Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
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Jahrgang: 2022 . Seite: 353
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Steuerentlastungsgesetz 2022 vom 23.5.2022, BGBl I 2022, 749 Viertes Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Viertes Corona-Steuerhilfegesetz) vom 19.6.2022, BGBl I 2022, 911 Zweites Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12.7.2022, BGBl ...
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Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
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Jahrgang: 2022 . Seite: 401
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Unter den (weit zu verstehenden) Begriff der Schuldzinsen können auch Kosten für das sog. Projektcontrolling fallen, wenn sie als Finanzierungskosten zu beurteilen sind, weil die Auszahlung der Darl ...
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Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
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Jahrgang: 2022 . Seite: 413
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Zweifelsfragen zu den Investitionsabzugsbeträgen nach § 7 g Abs. 1 - 4 und 7 EStG in der Fassung des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) BMF-Schr. v. 15.6.2022 - IV C 6 - S 2139-b/21/10001:001, BStBl I 2022, 945 I. Hintergrund und Entwicklung der Vorschrift Mit ...
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Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
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Jahrgang: 2022 . Seite: 425
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„Angesetzter Wert“ i.S.d. § 23 Abs. 3 S. 3 EStG ist der Wert, der der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt worden ist. Ist die Entnahme nicht erfasst worden, ist der „angesetzte“ Wert der Buchwert. BFH-Urt. v. 6.12.2021 - IX R 3/21, BStBl II 2022, 406 I. Vorbemerkungen 1. Steuerbarkeit von privaten Veräußerungsgeschäften Im Gegensatz zum betrieblichen Bereich werden private ...
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Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
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Jahrgang: 2022 . Seite: 437
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Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben setzen voraus, dass sie kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur gezahlt, sondern auch fällig geworden sind. BFH-Urt. v. 16.2.2022 - X R 2/21, BFH/NV 2022, 764 I. Vorbemerkungen ...
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Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
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Jahrgang: 2022 . Seite: 447
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§ 17 Nr. 2 a EStG i.d.F. vom 31.7.2019: „1Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um die Anteile im Sinne des Absatzes 1 zu erwerben. 2Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträg ...
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AktStR: Dr. Jörg Grune, Richter am FG, Hannover, 2022 S. 465: Keine Berufung auf das Unionsrecht für Leistungen im Bereich des Sports Keine Berufung auf das Unionsrecht für Leistungen im Bereich des Sports Dr. Jörg Grune, Richter am FG, Hannover Jahrgang: 2022 . Seite: 465 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL hat keine unmittelbare Wirkung, sodass sich eine Einrichtung ohne Gewinnstreben auf diese Bestimmung vor den nationalen Gerichten nicht berufen kann (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Golfclub Schloss Igling vom 10.12.2020 - C-488/18; Änderung der Rechtsprechung). BFH-Urt. v. 21.4.2022 - V R 48/20, BFH/NV 2022, 792 I. Vorbemerkung 1. Harmonisierung der Umsatzsteuer innerhalb der Europäischen Union Das UStG und die UStDV als nationales Recht werden wesentlich durch das Unionsrecht beeinflusst. Art. 113 AEUV sieht eine Harmonisierung der Umsatzsteuer vor, soweit dies für die Einrichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes notwendig ist. Dies geschieht durch