AktStR
Vorschriften
Rechtsprechung
Über das AktStR
Heft-Nr.
4 / 1999 (1)
Rubrik
AktStR-Themen (1)
Rechtsgebiet
GewStG (1)
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Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175 b Abs. 1 AO
Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2024 . Seite: 529
Die Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175 b Abs. 1 AO ist auch zulässig, wenn die unzutreffende Berücksichtigung der von einem Dritten übermittelten Daten auf einen Fehler der Finanzbehörde zurückzuführen ist. BFH-Urt. v. 20.2.2024 - IX R 20/23, BFH/NV 2024, 951 I. Vorbemerkungen 1. Elektronische Datenübermittlung und ...
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Aktuelles zur Schätzung auch i.R.v. Außenprüfungen
Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf
Jahrgang: 2023 . Seite: 501
Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und - wenn ja - unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF zulässig ist. BFH-Beschl. v. 14.12.2022 - X R 19/21, DStR 2023, 517 I. Vorbemer ...
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Haftung von GmbH-Geschäftsführern und Steuerberatern
Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
Jahrgang: 2023 . Seite: 335
Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeit en nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der ...
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Ablaufhemmung bei Steuerhinterziehung durch den Erblasser und den Erben
Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2023 . Seite: 155
1. Die von einem Erben durch eine unterlassene Berichtigung gem. § 153 Abs. 1 AO begangene Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) führt nicht zu einer weiteren Verlängerung der Festsetzungsfrist, wenn diese sich schon aufgrund einer Steuerhinterziehung des Erblassers nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf zehn Jahre ...
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Offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO - bei fehlender Erkennbarkeit des zutreffenden Werts
AktStR: Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen, 2022 S. 671: Offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO - bei fehlender Erkennbarkeit des zutreffenden Werts Offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO - bei fehlender Erkennbarkeit des zutreffenden Werts Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen Jahrgang: 2022 . Seite: 671 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. 1. Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind, schließt eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 S. 1 AO nicht aus. 2. Zumindest in denjenigen Fällen, in denen die offenbare Unrichtigkeit auf der versehentlichen Nichtangabe eines Werts in der Steuererklärung beruht, ist § 129 S. 1 AO bereits dann anwendbar, wenn für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist, dass die Nichtangabe fehlerhaft ist (Anschluss an das BFH-Urt. v. 22.5.2019 - XI R 9/18, BFHE 264, 393, BStBl II 2020, 37). Entsprechendes muss gelten, wenn (nur) die Angabe einer Endsumme mit 0 Euro erfolgt und dies erkennbar unrichtig ist. BFH-Urt. v. 8.12.2021 - I R 47/18, BFH/NV 2022, 936 I. Vorbemerkungen 1. Bescheidänderung nach formeller Bestandskraft a) Grundsätze Nachdem die Einspruchsfrist verstrichen ist und der Steuer- oder Feststellungsbescheid damit formell bestandskräftig wird, bedeutet dies nicht unbedingt, dass eine Änderung des Bescheids nicht mehr möglich ist. Denn die verfahrensrechtlichen Änderungsvorschriften (§§ 129, 164, 172 ff. AO) berechtigen nicht nur die FinVerw, Bescheide zu Lasten des Stpfl. zu ändern, sondern geben auch dem Stpfl. das Recht, die Änderung des Bescheides zu seinen Gunsten zu beantragen. Allerdings ist ein solcher Änderungsantrag nur Erfolg versprechend, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Eine besondere und grds. vom Gesetzgeber gut gemeinte Änderungsvorschrift stellt die „offenbare Unrichtigkeit“ nach § 129 AO dar. § 129 AO - Offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass eines Verwaltungsakts „Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.