhl - durch Dr. AM reicht für die Erbringung von berufstypischen Tätigkeiten und für die Begründung seiner freiberuflichen Tätigkeit aus. III. Anmerkungen Die Rezensionsentscheidung sorgt für Klarheit bei der Abgrenzung von gewerblichen und freiberuflichen Einkünften in den Fällen der Personenzusammenschlüsse - und zwar über den Entscheidungsfall hinaus auch für Zusammenschlüsse von Rechtsanwälten, Steuerberatern und weiteren Katalogberufen. 1. Freiberufliche Einzelpraxen mit gewerblicher Tätigkeit Übt eine natürliche Person sowohl eine gewerbliche als auch eine freiberufliche Tätigkeit aus, werden die unterschiedlichen Tätigkeiten getrennt beurteilt, wenn zwischen beiden Tätigkeiten kein Zusammenhang besteht.  2. Freiberufliche Personenzusammenschlüsse Sind die Gesellschafter einer PersG auch gewerblich tätig, hat dies - sofern die Tätigkeiten nicht untrennbar verflochten und deshalb insgesamt entweder als freiberuflich oder gewerblich zu qualifizieren sind - die Gewerblichkeit sämtlicher Einkünfte zur Folge.  Beratungshinweis: Ausgliederungsmodell Diese Rechtsfolge kann gestalterisch durch die Gründung einer weiteren Gesellschaft, die die gewerblichen Tätigkeiten übernimmt - sofern dies standesrechtlich zulässig ist -, verhindert werden (sog. Ausgliederungsmodell).  Selbst ohne Ausgliederung wird nach der Rspr. die Rechtsfolge einer Gewerblichkeit verhindert, wenn sich die gewerbliche Betätigung als geringfügig herausstellt.  Im Entscheidungsfall wurde weder eine Ausgliederung vorgenommen noch war die Geringfügigkeitsgrenze eingehalten. Der BFH geht hierauf folglich nicht ein. 3. Fast ausschließlich berufsfremde Tätigkeit schädlich für die Freiberuflichkeit? Es ging in der Rezensionsentscheidung nur um die Frage, ob durch die fast ausschließlich administrative und organisatorische Tätigkeit eines Mitunternehmers seine tatsächliche steuerlich freiberufliche Tätigkeit verloren geht und damit die Gesellschaft insg. gewerbliche Einkünfte erzielt. Der BFH hat dies mit der Begründung verneint, dass eine äußerst geringfügige berufstypische Tätigkeit am Patienten (hier: fünf Patienten im Jahr, die auch nur beratend für einen Kollegen betreut werden) ausreichend für die Erfüllung einer Katalogberufstätigkeit sei. Er hielt es für unerheblich, dass die Patienten nicht „am Stuhl“, sondern wohl eher zufällig außerhalb der Praxisräume oder des Wartezimmers beraten worden seien. Das EStG sehe - so der BFH - keinen Mindestumfang der nach außen gerichteten Tätigkeit vor (behandelnde Tätigkeit bei Zahnärzten).  Diese Auffassung des BFH ist für die Arbeitsteilung bei Personenzusammenschlüssen zu begrüßen, wenngleich sie überrascht.  Ob der Gesetzgeber auf diese Rspr. reagieren und eine „rechtsprechungsbrechende Regelung“ verabschieden wird, bleibt abzuwarten. Beratungshinweis: Beweisvorsorge Die Prüfung einer berufstypischen Tätigkeit hat je Veranlagungszeitraum zu erfolgen; Beweisvorkehrungen durch verstärkte Dokumentationen der Tätigkeitszeiten und Tätigkeitsgebiete sollten getroffen werden.  Hierzu können sich Zeitaufzeichnungen oder Abrechnungen anbieten, in denen berufstypische Tätigkeiten ggü. dem Patienten bzw. dem Mandanten weiterberechnet werden. Nur falls ausschließlich administrative und organisatorische Tätigkeiten erbracht werden, löst dies - außer bei Einhaltung der Geringfügigkeitsgrenze - eine Gewerblichkeit aus. Es bietet sich eine Verlagerung von Organisations-, Verwaltungs- und Leitungsaufgaben auf eine (ggf. beteiligungsidentische) Schwestergesellschaft an.  