AktStR
Vorschriften
Rechtsprechung
Über das AktStR
Heft-Nr.
2 / 2015 (2)
Rubrik
AktStR-Themen (2)
Rechtsgebiet
UStG (2)
1
2
3
Höhe des angemessenen Zinssatzes
Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Jahrgang: 2022 . Seite: 1
1. Für die Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinssätze ist vor Anwendung der sog. Kostenaufschlagsmethode zu prüfen, ob die Vergleichswerte mithilfe der Preisvergleichsmethode ermittelt werden können. Das gilt auch für unbesichert gewährte Konzerndarlehen und unabhängig davon, ob die Darlehen von der Muttergesellschaft oder ...
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Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG durch Formwechsel
Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
Jahrgang: 2022 . Seite: 15
1. Unter einem Anteil" i.S.d. § 6 Abs. 5 S. 5 und 6 EStG ist die (unmittelbare oder mittelbare) vermögensmäßige Beteiligung eines Körperschaftsteuersubjekts an einem zuvor nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen WG und damit an den darin gespeicherten stillen Reserven zu verstehen. 2. Die Formulierung aus einem anderen Grund" i.S.d. § 6 Abs. 5 ...
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Nachweis einer kürzeren Gebäudenutzungsdauer
AktStR: Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg, 2022 S. 31: Nachweis einer kürzeren Gebäudenutzungsdauer Nachweis einer kürzeren Gebäudenutzungsdauer Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg Jahrgang: 2022 . Seite: 31 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. 1. Der Stpfl. kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes (§ 7 Abs. 4 S. 2 EStG) jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint; erforderlich ist insoweit, dass aufgrund der Darlegungen des Steuerpflichtigen der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann, mit hinreichender Sicherheit geschätzt werden kann. 2. Die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer. BFH-Urt. v. 28.7.2021 - IX R 25/19, Juris I. Vorbemerkungen 1. Gebäudebegriff Bevor die Frage nach der Dauer der Abschreibung beantwortet werden kann, muss geprüft werden, ob es sich bei dem zu beurteilenden WG um ein Gebäude im ertragsteuerlichen Sinne handelt oder ggf. Scheinbestandteile oder selbstständige Gebäudeteile, z.B. im Sinne von Betriebsvorrichtungen oder Außenanlagen, vorliegen. Nach § 95 BGB sind Scheinbestandteile und Zubehör i.S.d. § 97 BGB keine Grundstücke und damit auch ertragsteuerlich keine Gebäude(bestandteile), sodass sie einer eigenen Abschreibung nach § 7 Abs. 1 EStG zugänglich und als bewegliche WG anzusehen sind. Typische und praxisrelevante Scheinbestandteile sind Einbauküchen und Aufdach-Photovoltaikanlagen , typisches Zubehör ist z.B. das Inventar von Ferienwohnungen. Maßgeblich für den Gebäudebegriff sind die Abgrenzungsmerkmale des Bewertungsrechts. Ein Gebäude ist demnach ein Bauwerk auf eigenem oder fremdem Grund und Boden, das Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und standfest ist. Danach sind kleine Bauwerke (z.B. Transformatorenhäuschen, Gräben, Kanäle von Elektrizitätsunternehmen), die sich weder zur Aufnahme von Menschen für einen längeren Aufenthalt noch von Vieh eignen, nicht als Gebäude, sondern insgesamt als Betriebsvorrichtungen anzusehen. Gleiches gilt für Türme von Windkraftanlagen. Es handelt sich nicht um Gebäude, sondern um Betriebsvorrichtungen, weil sie nur einen vorübergehenden Aufenthalt von Menschen zulassen. Ob es sich bei zivilrechtlichen Gebäudebestandteilen