Bestimmungen des Rates auf Vorschlag der Kommission. Zu diesem Zweck können nach Art. 288 AEUV Verordnungen und Richtlinien erlassen werden. Beratungshinweis: Verfassungsrechtliche Grundlagen Die mit der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der EU einhergehende Übertragung von Hoheitsrechten findet ihre Grundlage in Art. 23 GG. Dies ist die Rechtsgrundlage für die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland bei der Fortentwicklung der EU. Die Vorschrift regelt insb. auch das Verfahren der Mitwirkung durch den BT und BR. Die BReg hat den BT und BR umfassend zu informieren (Art. 23 Abs. 2 GG), ihnen zu Rechtsetzungsakten der EU Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und die Stellungnahme bei den Verhandlungen zu berücksichtigen (Art. 23 Abs. 3 GG). 2. Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union EU-Verordnungen nach Art. 288 Abs. 2 AEUV haben Rechtsnormqualität. Sie wirken unmittelbar in jedem Mitgliedstaat und sind in allen Teilen verbindlich. Sie wirken auch ggü. den Bürgern. EU-RL sind dagegen nach Art. 288 Abs. 3 AEUV für die Mitgliedstaaten nur hinsichtlich des damit verfolgten Ziels verbindlich. Sie lassen den einzelnen Mitgliedstaaten die Wahl der Form und der Mittel, um das vorgegebene Ziel zu erreichen. Nach dem EU-Vertrag wirken RL grds. erst nach ihrer Umsetzung durch die einzelnen Mitgliedstaaten als innerstaatliches Recht. RL können für den einzelnen Bürger daher keine Verpflichtung begründen. Steuerbegründende RL müssen stets in nationales Recht transferiert werden. In Art. 288 Abs. 3 AEUV heißt es wörtlich: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ 3. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien Die Frage der unmittelbaren Wirkung von RL stellt sich nicht, wenn die RL richtig und vollständig in nationales Recht umgesetzt worden ist. In diesem Fall besteht kein Widerspruch zwischen RL und nationalem Gesetz. Sie gewinnt erst dann an Bedeutung, wenn ein Mitgliedstaat die RL nicht, nicht richtig oder nicht vollständig umsetzt. Art. 288 AEUV sieht eine unmittelbare Wirkung der RL an sich nicht vor. Der EuGH hat gleichwohl entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen den RL auch ohne Transformation in das nationale Recht unmittelbare Wirkung zukommt. Dieser Auffassung haben sich das BVerfG und der BFH später angeschlossen. Die unmittelbare Anwendung einer EU-RL setzt voraus, dass eine Umsetzung in nationales Recht nicht erfolgt ist und die Umsetzungsfrist abgelaufen ist. Beratungshinweis: Umsetzungsfrist Vor Ablauf der Umsetzungsfrist kommt eine unmittelbare Anwendung der RL nicht in Betracht, weil der Mitgliedstaat zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegen seine Verpflichtung zur Umsetzung der RL verstoßen hat. 4. Begünstigung durch die Richtlinie a) Berufungsberechtigung Nur der Stpfl. kann sich auf eine Bestimmung der RL „berufenâ, nicht jedoch die nationale Verwaltungsbehörde. Hat der Gesetzgeber die Bestimmungen des Unionsrechts nicht oder nicht fristgerecht in das nationale USt-Recht umgesetzt, kann sich ein Unternehmer ggü. einer für ihn nachteiligen Bestimmung des nationalen USt-Rechts auf eine für ihn günstigere Bestimmung des Unionsrechts berufen. Eine unmittelbare Anwendung von Bestimmungen der RL kommt deshalb nur für solche Vorschriften in Betracht, die den Stpfl. im Vergleich zu der nationalen Vorschrift begünstigen. Das entgegenstehende nationale Recht ist dann nicht anwendbar. Das BVerfG hat diese Rechtsfortbildung durch den EuGH akzeptiert. Steuerbegründende Vorschriften der RL oder im Vergleich zum nationalen Recht belastende Bestimmungen der RL wirken dagegen erst nach ihrer Umsetzung in das nationale Recht. Der Stpfl. muss nicht ausdrücklich die unmittelbare Anwendung der Bestimmung der RL für sich reklamieren. Auch ohne eine explizite Berufung des Stpfl. muss ein FG zugunsten des Stpfl. Unionsrecht anwenden. b) Voraussetzungen (1) Inhaltliche Unbedingtheit Die RL muss inhaltlich unbedingt sein. Dies ist der Fall, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an keine Bedingung geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit es auch keiner weiteren Maßnahme der EU-Organe oder der Mitgliedstaaten bedarf. Diese Voraussetzungen liegen z.B. dann nicht vor, wenn dem Mitgliedstaat ein Ermessen an der inhaltlichen Umsetzung der RL eingeräumt ist. (2) Inhaltliche Bestimmtheit Die Bestimmung der RL ist hinreichend bestimmt, wenn sie e indeutige Vorgaben zum sachlichen Regelungsbereich und zu den begünstigten Personen enthält. Sie muss ohne weitere Konkretisierung durch einen Mitgliedstaat anwendbar sein. c) Rechtsfolgen Hat der Gesetzgeber die Bestimmungen des Unionsrechts nicht oder nicht fristgerecht in das nationale USt-Recht umgesetzt, kann sich ein Unternehmer ggü. einer für ihn nachteiligen Bestimmung des nationalen USt-Rechts auf eine für ihn günstigere Bestimmung des Unionsrechts berufen. Eine unmittelbare Anwendung von Bestimmungen der RL kommt deshalb für solche Vorschriften in Betracht, die den Stpfl. im Vergleich zu der nationalen Vorschrift begünstigen. Das entgegenstehende nationale Recht ist dann nicht anwendbar. Eine unmittelbare Berufung auf das Unionsrecht setzt voraus, dass die unionsrechtliche Regelung inhaltlich hinreichend bestimmt und unbedingt ist. Stimmt das nationale Recht nicht mit dem Unionsrecht überein, kommt dem Unionsrecht ggü. dem nationalen Recht der Anwendungsvorrang zu. Dies bedeutet, dass die nationalen Gerichte die Befugnis und Verpflichtung haben, zugunsten des Stpfl., die mit Unionsrecht nicht in Einklang stehende nationale Rechtsnorm nicht anzuwenden und unmittelbar auf die RL zu rekurrieren. Diese Verpflichtung obliegt nicht nur dem BFH, sondern auch den FG. Eine vorherige Anrufung des EuGH ist nur dann nicht erforderlich, wenn nach Auffassung des nationalen Gerichts kein Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts besteht und die richtige Anwendung des Unionsrechts offenkundig ist. Die nationalen Gerichte haben alles Erforderliche zu tun, um dem Unionsrecht ggü. dem nationalen Recht zur „vollen Wirksamkeit“ zu verhelfen. Beratungshinweis: Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH Rechtsgrundlage ist Art. 267 MwStSystRL: Bei Zweifeln seitens des BFH an der Vereinbarkeit mit Unionsrecht ist zwingend der EuGH anzurufen ; soweit die FG entsprechende Zweifel haben können sie beim EuGH um Vorabentscheidung nachsuchen (Ermessen). Eine Verpflichtung besteht gem. Art. 267 Abs. 2 MwStSystRL nicht, weil die Entscheidungen der FG ggf. noch mit einem Rechtsmittel angefochten werden können. II. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfrage Aktuell hatte sich der BFH mit der Berufung eines Stpfl. auf das günstigere Unionsrecht zu befassen. Es handelt sich um die Nachfolgeentscheidung zum Urt. des EuGH in der Rechtssache „Golfclub Schloss Igling“. Der BFH hatte hierzu im Jahr 2018 den EuGH um Vorabentscheidung angerufen und die folgenden Vorlagefragen formuliert: 1. Kommt Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL, nach dem „bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben“, unmittelbare Wirkung zu, so dass sich Einrichtungen ohne Gewinnstreben bei fehlender Umsetzung unmittelbar auf diese Bestimmung berufen können? 2. Bei Bejahung der ersten Frage: Handelt es sich bei der „ Einrichtung ohne Gewinnstreben“ i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL um - einen autonom unionsrechtlich auszulegenden Begriff oder - sind die Mitgliedstaaten befugt, das Vorliegen einer derartigen Einrichtung von Bedingungen wie § 52 i.V.m. § 55 AO (oder den §§ 51 ff. AO in ihrer Gesamtheit) abhängig zu machen? 