Dieser Ausgliederung bedarf es aber dann nicht, wenn ein Angestellter („ Office Manager“) für den Praxisbetrieb die notwendigen internen Organisationsleistungen und die Kommunikation mit sonstigen Dritten erledigt. Beratungshinweis: Hilfsperson Diese Tätigkeit gefährdet die freiberufliche Einkünfteerzielung auf Ebene der Berufsausübungsgesellschaft nicht, denn der Office-Manager ist insoweit nicht einmal als Hilfsperson i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG anzusehen. Nur bei Hilfspersonen, die in die freiberufliche Leistungserbringung nach außen eingeschaltet sind (z.B. angestellte Ärzte), müssten die Berufsträger-Mitunternehmer der Tätigkeit ihren Stempel aufdrücken und auch insoweit leitend und eigenverantwortlich tätig sein.  4. BFH-Entscheidung sorgt für einen Gleichklang mit doppelstöckigen freiberuflichen Mitunternehmerschaften Bei einer doppelstöckigen freiberuflichen Mitunternehmerschaft, bei der eine freiberufliche Oberpersonengesellschaft an einer freiberuflichen Unterpersonengesellschaft beteiligt ist, genügt es der BFH-Rspr. für die Freiberuflichkeit der Untergesellschaft, wenn an der Obergesellschaft ausschließlich Freiberufler beteiligt sind und diese in „zumindest geringfügigem Umfang“ leitend und eigenverantwortlich bei der Unterpersonengesellschaft tätig werden.  Insoweit besteht jetzt ein Gleichklang mit der „einstöckigen“ PersG wie im Streitfall.  5. Weitergehende Hinweise a) Wegfall der freiberuflichen Einkünfte und Buchführungspflicht Liegen gewerbliche statt freiberufliche Einkünfte vor, kann dies eine Buchführungspflicht nach Maßgabe von §§ 140 bzw. 141 AO auslösen. Sofern keine Buchführungspflicht nach außersteuerlichen Gesetzen besteht, kann sich für gewerbliche Unternehmen eine steuerlich ausgelöste Buchführungspflicht nach § 141 AO ergeben. Durch das Wachstumschancengesetz  hat der Gesetzgeber ab 2024 eine Erhöhung dieser Schwellenwerte von 600.000 EUR auf 800.000 EUR (Umsatzgrenze ) bzw. von 60.000 EUR auf 80.000 EUR (Gewinngrenze) in § 141 AO bestimmt. Diese Erhöhungen hat der Gesetzgeber in § 241 a HGB (Befreiung von der Pflicht zur Buchführung und Erstellung eines Inventars) nachvollzogen. Die Finanzbehörden haben auf den Beginn der Buchführungspflicht hinzuweisen. Die Verpflichtung zur Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 1 AO ist vom Beginn des Wirtschaftsjahres an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt, durch die die Finanzbehörde auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat. Diese Regelung wird durch den AEAO eingeschränkt. Danach soll diese Mitteilung mind. einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahres bekannt gegeben werden, von dessen Beginn an die Buchführungspflicht zu erfüllen ist. Wird diese Frist durch die FinVerw nicht eingehalten, kann es zu einer Buchführungspflicht erst ab dem Folgejahr kommen. Beim Übergang von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ist ein Übergangsergebnis zu ermitteln. Ein entstehender Übergangsgewinn  muss nicht zwingend im Übergangsjahr versteuert werden. Die FinVerw lässt eine gleichmäßige Verteilung auf das Jahr des Übergangs und die beiden folgenden Jahre zu.  Wird der Betrieb vor Ablauf des Verteilungszeitraums veräußert oder aufgegeben, erhöhen die noch nicht berücksichtigten Beträge den laufenden Gewinn des letzten Wirtschaftsjahres.  Beratungshinweis: Wechsel zur EÜR Bei einem Wechsel zur EÜR ist übrigens das Übergangsergebnis nicht zeitlich gestreckt der Besteuerung zu unterwerfen; es ist im ersten Jahr des Übergangs i.v.H. zu berücksichtigen.  