ertragsteuerlich um selbständige Gebäudebestandteile i.S.e. Betriebsvorrichtung bzw. Außenanlagen oder um unselbstständige Gebäudebestandteile handelt, richtet sich nach dem Nutzungs- und Funktionszusammenhang, der sich nach dem o.g. Gebäudebegriff (Aufenthalt von Menschen) ausrichtet. Das klassische Beispiel ist die Differenzierung zwischen einem Personen- und einem Lastenaufzug. Beide Aufzugstypen stellen zivilrechtlich einen Gebäudebestandteil dar. Da der Personenaufzug dem Aufenthalt von Menschen dient, ist dieser ertragsteuerlich Bestandteil des Gebäudes, während der Lastenaufzug eine Betriebsvorrichtung und damit ertragsteuerlich ein selbstständiges WG darstellt. Beratungshinweis: Ertrag- vs. Umsatzsteuer Abweichend vom ertragsteuerlichen Grundstücksbegriff ist für die USt der zivilrechtliche Grundstücksbegriff maßgeblich. Dies hat insb. für den Berichtigungszeitraum nach § 15 a UStG entscheidende Bedeutung. So beträgt der Berichtigungszeitraum für eine Aufdach-Photovoltaikanlage fünf Jahre , da sie als Scheinbestandteil i.S.d. § 95 BGB zivilrechtlich kein Grundstück darstellt. Der Berichtigungszeitraum für eine Betriebsvorrichtung, die zivilrechtlich Bestandteil des Gebäudes ist - wie z.B. der o.g. Lastenaufzug - beträgt hingegen zehn Jahre. Somit kann es sich ertragsteuerlich um ein bewegliches WG und umsatzsteuerlich um ein Grundstück handeln. 2. Typisierte Gebäudeabschreibung Abweichend von § 7 Abs. 1 EStG erfolgt die Abschreibung von Gebäuden vorbehaltlich etwaiger Sonderabschreibungsmöglichkeiten nach §§ 7b, 7h bzw. 7f EStG grds. mit typisierten Prozentsätzen nach Maßgabe des § 7 Abs. 4 EStG. Die Gebäudeabschreibung beträgt danach grds. 2 % p.a. für Gebäude, die nach dem 31.12.1924 und 2,5 % p.a. für Gebäude, die vor dem 1.1.1925 fertiggestellt worden sind. Gebäude, die zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen, können mit 3 % p.a. abgeschrieben werden, wenn der Bauantrag nach dem 31.3.1985 gestellt worden ist. Die Abschreibung ist jahresbezogen und ggf. monatlich anteilig zu gewähren. Eine degressive Gebäude-Abschreibung nach § 7 Abs. 5 EStG ist letztmalig bei vor dem 1.1.2006 gestellten Bauanträgen bzw. Kaufverträgen möglich. Beratungshinweis: Einführung einer 3 %-igen Gebäudeabschreibung - Auslaufen der Sonderabschreibung nach § 7 b EStG? Nach dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung soll die Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von 2 % auf 3 % p.a. steigen. Eine Fortführung bzw. Verlängerung der Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau ten nach § 7 b EStG ist offensichtlich nicht vorgesehen. Diese wäre letztmalig möglich, wenn der Bauantrag bzw. die Bauanzeige bis zum 31.12.2021 gestellt wurde. Für Mietwohnungen, die nach den baurechtlichen Vorschriften ohne Bauantrag bzw. Bauanzeige errichtet werden können, ist auf den Zeitpunkt des Beginns der Bauausführung abzustellen. Zu beachten ist, dass die Sonderabschreibung nach § 7 b EStG letztmalig im VZ 2026 gewährt wird, sodass der volle Förderzeitraum von 4 Jahren nur ausgeschöpft werden kann, wenn die Fertigstellung bzw. Anschaffung spätestens im VZ 2023 (Förderzeitraum 2023-2026) erfolgt. 3. Abschreibung nach der tatsächlichen Nutzungsdauer Gem. § 7 Abs. 4 S. 2 EStG können anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden. Nutzungsdauer i.d.S. ist gem. § 11 c Abs. 1 EStDV der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können, bestimmt. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das WG technisch abnutzt. Ist die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer, kann sich der Stpfl. hierauf berufen. Ob eine die gesetzlich vorgesehenen, typisierten Zeiträume unterschreitende Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden kann, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Für einen niedrigeren Abschreibungszeitraum bedarf es einer konkreten Rechtfertigung aufgrund der objektiven Gegebenheiten. I.R.d. Schätzung treffen den Stpfl. besondere Mitwirkungspflichten. Der Stpfl. hat die Gründe für eine Anwendung des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG darzulegen, die im Streitfall vom FG als Tatsacheninstanz zu würdigen sind. Beratungshinweis: Kürzere Nutzungsdauer nach amtlichen AfA-Tabellen Eine kürzere Nutzungsdauer für Gebäude kann sich bereits aus den amtlichen AfA-Tabellen ergeben. So legt z.B. die AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter (AfA-Tabelle AV) für Hallen in Leichtbauweise eine Nutzungsdauer von 14 Jahren zugrunde. Auch wenn die AfA-Tabellen die Gerichte nicht binden, haben sie die Vermutung der Richtigkeit zunächst für sich und sind i.Ü. für die FinVerw bindend (Selbstbindung der FinVerw). Die amtlichen AfA-Tabellen des BMF sind auch i.R.d. § 7 Abs. 4 S. 2 EStG anwendbar, wenn das im Privatvermögen gehaltene WG i.R.e. Betriebes genutzt wird. 4. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfrage Der BFH hatte über folgende Frage zu entscheiden: Ist das Berechnungsmodell der Anlage 4 (Modell zur Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer für Wohngebäude unter Berücksichtigung von Modernisierungen) der Sachwertrichtlinie vom 5.9.2012 ein geeigneter Nachweis zur Bestimmung einer kürzeren Nutzungsdauer für Gebäude i.S.v. § 7 Abs. 4 S. 2 EStG? II. BFH-Urt. v. 28.7.2021 - IX R 25/19, Juris 1. Sachverhalt Die Klägerin - eine vermögensverwaltende PersG - erwarb mit Kaufvertrag vom 21.11.2002 sowie Übergang von Nutzen und Lasten am 1.1.2003 ein 899 qm großes Grundstück sowie einen Weg mit einer Fläche von 76 qm für Anschaffungskosten i.H.v. insg. rd. 1,113 Mio. EUR. Das Grundstück war mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut, das aus drei Einzelgebäuden mit unterschiedlichen Baujahren (Gebäude A: 1963, Gebäude B: 1992 sowie Gebäude C: 1905) bestand, und wurde in den Streitjahren 2009 bis 2013 sowie 2015 und 2016 vermietet. Unter Berücksichtigung von Anschaffungskosten i.H.v. insg. 768.064 EUR für die Gebäude wurden davon 53,31 % dem Gebäudeteil A (= 409.455 EUR), 27,24 % dem Gebäudeteil B (= 209.221 EUR) sowie 19,45 % dem Gebäudeteil C (= 149.388 EUR) zugerechnet. Aufgrund eines i.R.d. Einspruchsverfahrens vorgelegten Gutachtens begehrte die Klägerin für den Gebäudeteil A und C eine AfA nach einer kürzeren Nutzungsdauer nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG i.H.v. insg. 35.763 EUR jährlich. Die vom Stpfl. begehrte AfA lehnte das Finanzamt ab und berücksichtigte folgende Abschreibungsbeträge nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG: 2 % v. 409.455 EUR = 8.189 EUR (Gebäudeteil A) 2 % v. 209.221 EUR = 4.184 EUR (Gebäudeteil B) 2,5 % v. 149.388 EUR = 3.735 EUR (Gebäudeteil C) Einschließlich einer AfA für Außenanlagen i.H.v. 5 % v. 66.375 EUR (= 3.319 EUR) ergab sich eine vom Finanzamt anerkannte jährliche AfA i.H.v. 19.427 EUR. I.R.d. finanzgerichtlichen Verfahrens holte das FG Düsseldorf Sachverständigengutachten für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken ein. Unter Berücksichtigung der Anlage 4 der Sachwertrichtlinie vom 5.9.2012 wurde