3. Falls es sich um einen autonom unionsrechtlich auszulegenden Begriff handelt: Muss eine Einrichtung ohne Gewinnstreben i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL über Regelungen für den Fall ihrer Auflösung verfügen, nach denen sie ihr dann vorhandenes Vermögen auf eine andere Einrichtung ohne Gewinnstreben zur Förderung von Sport und Körperertüchtigung zu übertragen hat? III. BFH-Urt. v. 21.4.2022 - V R 48/20, BFH/NV 2022, 792 1. Sachverhalt Der Kläger ist ein eingetragener Verein mit dem Zweck der Pflege und Förderung des Golfsports. Der Satzungszweck wurde durch den Betrieb eines Golfplatzes und der dazugehörigen Anlagen in eigener Regie auf den Grundstücken, Gebäuden und Anlagen verwirklicht. Nach der Vereinssatzung durften die Mittel des Vereins nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhielten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins. Nach der im Streitjahr 2011 geltenden Satzung sollte das Vermögen des Vereins bei dessen Auflösung oder Aufhebung an eine von der Mitgliederversammlung bestimmte Person oder Institution fallen. Erst 2016 wurde die Satzung in diesem Punkt geändert: Danach sollte bei Auflösung des Vereins dessen Vermögen an eine gemeinnützige Organisation fallen. Im Streitjahr vereinnahmte der Kläger Mitgliedsbeiträge. Das Finanzamt sah diese nicht als Vergütung für nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare Leistungen an. Außerdem erbrachte der Kläger weitere Leistungen gegen gesondertes Entgelt, nämlich die Berechtigung zur Nutzung des Golfplatzes, die leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining, die Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Kläger Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte, die mietweise Überlassung von Caddys und den Verkauf von Golfschlägern. Diese Leistungen sah das Finanzamt als steuerbar und steuerpflichtig an, wobei es eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG mangels Gemeinnützigkeit des Klägers verneinte. Hiergegen richtete sich die Klage. Das FG gab der Klage statt. Der Kläger sei eine Einrichtung ohne Gewinnstreben, die sich nach der Rspr. des BFH für die Steuerfreiheit der streitigen Umsätze auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der MwStSystRL berufen könne. Im Rev.-Verfahren hat der BFH Fragen zur Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL dem EuGH vorgelegt (s.o. unter II.1.-3.). Der EuGH entschied über das Vorabentscheidungsersuchen des BFH mit Urt. v. 10.12.2020. Danach kann sich der Kläger nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahr 2011 Kläger Der Kläger ist ein eingetragener Verein mit dem Zweck der Pflege und Förderung des Golfsports. Er vereinnahmte Mitgliedsbeiträge und erbrachte weitere Leistungen gegen gesondertes Entgelt (Berechtigung zur Nutzung des Golfplatzes, leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining, die Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Kläger Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte, die mietweise Überlassung von Caddys und Verkauf von Golfschlägern). Finanzamt Mitgliedsbeiträge sind nicht steuerbar, aber die weiteren Leistungen des Klägers sind steuerbar und mangels Steuerbefreiung auch umsatzsteuerpflichtig. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG sind mangels Gemeinnützigkeit des Klägers nicht erfüllt. Einspruch Einspruch bleibt erfolglos. FG München/BFH FG: Stattgabe der Klage: Kläger ist eine Einrichtung ohne Gewinnstreben, die sich für die Steuerfreiheit der streitigen Umsätze auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der MwSt-SystRL berufen kann. Im Rev.-Verfahren ruft der BFH den EuGH an. Dieser entscheidet durch Urt. v. 10.12.2020, dass keine unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL möglich ist. 2. Entscheidung und Begründung des BFH In seiner Nachfolgeentscheidung zum Urt. des EuGH v. 10.12.2020 hob der BFH die Vorentscheidung des FG München auf und wies die Klage ab. Dafür waren folgende Erwägungen von Bedeutung: Für die von ihm erbrachten Leistungen kann sich der Kläger nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen. Danach befreien die Mitgliedstaaten bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen von der USt, wenn diese von Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbracht werden. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL entfaltet im Streitfall keine unmittelbare Wirkung, sodass sich auch eine Einrichtung ohne Gewinnstreben vor den nationalen Gerichten nicht unmittelbar auf diese Bestimmung berufen kann. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL lässt den EU-Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung der steuerfreien Dienstleistungen. Da § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG die unionsrechtliche Regelung zumindest dem Grunde nach umsetzt, kommt im Hinblick auf den eingeräumten Ermessensspielraum eine unmittelbare Berufung auf das Unionsrecht nicht in Betracht. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG liegen im Streitfall nicht vor. Danach sind kulturelle und sportliche Veranstaltungen steuerfrei, die von den in § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG genannten Unternehmen (u.a. Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken dienen) durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht. Der Kläger ist keine gemeinnützige Einrichtung („ Einrichtung ohne Gewinnstreben“), denn ein Gewinnstreben ist auch dann zu bejahen, wenn die Einrichtung (also der Verein) im Fall ihrer Auflösung von ihr erzielte Gewinne, die die eingezahlten Kapitalanteile und Sacheinlagen der Mitglieder übersteigen, nicht an diese verteilen darf. Die im Streitjahr 2011 gültige Satzung schließt dies jedoch nicht aus. IV. Anmerkungen 1. Umsatzsteuerliche Behandlung von Vereinen a) Auffassung der Finanzverwaltung Die deutsche FinVerw äußert sich in Abschn. 2.10. Abs. 1 UStAE zur Unternehmereigenschaft von Vereinen. Die Verwaltung geht davon aus, dass Mitgliederbeiträge ausnahmslos außerhalb des Anwendungsbereichs der USt vereinnahmt werden. Sie sieht hier keinen Leistungsaustausch, mithin fehlt den Vereinen in Wahrnehmung der Aufgaben ihres satzungsgemäßen Gemeinschaftszwecks die Unternehmereigenschaft. In Abschn. 2.10. Abs. 1 UStAE wird zum Beleg auf eine umfangreiche Rspr. des BFH aus den 1960er-Jahren verwiesen. b) Auffassung der Rechtsprechung Der EuGH vertritt in dieser Hinsicht seit einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 2002 in der RS Kennemer Golf & Country Club eine davon abweichende Auffassung. Danach sind die Mitgliederbeiträge regelmäßig Entgelte für der Besteuerung unterliegende Leistungen. Das gilt nach Auffassung des EuGH jedenfalls dann, wenn dem Mitglied aus seinem Mitgliederbeitrag Gegenleistung en zustehen. Das wird bei Sportvereinen i.d.R. der Fall sein, denn das Vereinsmitglied leistet die Beiträge und hat im Gegenzug die Möglichkeit, die Sportanlagen für individuelle Sportzwecke zu nutzen. Beratungshinweis: Rechtsprechung versus FinVerw Der BFH hat sich bereits vor mehr als 15 Jahren der Rspr. des EuGH angeschlossen. Er hat diese Rspr. in der Folge mehrmals bestätigt. Insoweit ist es völlig unverständlich, dass sich die Verwaltung bisher nicht zu einer Anwendung durchringen konnte, auch wenn sich dies ggfs. nachteilig auf die Vereine auswirken könnte. Aber eine derartige Vorgehensweis trägt nicht zur Rechtssicherheit bei. c) Keine unmittelbare Berufung auf Unionsrecht Der klagende Golfsportverein hatte argumentiert, dass er sich für die Steuerbefreiung der von ihm erbrachten Leistungen unmittelbar auf die unionsrechtliche Befreiungsregelung in Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen könne. Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL „Die Mitgliedstaaten befreien (…) m) bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben; …“ EuGH und BFH haben dies mit zutreffenden Erwägungen verneint. Ein „Berufungsrecht“ auf das Unionsrecht haben beide Gerichte verneint. Hintergrund ist, dass - wie oben ausgeführt - ein unmittelbares Berufen auf das Unionsrecht nur in Betracht kommt, wenn die Vorgabe in der MwStSystRL unbedingt und hinreichend genau (bestimmt) ist. Dies ist jedoch bei Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL nicht der Fall. Vielmehr lässt die Vorschrift den Mitgliedstaaten einen Ermessenspielraum bei der Bestimmung der steuerfreien Dienstleistungen („bestimmte … Dienstleistungen“). So betrachtet musste der BFH prüfen, ob sich die USt-Befreiung ggf. aus der nationalen Regelung in § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG ergibt. Beratungshinweis: Änderung der Rechtsprechung Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass er damit seine