Ergibt sich rückwirkend, dass gewerbliche und nicht freiberufliche Einkünfte erzielt werden, stellt sich die Frage, ob auch rückwirkend eine Bilanzierungspflicht nach Maßgabe von §§ 140 bzw. 141 AO eintritt. M.E. bedarf es nicht der rückwirkenden Bilanzierung; es dürfte nach § 148 AO für die Vergangenheit aus Billigkeitsgründen bei der bisherigen Gewinnermittlungsart bleiben. Ein Übergang zur Bilanzierung dürfte nur für die Zukunft eintreten. b) Ist-Besteuerung und Freiberufler Wird festgestellt, dass nunmehr gewerbliche an Stelle von freiberuflichen Einkünften erzielt werden, entfällt die Möglichkeit der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten.  Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Gesamtumsatz des Vorjahres nicht mehr als 800.000 EUR betragen hat oder keine Buchführungspflicht besteht.  Die Gestattung der Ist-Besteuerung ist ein Verwaltungsakt. Stellt sich später heraus, dass gewerbliche und keine freiberuflichen Einkünfte in früheren Jahren erzielt worden sind, stellt sich die Frage, ob die Ist-Besteuerung nur für die Zukunft oder auch für die Vergangenheit widerrufen werden kann.  Bei der Gestattung der Ist-Besteuerung handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, der nur nach Maßgabe von § 130 Abs. 2 AO rückwirkend widerrufen werden darf.  Die Umqualifizierung von Einkünften dürfte hiervon nicht erfasst sein, so dass ein Widerruf der Ist-Versteuerung nur für die Zukunft möglich wäre.  Der Widerruf hat jeweils zum Beginn eines Jahres zu erfolgen; ein Wechsel von der Ist- zur Sollbesteuerung innerhalb eines Kalenderjahres ist nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung nicht zulässig.  Beratungshinweis: Freiberufler und Betriebsvermögensvergleich Liegen freiberufliche Einkünfte vor, werden aber freiwillig Bücher geführt, kann sich eine andere Problematik i.Z.m. der Ist-Besteuerung ergeben: Nach § 20 S. 1 Nr. 3 UStG kann die USt aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs auf Antrag nach vereinnahmten Entgelten ermittelt werden. Dies soll nach der bisherigen Rechtsauslegung nicht gelten, wenn der Freiberufler den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt und freiwillig Bücher führt. Diese Auslegung  ist gegenwärtig strittig, weil der Gesetzeswortlaut - anders als bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die freiwillig Bücher führen  - keinen gesetzlichen Ausschluss von buchführenden Freiberuflern enthält. Von einer freiwilligen Führung von Büchern ist nicht bereits dann auszugehen, wenn für Zwecke einer EÜR  Aufzeichnungen wie z.B. eine offene Postenbuchhaltung geführt werden. Das bloße Führen von OPOS-Listen ist noch keine freiwillige Führung von Büchern.  Nur wenn der ertragsteuerliche Gewinn durch einen Betriebsvermögensvergleich ermittelt wird, ist von einer freiwilligen Buchführung auszugehen.  c) Gewerbesteuer und Koalitionsvertrag Der Koalitionsvertrag zwischen der CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode sieht Änderungen bei der GewSt vor. Kommunen können ihre Gewerbesteuerhebesätze grds. selbst festlegen. Der Mindesthebesatz beträgt gegenwärtig 200 %.  Dieser soll auf 280 % angehoben werden. Zudem soll gegen Scheinsitze in GewSt-Oasen vorgegangen werden.      