für das Gebäude A eine verkürzte tatsächliche Nutzungsdauer von 34 Jahren und für das Gebäude C von 32 Jahren ermittelt. Daraus ergab sich eine jährliche Gesamt-AfA i.H.v.: 34/100 v. 409.455 EUR = 12.042 EUR (Gebäudeteil A) 2 % v. 209.221 EUR = 4.184 EUR (Gebäudeteil B) - unverändert 32/100 v. 149.388 EUR = 4.664 EUR (Gebäudeteil C) Einschließlich einer unveränderten AfA für die Außenanlagen i.H.v. 5 % v. 66.375 EUR (= 3.319 EUR) ergab sich eine jährliche AfA von 24.209 EUR. Ein Bausubstanzgutachten lag nicht vor. I.R.d. mündlichen Verhandlung wurde der Klageantrag auf die Berücksichtigung einer AfA in der o.g. Höhe eingeschränkt. Das FG Düsseldorf hat der Klage stattgegeben. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahre 2009 - 2013, 2015 Klägerin Vermögensverwaltende Personengesellschaft 2002 Erwerb eines mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks (Kaufvertrag v. 21.11.2002, Übergang Nutzen und Lasten 1.1.2003), drei Gebäudeteile (Baujahre 1905, 1963 sowie 1992) 2009 - 2013, 2015, 2016 Aufteilung der Anschaffungskosten auf die drei Gebäudeteile (Bj. 1905: 409.455 EUR, Bj. 1963: 149.388 EUR, Bj. 1992: 209.221 EUR) sowie Außenanlagen (66.375 EUR), zunächst Ansatz einer jährlichen AfA i.H.v. 2 % (Bj. 1963 und 1992), 2,5 % (Bj. 1905) sowie 5 % für die Außenanlage, dann Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer auf der Grundlage eines Gutachtens für Gebäudeteile mit Bj. 1905 sowie 1963, Gesamt-AfA i.H.v. 35.763 EUR i.R.d. Einspruchsverfahrens, später Einschränkung des Klageantrags auf Gesamt-AfA i.H.v. 24.209 EUR Finanzamt Finanzamt lehnt Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer ab und berücksichtigt AfA nach typisierten Prozentsätzen (2 % für Bj. 1963 und 1992 sowie 2,5 % für Bj. 1905), jährliche Gesamt-AfA 19.427 EUR FG Düsseldorf Berücksichtigung einer kürzeren Nutzungsdauer für Gebäudeteile mit Bj. 1905 (32 Jahre) sowie Bj. 1963 (34 Jahre) auf der Grundlage eines Gutachtens unter Bezugnahme auf Anlage 4 der SW-RL, Gesamt-AfA 24.209 EUR 2. Entscheidung und Begründung Der BFH wies die Rev. des Finanzamts aus den nachfolgenden Gründen als unbegründet zurück: I.R.d. dem Stpfl. obliegenden Feststellungslast hat dieser die Möglichkeit, im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer darzulegen und ggf. nachzuweisen. Dabei kann sich der Stpfl. jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall geeignet erscheint. Es handelt sich um eine Schätzung, der nicht Gewissheit über die kürzere Nutzungsdauer, sondern allenfalls größtmögliche Wahrscheinlichkeit abverlangt werden kann und die nur zu verwerfen ist, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmen s liegt. I.R.d. vom Finanzamt durchzuführenden Amtsermittlung (§ 88 Abs. 1 S. 2 AO) ist unter Berücksichtigung auch der günstigen Umstände von der Schätzung des Stpfl. auszugehen, wenn dieser Erwägungen zugrunde liegen, die ein vernünftig wirtschaftender Stpfl. üblicherweise anstellt. III. Anmerkungen 1. Ausgangspunkt Mit der Rezensionsentscheidung hat der BFH die Hürden für den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG deutlich gesenkt. Es ist nunmehr Sache der steuerlichen Beratung, entsprechenden Nutzen aus der Entscheidung zu ziehen und in geeigneten Fällen eine AfA nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG zu beantragen. Der BFH stellt insb. klar, dass keine bestimmte Darlegungsmethode, wie z.B. ein vom beklagten Finanzamt gefordertes Bausubstanzgutachten, verlangt werden kann. Dem Stpfl. wird für die i.R. seiner