Rspr. ändert. Bisher war er davon ausgegangen, dass sich Einrichtungen ohne Gewinnstreben (i.d.R. gemeinnützige Vereine) unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen können. An dieser Rspr. konnte er seit einer Entscheidung des EuGH in der Rechtssache British Film Institute nicht mehr festhalten, denn der EuGH hatte herausgestellt, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL nicht unmittelbar berufbar ist. Insofern war die Rspr. des BFH überholt und musste geändert werden. d) Voraussetzungen der Befreiungsregelung in § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG Der BFH hat die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung m.E. zutreffend für den Kläger verneint. § 4 Nr. 22 UStG „Steuerfrei sind 22. a) die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden, b) andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in Buchstabe a genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.“ Es hat eine Gesamtbetrachtung der Buchst. a und b zu erfolgen. Die fraglichen Einrichtungen ergeben sich aus Buchst. a, die weiteren Voraussetzungen aus Buchst. b. Entscheidend waren hier „lediglich die Teilnehmergebühren“, d.h. die Frage, ob die Mitgliedsbeiträge von der USt befreit sind. Das ist nur dann der Fall, wenn es sich bei der fraglichen Einrichtung um eine solche handelt, die gemeinnützigen Zwecken dient. Den Begriff der gemeinnützigen Zwecke legt der BFH m.E. völlig zutreffend dahin aus, dass die fragliche Einrichtung „ohne Gewinnstreben“ handeln muss. Er beruft sich hierzu auf die Vorentscheidung des EuGH Schloss Igling . Die Begriffe „ gemeinnützig“ und „ Handeln ohne Gewinnstreben“ werden synonym behandelt. Beratungshinweis: Einrichtung ohne Gewinnstreben Als „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ kann danach nur eine solche Einrichtung eingestuft werden, „deren Vermögen fortwährend der Verwirklichung des von ihr verfolgten Zwecks dient und nach ihrer Auflösung nicht auf ihre Mitglieder übertragen werden kann, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder und den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigt.“ Das bedeutet nach Meinung des EuGH und BFH auch, dass im Fall der Auflösung der Einrichtung/des Vereins die erzielten Gewinne etc. nicht an die Mitglieder verteilt werden dürfen. Im Rezensionsfall V R 48/20 war dies in der Satzung des Golfclubs jedenfalls im Streitjahr 2011 nicht ausgeschlossen. 2. Konsequenzen für die Anwendungspraxis Erbringen Sportvereine an ihre Mitglieder Leistungen, die im Grundsatz steuerbar sind, kann sich eine USt-Befreiung ausschließlich aus § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG ergeben. Eine Berufung auf das Unionsrecht ist nicht möglich. Es muss sich danach um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben („gemeinnützig“) handeln und die fraglichen Entgelte dürfen nur in „Teilnehmergebühren“ (Mitgliedsbeiträgen) bestehen. Liegen diese Voraussetzungen vor, sind die Leistungen nach der Rspr. des BFH von der USt befreit. Auffassung der FinVerw: Keine Unternehmereigenschaft Nach Meinung der FinVerw in Abschn. 2.10. UStAE ist allerdings schon die Unternehmereigenschaft und damit der Leistungsaustausch und die Steuerbarkeit zu verneinen , sodass sich die Frage der USt-Befreiung gar nicht stellt. Soweit der Sportverein individuelle Einzelleistungen (z.B. Verkauf von Sportartikeln etc.) erbringt, sind diese Leistungen nicht nur steuerbar, sondern auch ust-pflichtig. V. Fazit Es bleibt abzuwarten, wie sich die deutsche FinVerw zu diesen Entscheidungen von BFH und EuGH positioniert. Auch der Gesetzgeber ist gefragt. Zu fordern ist eine zeitnahe Überarbeitung der Regelung des § 4 Nr. 22 UStG, die dann (hoffentlich) dem Unionsrecht entspricht. Hinzuweisen ist darauf, dass die mit den steuerfreien Leistungen nach § 4 Nr. 22 UStG zusammenhängenden Vorsteuerbeträge nicht abzugsfähig sind (§ 15 Abs. 2 UStG). Auch eine Option zur Steuerpflicht ist für diesen Tatbestand des § 4 UStG nicht möglich. Für den Fall, dass die Voraussetzungen der USt-Befreiung nicht vorliegen, weil es sich etwa um eine Einrichtung mit Gewinnstreben oder um steuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistungen handelt, kann es für den Verein ggfs. sogar günstiger sein, wenn die Steuerbefreiung nicht greift. Dann besteht immerhin die Möglichkeit, für (größere) Investitionen den Vorsteuerabzug zu beanspruchen. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU C 115 v. 9.5.2008 Hervorhebungen im Fettdruck durch den Verfasser Grundlegend EuGH, Urt. v. 27. 6.1993 - C-50/88, UR 1989, 373 zu der vom Wortlaut her identischen vorhergehenden Regelung in Art. 249 EGV; s. dazu auch Lippross, Umsatzsteuer, 25. Aufl. 2022, Seite 46 f. BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 BFH-Beschl. v. 29.08.1991 - V B 113/91, BStBl II 1992, 267 EuGH, Urt. v. 19.1.1982 - C-8/81, UR 1982, 70 BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 16.7.2015 - C-108/14 und C-109/14, BStBl II 2017, 604 - Larentia + Minerva und Marenave Schifffahrt EuGH, Urt. v. 19.1.1982 - C-8/81, UR 1982, 70; das BVerfG hat diese Rechtsfortbildung durch den EuGH akzeptiert, BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 EuGH, Urt. v. 19.1.1982 - C-8/81, UR 1982, 70 Grundlegend BFH-Urt. v. 18.5.1993 - V R 5/91, BFH/ NV 1994, 586 BFH-Urt. v. 23.11.2000 - V R 49/00, BStBl II 2001, 266 BFH-Urt. v. 11.10.2012 - V R 9/10, BStBl II 2014, 279 Für den Fall der Nichtvorlage handelt es sich um einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters, Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, BVerfG, Beschl, v. 4.9.2008 - 2 BvR 1321/07, UR 2008, 884 EuGH, Urt. v. 10.12.2020 - C-488/18, BFH/NV 2021, 430 - Golfclub Schloss Igling BFH-Beschl. v. 21.6.2018 - V R 20/17, BStBl II 2018, 558 FG München, Urt. v. 29.3.2017 - 3 K 855/15, EFG 2017, 1030 EuGH, Urt. v. 10.12.2020 - C 488/18, BFH/NV 2021, 430 - Golfclub Schloss Igling EuGH, Urt. v. 21.3.2002 - C-174/00, UR 2002, 320 - Kennemer Golf & Country Club BFH-Urt. v. 9.5.2007 - V R 27/04, BFH/NV 2007, 2213; BFH-Urt. v. 20.3.2014 - V R 4/13, BFH/NV 2014, 1470; Grune/Radeisen, Umsatzsteuer 2022, Seite 154, 155 Hervorhebungen im Fettdruck durch den Verfasser Siehe oben unter I.4.b) BFH-Urt. v. 3.4.2008 - V R 74/07, BFH/NV 2008, 1631; BFH-Urt. v. 2.3.2011 - XI R 21/09, BFH/NV 2011, 1456, Rz 27; BFH-Urt. v.16.10.2013 - XI R 34/11, BFH/NV 2014, 460, Rz 35; BFH-Urt. v. 20.3.2014 - V R 4/13, BFH/NV 2014, 1470, Rz 14 und 15 EuGH, Urt. v. 15.2.2017 - C-592/15, UR 2017, 268 Hervorhebungen im Fettdruck durch den Verfasser EuGH, Urt. v. 10.12.2020 - C 488/18, BFH/NV 2021, 430 - Golfclub Schloss Igling BFH-Urt. v. 21.4.2022 - V R 48/20, BFH/NV 2022, 792, Rz 25, 26 Später - im Jahr 2016 - hatte der Verein diese Satzungsklausel in der Weise geändert, dass im Fall der Auflösung des Vereins der Gewinn etc. einer gemeinnützigen Organisation zufließen soll. Siehe oben unter IV. 1. a) So auch Vanheiden, UStDD 11/2022, 2
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Dr. Norbert Bolz, Richter am FG a.D., Hannover
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Jahrgang: 2016 . Seite: 81
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Fehler bei der Auslegung oder (Nicht-)Anwendung einer Rechtsnorm schließen die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit und damit die Anwendung des § 129 AO aus. § 129 AO ermöglicht auch dann nicht die Berichtigung "vermeintlicher" mechanischer Fehler des Steuerpflichtigen, welche tatsächlich auf der unzutreffenden Anwendung einer Rechtsnorm beruhen, wenn sie aus der Sicht der den Fe ...
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Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
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Jahrgang: 2016 . Seite: 91
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Die Finanzbehörde darf sich erst dann unmittelbar an andere Personen als den Beteiligten (sog. Dritte) wenden, wenn sie es i.R.e. vorweggenommenen Beweiswürdigung aufgrund konkret nachweisbarer Tatsachen als zwingend ansieht, dass der Versuch der Sachverhaltsaufklärung durch den Beteiligten ...
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