Vgl. hierzu eingehend die Ausführungen unter III.5.b)       § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG       Vgl. BMF-Schr. v. 3.11.2016 - IV C 6-S 2296-a/08/10002:003, BStBl I 2016, 1187       § 35 Abs. 1 S. 5 EStG       § 228 AO       BMF-Schr. v. 24.2.2025 - IV C 6 - S 2296-a/00031/001/005, BStBl I 2025, 649       BMF-Schr. v. 3.11.2016 - IV C 6-S 2296-a/08/10002:003, BStBl I 2016, 1187, Tz 6       Betriebliche Veranlassung trotz des „verunglückten“ Gesetzeswortlauts des § 4 Nr. 5 b EStG: BFH-Urt. v. 10.9.2015 - IV R 8/13, BStBl II 2015, 1046, Rn 17       Offen ist, ob Erstattungszinsen zur GewSt steuerpflichtige Betriebseinnahmen sind: bejahend: FG Düsseldorf, Urt. v. 4.5.2023 - 9 K 1987/21 G,F, EFG 2023, 1215, mit Anm. Zimmermann, Rev. eingelegt, Az des BFH: IV R 16/23       § 4 Nr. 5 b EStG       § 35 EStG       BMF-Schr. v. 15.6.2022 - BStBl I 2022, 945, Tz 13       A.A. FG Baden-Württemberg, Urt. v. 2.5.2023 - 10 K 1873/22, EFG 2023, 1373, mit Anm. Wackerbeck, Rev. eingelegt, Az des BFH: III R 38/23       § 15 Abs. 2 S. 1 EStG       § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG       BFH-Urt. v. 4.8.2020 - VIII R 24/17, BStBl II 2021, 81, Rn 14 m.w.N.       BFH-Urt. v. 28.10.2008 - VIII R 69/06, BStBl II 2009, 642       FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.9.2021 - 4 K 1270/19, EFG 2022, 490 mit Anm. Christoph Schmidt       FG Hamburg, Urt. v. 10.9.2013 - 3 K 80/13, Juris, rkr., m.w.N.       § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG       BVerfG, Beschl. v. 15.1.2008 - 1 BvL 2/04, BGBl I 2008, 1006; vgl. auch BFH-Urt. v. 19.2.1998 - IV R 11/97, BStBl II 1998, 603 und BFH-Urt. v. 30.6.2022 - IV R 42/19, BStBl II 2023, 118; weitergehend zum Ausgliederungsmodell auch Graw, DStR 2024, 1218       Die gewerblichen Nettoumsatzerlöse betragen max. 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und max. 24.500 EUR im Veranlagungsjahr: BFH-Urt. v. 30.6.2022 - IV R 42/19, BStBl II 2023, 118, Verfassungsbeschwerde eingelegt: Az des BVerfG: 2 BvR 2113/22 und BFH-Urt. v. 27.8.2014 - VIII R 6/12, BStBl II 2015, 1002; vgl. auch Messner, AktStR 2019, 611       Levedag, NWB-Datenbank XAAAJ-88441       Altrogge, DB 2025, 1041; Neuffer, NWB-Datenbank WAAAJ-88437       Seifert, StuB 2022, 433       Schmidt, EFG 2022, 498, Anm. zu FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.9.2021 - 4 K 1270/19, EFG 2022, 490       Levedag, NWB-Datenbank XAAAJ-88441       BFH-Urt. v. 4.8.2020 - VIII R 24/17, BStBl II 2021, 81 m.w.N.       So zu Recht Rätke, NWB-Datenbank PAAAJ-89031       Wachstumschancengesetz, BGBl I 2024 Nr. 108 v. 27.3.2024       § 19 Abs. 2 S. 1 UStG       Keine Verteilung bei Übergangsverlusten aus sachlichen Billigkeitsgründen: BFH-Urt. v. 23.7.2013 - VIII R 17/10, BStBl II 2013, 820       R 4.6 Abs. 1 S. 2 EStR       R 4.6 Abs. 1 S. 3 EStR       R 4.6 Abs. 2 EStR       § 20 UStG       § 20 Nr. 1 und Nr. 2 UStG       § 130 Abs. 1 AO       Vgl. auch BFH-Urt. v. 11.11.2020 - XI R 41/18, BStBl II 2023, 288 (Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung im Gründungsjahr wegen unrichtiger Gesamtumsatzprognose)       § 130 Abs. 2 AO       Abschn. 20.1 Abs. 1 S. 5 UStAE; so auch Mann in Küffner/Zugmaier, Umsatzsteuer-Kommentar, § 20 Rz 31       § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG       FG Baden-Württemberg, Urt. v 9.7.2024 - 9 K 86/24, EFG 2025, 605 mit Anm. Büchter-Hole, Rev. eingelegt, Az des BFH: V R 16/24       Vgl. auch BMF-Schr. v. 31.7.2013 - IV D 2-S 7368/10/10002, 2013/0719183, BStBl I 2013, 964 m.w.N.       Vgl. § 20 S. 1 Nr. 4 UStG - anzuwenden ab dem 1.1.2023       § 4 Abs. 3 EStG       FG Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid v. 9.7.2024 - 9 K 86/24, EFG 2025, 605 mit Anm. Büchter-Hole, Rev. eingelegt, Az des BFH: V R 16/24       OFD Nds. v. 17.12.2013 - S 7368-28-St 181/182, DStR 2014, 750       § 16 Abs. 4 S. 2 GewStG