AktStR
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Über das AktStR
Unternehmereigenschaft von Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsmitgliedern bei variabler Vergütung
Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
Jahrgang: 2024 . Seite: 121
1. Das Mitglied des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft nach luxemburgischem Recht übt eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL aus, wenn es dieser Gesellschaft eine Dienstleistung gegen Entgelt erbringt und diese Tät ...
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Zeitpunkt der Vereinnahmung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG bei Überweisungen
AktStR: Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg, 2024 S. 133: Zeitpunkt der Vereinnahmung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG bei Überweisungen Zeitpunkt der Vereinnahmung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG bei Überweisungen Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg Jahrgang: 2024 . Seite: 133 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. Bei Überweisungen liegt eine Vereinnahmung des Entgelts i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG auch dann erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Girokonto des Zahlungsempfängers vor, wenn die Wertstellung (Valutierung) bereits zu einem früheren Zeitpunkt wirksam wird. BFH-Urt. v. 17.8.2023 - V R 12/22, BFH/NV 2024, 145 I. Vorbemerkungen 1. Entstehung der Umsatzsteuer bei der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) Nach § 20 Abs. 1 S. 1 UStG kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, dessen Gesamtumsatz i.S.d. § 19 Abs. 3 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 EUR betragen hat, oder der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu erstellen, nach § 148 AO befreit ist, oder soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführt, oder der eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, soweit er nicht freiwillig Bücher führt und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse macht oder hierzu gesetzlich verpflichtet ist, die Steuer nicht nach den verein barten Entgelten gem. § 16 Abs. 1 S. 1 UStG, sondern nach den verein nahmten Entgelten (Ist-Versteuerung) berechnet. Der Antrag auf Genehmigung der Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten kann bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung gestellt werden. In diesem Fall entsteht die USt mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Eine Vereinnahmung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG liegt vor, wenn dem Unternehmer das Entgelt in der Weise zugeflossen ist, dass er wirtschaftlich über dieses verfügen kann. Nicht zur Voraussetzung der Vereinnahmung gehört, dass der Unternehmer das Entgelt auch endgültig behalten darf. Bei einer Überweisung liegt eine Vereinnahmung im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto vor. Beratungshinweis: Änderung durch das Wachstumschancengesetz? Aktuell befindet sich das sog. Wachstumschancengesetz im Vermittlungsausschuss zwischen BT und BR. Nach dem Beschl. des BT v. 17.11.2023 sollte die Umsatzgrenze für die Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG mit Wirkung vom 1.1.2024 von 600.000 EUR auf 800.000 EUR steigen. Ob und vor allem ab wann diese eigentlich unumstrittene Änderung kommt, bleibt abzuwarten. 2. Gutschrift vs. Wertstellung In der Rezensionsentscheidung erfolgte eine Gutschrift auf einem Bankkonto mit rückwirkender Wertstellung zugunsten des Klägers. Zivilrechtlich ist zwischen Gutschrift und Wertstellung zu unterscheiden. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers ist nach § 675 t Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet, dem Zahlungsempfänger den Zahlungsbetrag unverzüglich verfügbar zu machen, nachdem der Betrag auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters eingegangen ist. Sofern der Zahlungsbetrag auf einem Zahlungskonto des Zahlungsempfängers gutgeschrieben werden soll, ist die Gutschrift, auch wenn sie nachträglich erfolgt, so vorzunehmen, dass der Zeitpunkt, den der Zahlungsdienstleister für die Berechnung der Zinsen bei Gutschrift oder Belastung eines Betrags auf einem Zahlungskonto zugrunde legt ( Wertstellungsdatum), spätestens der Geschäftstag ist, an dem der Zahlungsbetrag auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers eingegangen ist. Die Wertstellung bestimmt damit den Zeitpunkt, ab dem der gebuchte Betrag zinswirksam wird. Die Wertstellung ist von der Gutschrift unabhängig und hat grds. jeweils am Tag des Geldzuflusses bzw. Geldabflusses beim Kreditinstitut zu erfolgen. 3. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfrage Der BFH hatte über folgende Frage zu entscheiden: Erfolgt die Vereinnahmung des Entgelts i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG mit dem Wertstellungstag oder tatsächlicher Verbuchung auf dem Konto des Unternehmers? II. BFH-Urt. v. 17.8.2023 - V R 12/22, BFH/NV 2024, 145 1. Sachverhalt Der Kläger ist eine natürliche Person, die im Streitjahr 2009 als Designer umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielte. Die USt wurde nach vereinnahmten Entgelten berechnet. Mit Buchungstag 2.1.2020 erfolgte ein Zahlungseingang aufgrund einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung. Im Rahmen einer USt-Sonderprüfung im Juli 2020 erhöhte das Finanzamt die Umsätze für das Jahr 2019 um 30.442 EUR (netto), da die Wertstellung des Zahlungseingangs bereits am 31.12.2019 erfolgte. Die Klage beim FG hatte Erfolg. Die Rev. wurde zugelassen und vom Finanzamt eingelegt. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahr 2019 Kläger Natürliche Person, umsatzsteuerpflichtige Umsätze als Designer 2019, 2020 Zahlungseingang aufgrund einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung, Gutschrift auf dem Bankkonto am 2.1.2020 (Buchungstag) mit Wertstellung zum 31.12.2019 Finanzamt Erhöhung der umsatzsteuerpflichtigen Umsätze um 30.442 EUR (netto) für 2019 FG Berlin-Brandenburg Stattgabe der Klage, Revisionszulassung wg. grundsätzlicher Bedeutung 2. Entscheidung und Begründung Die Rev. wurde aus den nachfolgenden Gründen als unbegründet zurückgewiesen: Wirtschaftliche Verfügungsmacht wird bei Überweisungen mit Gutschrift auf dem Konto erlangt. Eine Wertstellung zu einem früheren Zeitpunkt ist unbeachtlich. Eine Vereinnahmung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG erfordert die Verfügungsmöglichkeit über den gutgeschriebenen Betrag und nicht nur eine auf die Zinswirksamkeit bezogene Wertstellung. § 675 t Abs. 1 BGB steht einer vor dem Zeitpunkt der Gutschrift liegenden Wertstellung nicht entgegen. III. Anmerkungen 1. Allgemeines Die Bedeutung der Rezensionsentscheidung für die Praxis ist nicht zu unterschätzen. Eine unzutreffende Erfassung der USt kann zu einer doppelten Umsatzsteuerbelastung führen (s. hierzu die Ausführungen zum Verfahrensrecht unter III.3.). Einen Fall, wie er der Rezensionsentscheidung zugrunde liegt, hatte der BFH bisher nicht zu entscheiden und das Ergebnis liegt keinesfalls auf der Hand. So wird in der Literatur auch die Meinung vertreten, dass eine Vereinnahmung bereits mit Wertstellung anzunehmen sei. Auch die vom beklagten Finanzamt vertretene Auffassung, dass sich aus der Verpflichtung des Zahlungsdienstleisters nach § 675 t Abs. 1 S. 1 BGB, dem Zahlungsempfänger den Zahlungsbetrag unverzüglich verfügbar zu machen, bereits die Vereinnahmung beim Kläger ergeben würde, ist im Ansatz - auch wenn der BFH dem nicht gefolgt ist - nachvollziehbar. Die Grundsätze der Entscheidung sind auch für die Ermittlung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 3 UStG und damit für die Einordnung in die Kleinunternehmerregelung zu beachten. Beratungshinweis: Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei Ist-Versteuerung Auf den ersten Blick hat die Entscheidung keine Bedeutung für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs, da dieser nach bisheriger Auffassung unabhängig von der Frage der Entstehung der USt beim Leistenden nur von dem Vorliegen einer Rechnung und der Ausführung der Leistung abhängig (Sollprinzip) war. Die Entscheidung des EuGH v. 10.2.2022 in der RS „Kollaustr. 136“ hat hier jedoch eine wesentliche Änderung gebracht. Danach verstößt die in Deutschland angewandte Praxis gegen EU-Recht. Dem Leistungsempfänger steht das Vorsteuerabzugsrecht erst im Zeitpunkt der Entstehung der USt beim Leistenden zu. Versteuert dieser nach vereinnahmten Entgelten, so setzt der Vorsteuerabzug die Vereinnahmung des Entgelts auf Seite des Leistenden voraus. Somit hat die Rezensionsentscheidung auch eine Bedeutung für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers. 2. Übertragbarkeit auf Zufluss i.S.d. § 11 EStG Nach § 11 Abs. 1 S. 1 EStG sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Stpfl. zugeflossen sind. Dies ist der Zeitpunkt, in dem der Empfänger wirtschaftlich über sie verfügen kann. Die Gutschrift auf dem Bankkonto des Empfängers führt grds. zum Zufluss. Das „Behaltendürfen“ ist kein Kriterium für die Bestimmung des Zuflusses i.S.d. § 11 EStG. Die Grundsätze bei der „Vereinnahmung“ i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG und § 11 Abs. 1 S. 1 EStG sind damit identisch, sodass die Grundsätze der Rezensionsentscheidung auch für die Frage des Zuflusses i.S.d. § 11 EStG übertragbar sind. Dies entspricht auch einer Entscheidung des Hessischen FG. Danach erlangt der Empfänger bei der Zahlung per Banküberweisung die wirtschaftliche Verfügungsmacht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf seinem Bankkonto. Mit der Wertstellung wird allein der Zeitpunkt festgelegt, von dem ab ein gutgeschriebener Betrag von einer für das Girokonto getroffenen Zinsabrede erfasst wird. Die Auffassungen in der Literatur weichen auch hier teilweise ab. Für die Frage der Erfassung von Ausgaben nach § 11 Abs. 2 S. 1 EStG gelten allerdings für Überweisungen andere Grundsätze: Weist das Konto die nötige Deckung auf, genügt für den Abfluss die Erteilung des Überweisungsauftrags und damit bei Online-Überweisungen die elektronische Freigabe. § 11 EStG ist insb. bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und der Ermittlung der Überschusseinkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 - 7 EStG, aber auch bei der Zuordnung von Sonderausgaben und agB, zu beachten. 3. Verfahrensrechtliche Änderungsmöglichkeit bei unzutreffender zeitlicher Zuordnung Erfolgt in einem der Rezensionsentscheidung vergleichbaren Fall die Wertstellung bereits im Kalenderjahr vor der Gutschrift und wird die USt bzw. die Einnahme bereits im Jahr der Wertstellung erfasst, stellt sich die Frage nach einer verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeit, wenn z.B. i.R.e. Ap die zutreffende Erfassung im Folgejahr vorgenommen wird. Soweit eine Änderung nach § 164 AO ausscheidet, erscheint eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO (nachträglich bekanntgewordene Tatsache) oder § 174 Abs. 3 AO (widerstreitende Festsetzungen) naheliegend, um eine doppelte USt bzw. eine doppelte Besteuerung zu verhindern. In einem Fall, in dem regelmäßig wiederkehrende Betriebsausgaben (USt-VZ 11/2012 - Zahlung am 8.1.2013) unzutreffend erfasst wurden, hatte der BFH allerdings eine Änderung abgelehnt. Die Nichtbeachtung des Abflussprinzips durch den steuerlichen Berater stellt danach einen Beratungsfehler dar und begründet daher regelmäßig ein - dem Mandanten zurechenbares - „grobes Verschulden“ i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Das Tatbestandsmerkmal „Annahme“ in § 174 Abs. 3 AO setzt einen kognitiven Prozess bei dem tätig gewordenen Finanzamtsmitarbeiter voraus. Die rein mechanische Übernahme von Erklärungsfehlern des Stpfl. bzw. seines Beraters genügt insoweit nicht. In der Praxis ist Vorsicht geboten und zum Jahreswechsel insb. bei Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG ein genauer Blick auf die Kontoauszüge zu werfen. Eine spätere Änderung nach §§ 173, 174 AO dürfte jedenfalls auch bei einer unzutreffenden Erfassung der Vereinnahmung bzw. des Zuflusses ausscheiden. BFH-Urt. v. 10.12.2008 - XI R 1/08, BStBl II 2009, 1026 § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG Vgl. u.a. BFH-Urt. v. 29.1.1987 - V R 53/76, BStBl II 1987, 516 sowie BFH-Urt. v. 22.6.2021 - V R 16/20, BFH/NV 2021, 1622 Vgl. u.a. BFH-Urt. v. 4.2.1971 - V R 41/69, BStBl II 1971, 467 Vgl. u.a. BFH-Urt. v. 29.11.2022 - XI R 2/22, BStBl II 2023, 731 sowie Abschn. 13.6 Abs. 1 S. 3 UStAE BR-Drucks. 588/23(B) v. 24.11.2023 BT-Drucks. 20/9341 Vgl. Stellungnahme des BR zum Wachstumschancengesetz v. 20.10.2023, BR-Drucks.433/23 § 675 t Abs. 1 S. 2 BGB OLG Hamm, Urt. v. 24.2.2021 - 31 U 140/19, Juris FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 17.5.2022 - 5 K 5133/21, EFG 2023, 590 mit Anm. Lutter Nieskens, in: Rau/Dürrwächter UStG, 197. Lieferung, § 13 UStG, Rn 331 EuGH-Urt. v. 10.2.2022 - C-9/20, DStR 2022, 255 Das BFH-Urt. v. 12.7.2023 - XI R 5/21, DStR 2023, 2724 hat aktuell die Entscheidung des EuGH in der RS „Kollaustr. 136“ im Wesentlichen bestätigt; zur EuGH-Entscheidung in der RS „Kollaustr. 136“ auch; Grune, AktStR 2022, 309 Vgl. u.a. BFH-Urt. v. 21.11.1989 - IX R 170/85, BStBl II 1990, 310 sowie BFH-Urt. v. 11.11.2009 - IX R 1/09, BStBl II 2010, 746 Vgl. u.a. BFH-Beschl. v. 2.7.2008 - X B 204/07, BFH/NV 2008, 1679 Vgl. u.a. BFH-Urt. v. 9.7.1987 - IV R 87/85, BStBl II 1988, 342 FG Hessen, Urt. v. 17.10.2001 - 13 K 4248/97, EFG 2002, 245 Korff, in: KKB, § 11 EStG, Rz 183, 8. Aufl., Stand 28.8.2023 Vgl. u.a. BFH-Urt. v. 6.3.1997 - IV R 47/95, BStBl II 1997, 509 BFH-Urt. v. 17.5.2017 - X R 45/16, BFH/NV 2018, 10 Perschon, AktStR 2018, 131
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