Feststellungslast anzustellende Schätzung ein weiter Schätzungsrahmen eingeräumt. Unter Berücksichtigung der Urteilsgrundsätze wird es m.E. für die FinVerw künftig schwierig sein, eine vernünftig dargelegte und begründete kürzere Nutzungsdauer zu verwerfen. Während das beklagte Finanzamt den späteren Verkauf des Grundstücks zu einem hohen Veräußerungspreis als Indiz gegen eine kürzere Nutzungsdauer gesehen hat, hat der BFH diesem Umstand ebenso wie die Vorinstanz keine Bedeutung beigemessen. Beratungshinweis: Keine zwingende Vorlage eines Sachverständigengutachtens Auch wenn die Schätzung der kürzeren Nutzungsdauer im Urteilsfall auf der Grundlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erfolgte, lässt sich der Rezensionsentscheidung nicht entnehmen, dass ein entsprechendes Gutachten überhaupt vorgelegt werden müsste. Im Urteilsfall basierte die angenommene Nutzungsdauer auf der typisierten Restnutzungsdauer der Sachwert-Richtlinie, auf die sich der Stpfl. aus meiner Sicht auch unmittelbar berufen kann. Für typische Wohn- und Geschäftshäuser stellt die Anlage 4 der SW-RL unter Berücksichtigung der konkreten Modernisierungsmaßnahmen m.E. eine geeignete Methode zur Schätzung einer technischen Nutzungsdauer dar. Es ist davon auszugehen, dass sich ausgehend von der Rezensionsentscheidung eine entsprechende weitere Entwicklung ergeben wird, wenn die Chancen der Entscheidung in der Praxis genutzt werden. 2. Anwendung der Sachwert-Richtlinie (SW-RL) Die SW-RL wurde von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, der für das Gutachterausschusswesen zuständigen Ministerien der Länder sowie der Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände entwickelt und enthält Hinweise für die Ermittlung des Sachwerts nach der Immobilienwertermittlungsverordnung. Dabei spielt die Restnutzungsdauer einer Immobilie zur Ermittlung der sog. Alterswertminderung eine entscheidende Rolle. Die verbleibende Nutzungsdauer wird nach der Anlage 4 der SW-RL typisiert und modellhaft dargestellt. Auf der SW-RL basiert auch die Sachwertermittlung i.R.d. Arbeitshilfe der FinVerw zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück ( Kaufpreisaufteilung). Zur Anwendung der Anlage 4 der SW-RL ist zunächst eine Gesamtnutzungsdauer nach Anlage 3 der SW-RL zu bestimmen. Diese beträgt z.B. bei Mehrfamilienhäusern und Wohn- und Geschäftshäusern 70 Jahre (+/- 10 Jahre). Nach der Anlage 4 ist zunächst ein Modernisierungsgrad anhand von Modernisierungselementen zu ermitteln - wie dies auch zur Anwendung der o.g. Arbeitshilfe zur Kaufpreisaufteilung vorgesehen ist. Auszug - Anlage 4 der SW-RL: 1 Punktetabelle zur Ermittlung des Modernisierungsgrades Modernisierungselemente max. Punkte Dacherneuerung inklusive Verbesserung der Wärmedämmung 4 Modernisierung der Fenster und Außentüren 2 Modernisierung der Leitungssysteme (Strom, Gas, Wasser, Abwasser) 2 Modernisierung der Heizungsanlage 2 Wärmedämmung der Außenwände 4 Modernisierung von Bädern 2 Modernisierung des Innenausbaus, z.B. Decken, Fußböden, Treppen 2 Wesentliche Verbesserung der Grundrissgestaltung 2 Modernisierungsgrad ⤠1 Punkt = nicht modernisiert 4 Punkte = kleine Modernisierungen im Rahmen der Instandhaltung 8 Punkte = mittlerer Modernisierungsgrad 13 Punkte = überwiegend modernisiert â 18 Punkte = umfassend modernisiert Unter Berücksichtigung des Gebäudealters und des Modernisierungsgrads kann eine modifizierte Restnutzungsdauer ermittelt werden. So ergibt sich z.B. bei der Annahme einer Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren (max. Nutzungsdauer für Wohn- und Geschäftshäuser) und einem mittleren Modernisierungsgrad bereits ab einem Gebäudealter von 35 Jahren eine Nutzungsdauer von 49 Jahren und damit eine kürzere Nutzungsdauer als die nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG typisierte Nutzungsdauer von 50 Jahren. Auszug - Anlage 4 der SW-RL: 2 Tabellen zur Ermittlung der modifizierten Restnutzungsdauer 2.1 Modifizierte Restnutzungsdauer bei einer üblichen Gesamt- nutzungsdauer von 80 Jahren Gebäudealter Modernisierungsgrad ⤠1 Punkt 4 Punkte 8 Punkte 13 Punkte â 18 Punkte modifizierte Restnutzungsdauer 0 80 80 80 80 80 5 75 75 75 75 75 10 70 70 70 70 71 15 65 65 65 66 69 20 60 60 61 63 68 25 55 55 56 60 66 30 50 50 53 58 64 35 45 45 49 56 63 40 40 41 46 53 62 45 35 37 43 52 61 50 30 33 41 50 60 55 25 30 38 48 59 60 21 27 37 47 58 65 17 25 35 46 57 70 15 23 34 45 57 75 13 22 33 44 56 â 80 12 21 32 44 56 Beratungshinweis: Anträge nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG in geeigneten Fällen Aus meiner Sicht erscheint es beim Erwerb von Gebäuden mit älteren Baujahren mit Blick auf die Rezensionsentscheidung sinnvoll, sich ohne Erstellung eines Gutachtens mit der SW-RL auseinanderzusetzen und in geeigneten Fällen eine entsprechend höhere AfA vorzunehmen. Der zusätzliche Beratungsaufwand dürfte sich in Grenzen halten, da die benötigten Informationen (insb. Modernisierungsmaßnahmen) i.d.R. ohnehin i.R.d. Kaufpreisaufteilung benötigt werden. Ob und inwieweit eine finanzgerichtliche Klage geführt werden sollte, muss im Einzelfall entschieden werden. Insb. im Erstjahr (oft nur zeitanteilige AfA) wird der Streitwert häufig gering sein, sodass das Klagekostenrisiko begrenzt sein dürfte. Die steuerlichen Auswirkungen über längere Sicht könnten jedoch das Risiko rechtfertigen. Die weitere Entwicklung - insb. die Reaktion der FinVerw - bleibt mit Spannung abzuwarten. Beispiel Mit Übergang von Nutzen und Lasten zum 1.6.2022 wird eine Eigentumswohnung Bj. 1972 für Vermietungszwecke erworben. Aus den Unterlagen des Verwalters der Wohnungseigentümergemeinschaft ergibt sich, dass das Gebäude im Jahr 2018 eine Dacherneuerung einschl. Wärmedämmung, neue Fenster sowie eine neue Heizungsanlage erhalten hat. Unter Annahme einer Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren und einem mittleren Modernisierungsgrad gem. der Punktetabelle zur Anlage 4 SW-RL (jeweils 2 Punkte für die Erneuerung der Fenster sowie der Heizungsanlage und 4 Punkte für die Dacherneuerung, insg. 8 Punkte) ergibt sich bei einem Gebäudealter von 50 Jahren eine Restnutzungsdauer i.H.v. 41 Jahren. Die AfA gem. § 7 Abs. 4 S. 2 EStG würde damit abweichend von der typisierten AfA nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG 1/41 = 2,44% p.a. - davon 7/12 für das Jahr 2022 - betragen. 3. Übergang von typisierten AfA-Sätzen zur AfA nach kürzerer tatsächlicher Nutzungsdauer Auch wenn die Nutzungsdauer eines WG grds. Im Zeitpunkt der Anschaffung bestimmt werden muss, ist nach der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg auch ein nachträglicher Übergang von der typisierten AfA nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG zur erhöhten AfA nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG möglich, wenn die dafür maßgeblichen Umstände erst nachträglich bekannt werden. Maßgeblich für die tatsächliche Nutzungsdauer ist nicht der Zeitpunkt der Anschaffung, sondern die Prognose der verbleibenden Restnutzungsdauer aus Sicht des VZ, in dem der Übergang erfolgen soll. Die verbleibende tatsächliche Restnutzungsdauer ist mit der gesetzlichen Nutzungsdauer abzgl. der bereits verstrichenen Nutzungsdauer zu vergleichen. Beispiel Das Gebäude wurde im VZ 2015 erworben und bis einschl. VZ 2021 nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG mit 2 % p.a. abgeschrieben. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Nutzungsdauer von 50 Jahren abzgl. der bereits verstrichenen Nutzungsdauer von 7 Jahren müsste die tatsächliche Restnutzungsdauer weniger als 43 Jahre betragen, um eine AfA nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG geltend machen zu können. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung wurde abgewiesen. BFH-Urt. v. 3.8.2016 - IX R 14/15, BStBl II 2017, 437; BMF-Schr. v. 16.5.2017 - IV C 1 - S 2211/07/10005:001, BStBl I 2017, 775 Vgl. u.a. OFD Nordrhein-Westfalen, Vfg. v. 13.1.2016 - S 2130 - 2011/0003 - St 146, EStG-Kartei NW § 15 (2) EStG Nr 800, a.A. zu dachintegrierten Anlagen FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.3.2007 - 5 K 1639/05, EFG 2007, 1068, s. aber OFD Nds., Vfg. v. 17.9.2010 - S 2240 - 160 - St 221/St 222, S 2190 -160 - StO 221/StO 222, BB 2010, 177 Vgl. R 7 Abs. 5 EStR BFH-Urt. v. 24.1.1952 - III 110/50 S, BStBl III 1952, 84 Gleichlautender Ländererlass der obersten Finanzbehörden der Länder v. 5.6.2013 - S 3130, BStBl I 2013, 734 Vgl. BFH-Urt. v. 26.11.1973 - GrS 5/71, BStBl II 1974, 132 Vgl. BFH-Urt. v. 14.7.2010 - XI R 9/09, BStBl II 2010, 1086 zur Fütterungs- und Lüftungsanlage eines Schweinestalls § 15 a Abs. 1 S. 1 UStG § 15 a Abs. 1 S. 2 UStG Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Betriebsvorrichtungen vgl. auch das Vorabentscheidungsersuchen des BFH an den EuGH mit Beschl. v. 25.5.2021 - V R 22/20, BFH/NV 2021, 1316 (Az des EuGH: C-516/21). § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG § 7 Abs. 1 S. 4 EStG entsprechend Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP, Bauen und Wohnen, Seite 88 ff. Vgl. hierzu BMF-Schr. v. 7.7.2020 - IV C 3 - S 2197/19/10009:008, BStBl I 2020, 623 sowie zu einer Analyse Kaminski, AktStR 2020, 509 ff. § 7 b Abs. 2 Nr. 1 EStG BMF-Schr. v. 21.9.2021 - IV C 3 - S 2197/19/10009:009, BStBl I 2021, 1805 § 52 Nr. 15 a EStG Vgl. u.a. BFH-Urt. v. 4.3.2008 - IX R 16/07, BFH/NV 2008, 1310, m.w.N. BFH-Urt. v. 11.8.1993 - X R 82/90, BFH/NV 1994, 169 Kritisch zu den amtlichen AfA-Tabellen i.Z.m. Gebäuden Urban, NWB 2021, 3256 BMF-Schr. v. 15.12.2000 - IV D 2 - S 1551 - 188/00, BStBl I 2000, 1532 BFH-Urt. v. 28.10.2008 - IX R 16/08, BFH/NV 2009, 899 sowie BFH-Urt. v. 9.12.1999 - III R 74/97, BStBl II 2001, 311 Richtlinie zur Ermittlung des Sachwerts (SW-RL) v. 5.9.2012, BAnz AT 18.10.2012 B 1 § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b EStG Richtlinie zur Ermittlung des Sachwerts (SW-RL) v. 5.9.2012, BAnz AT 18.10.2012 B 1 § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG FG Düsseldorf, Urt. v. 12.7.2019 - 3 K 3307/16 F, EFG 2019, 1673 mit Anm. Rode Richtlinie zur Ermittlung des Sachwerts (SW-RL) v. 5.9.2012, BAnz AT 18.10.2012 B 1 Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) v. 19.5.2010, BGBl I 2010, 639 Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück - Stand Mai 2021 - v. 10.5.2021, www.bundesfinanzministerium.de, Suchbegriff Kaufpreisaufteilung FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.1.2014 - 1 K 1100/10, EFG 2014, 746, rkr. BFH-Beschl. v. 11.8.2014 - IX B 27/14, BFH/NV 2014, 1772
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