“ b) Offenbare Unrichtigkeiten § 129 AO ermöglicht die Berichtigung von Schreibfehlern, Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten. Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO setzt grds. voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Da die Unrichtigkeit aber nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Stpfl. als eigene übernimmt. Unrichtigkeiten auf der Seite des Stpfl. sind offenbar, wenn sie sich ohne Weiteres aus der Steuererklärung des Stpfl., deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben. Offenbare Unrichtigkeiten i.S.d. § 129 AO sind mechanische Versehen wie bspw. Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insb. nach der Aktenlage beurteilt werden. § 129 AO greift immer ein, wenn es sich um Eingabefehler handelt, Beträge versehentlich doppelt berücksichtigt oder Vorgänge übersehen werden. § 129 AO findet auch Anwendung, wenn das Finanzamt bei der Veranlagung eine Mitteilung über eine Verlustbeteiligung übersieht und nicht berücksichtigt. Mit Urt. v. 22.5.2019 hat der BFH klargestellt, dass die von der Rspr. des BFH zu § 129 AO entwickelten Grundsätze auch bei der Einreichung elektronischer Steuererklärungen gelten. § 129 AO ist nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Vor diesem Hintergrund ist eine Berichtigung nach § 129 AO nicht möglich, wenn das Finanzamt aufgrund einer Hinweismitteilung den Fall überprüft hat, es im Rahmen dieser Überprüfung zu einer neuen Willensbildung der zuständigen Beamten gekommen ist und mithin die Möglichkeit eines Rechtsirrtums nicht auszuschließen ist. So ist die versehentliche Nichtberücksichtigung von AfA durch den Stpfl., die aus seinen Unterlagen ersichtlich ist und vom Finanzamt übernommen wird, nicht nach § 129 AO berichtigungsfähig. Dagegen ist die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO nicht von Verschuldensfragen abhängig. Wer nach Ablauf der Einspruchsfrist entdeckt, dass sich das Finanzamt offenbar zu seinen Ungunsten verrechnet, vertan oder Zahlen falsch erfasst hat, sollte einen auf § 129 AO gestützten Berichtigungsantrag stellen. Obwohl die Durchführung der Berichtigung im Ermessen des Finanzamts steht, besteht bei berechtigtem Interesse des Stpfl. Berichtigungszwang (§ 129 S. 2 AO). Dies ergibt sich aus dem Vorrang der materiellen Gerechtigkeit vor der Rechtssicherheit. 2. Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG Das steuerliche Einlagekonto (§ 27 Abs. 2 KStG) ist bei KapG i.R.d. KSt dafür gedacht, dass die von den Gesellschaftern geleisteten Einlagen in das Eigenkapital (Kapitalrücklage) von den durch die Gesellschaft selbst erwirtschafteten Gewinnen getrennt werden. Dieses steuerliche Einlagekonto ist jährlich fortzuschreiben und gesondert festzustellen. Die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos und die Einstellung sind dem Finanzamt jährlich mit der KSt-Erklärung mitzuteilen. Fehlen dazu Angaben und das Finanzamt hat den jährlichen Bestand somit nicht richtig feststellen können, gibt es bei bestandskräftigen, also grds. nicht mehr änderbaren Steuerbescheiden, Probleme. Insb. verhindert die Grundlagenfunktion des Feststellungsbescheid s nach § 27 Abs. 2 S. 2 KStG eine nachträgliche Berücksichtigung solcher versehentlich nicht erfassten Zugänge in Folgebescheiden. Die fehlerhafte Feststellung führt ggf. zu steuerlichen Nachteilen, wenn Gewinnausschüttungen anstehen oder aber eine KapG liquidiert wird. Aufgrund der materiell-rechtlichen Bindungswirkung nach § 20 Abs 1 Nr. 1 S. 3 EStG für die Besteuerung der Anteilseigner können sich nachteilige Folgen ergeben, wenn die unterbliebene Erfassung eines Zugangs im steuerlichen Einlagekonto bei bestandskräftigen Bescheiden verfahrensrechtlich nicht mehr korrigiert werden kann. Zur Verdeutlichung möglicher nachteiliger Folgen sind folgende Grundsätze zu beachten: „Ausschüttungen“ aus dem steuerlichen Einlagekonto unterliegen beim Anteilseigner nicht der Besteuerung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG) und führen zu einer Minderung der Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Übersteigt die Ausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto den Beteiligungsbuchwert, entsteht ein Veräußerungsgewinn, der nach § 17 Abs. 4 EStG der Besteuerung unterliegt. Das steuerliche Einlagekonto darf bei Leistungen an die Gesellschafter nur verwendet werden, soweit die Leistungen den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (kein „Direkt-Zugriff“). Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 1 S. 5 KStG). Übersteigt die Ausschüttung auch den Bestand des steuerlichen Einlagekontos, ist die Ausschüttung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Einkünfte aus KapV der Besteuerung zu unterwerfen. Zusammenfassend ist die Folge einer unterlassenen Erfassung im steuerlichen Einlagekonto, dass Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht möglich sind und eine spätere Auflösung und Ausschüttung der Kapitalrücklageregelmäßig zu einer kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinnausschüttung führt, weil § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nicht anwendbar ist. Die dabei bei zutreffender Erfassung der Einlage im steuerlichen Einlagekonto vermeidbare KapESt von 25 % zzgl. SolZ wird als „Steuerschaden“ angesehen. Dazu ist allerdings anzumerken, dass es sich hierbei nur um einen temporären Steuerschaden handelt, denn erfolgt die Ausschüttung nicht aus dem steuerlichen Einlagekonto, werden auch die Anschaffungskosten der Beteiligung beim Gesellschafter nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG gemindert. Außerdem führen auch nicht im steuerlichen Einlagekonto erfasste Einlagen nach § 17 Nr. 2 a S. 3 Nr. 1 EStG zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung. Diese erhöhten und durch fehlende Ausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht geminderten Anschaffungskosten der Beteiligung können aber spätestens bei einer Veräußerung der Anteile oder bei der Auflösung der Gesellschaft berücksichtigt werden. Doch diese Entlastung kann im Einzelfall viele Jahre auf sich warten lassen oder evtl. bei einem Stpfl. überhaupt nicht eintreten, wenn er z.B. seinen Anteil unentgeltlich auf die nächste Generation überträgt. In der Praxis werden oftmals Einlagen der Gesellschafter in die GmbH bilanziell erfolgsneutral durch eine Buchung in der Kapitalrücklage erfasst und in der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG versehentlich nicht als Zugang erfasst. Die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG weisen in diesen Fällen zumeist auch keinen Zugang zum steuerlichen Einlagekonto aus und werden bestandskräftig, ohne dass der Fehler bemerkt wird. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob eine Korrektur des Feststellungsbescheids verfahrensrechtlich möglich ist. In diesem Zusammenhang wird auch eine Berichtigung nach § 129 AO „ Offenbare Unrichtigkeit“ vorgeschlagen, da das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare Unrichtigkeit als eigene im Bescheid übernommen habe. Bisher fehlte zu dieser Frage eine höchstrichterliche Entscheidung und die Rspr. der FG ist sehr uneinheitlich. Einige FG haben trotz bestandskräftiger Feststellungsbescheide gem. § 27 Abs. 2 KStG eine Korrektur nach § 129 AO zugelassen , während weit überwiegend die Korrektur nach § 129 AO abgelehnt wurde. Im Schrifttum wurde auch die Drittanfechtung eines fehlerhaften Feststellungsbescheids des steuerlichen Einlagekontos durch den Gesellschafter vorgeschlagen. Nach der finanzgerichtlichen Rspr. besteht aber für den Gesellschafter im Feststellungsverfahren gegenüber der KapG kein Drittanfechtungsrecht. Der BFH hat zumindest in einem Beschl. v. 10.12.2019 grds. ein solches Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter einer KapG bejaht, hält es aber für nicht ernstlich zweifelshaft, dass die Gesellschafter den sich aus § 166 AO (Drittwirkung der Steuerfestsetzung) ergebenden Beschränkungen unterworfen sind. In dieser unübersichtlichen Lage kommt es für den Stpfl. leider immer wieder dazu, dass das steuerliche Einlagekonto unrichtig festgestellt wird und die FinVerw sich auf den Standpunkt stellt, dass eine Änderung rechtlich unmöglich sei. Auch Anträge auf Billigkeitsfestsetzungen werden regelmäßig abgelehnt, so dass dem Stpfl. nur zu raten ist, darauf zu achten, dass diese Feststellungsbescheide zumindest nach § 164 AO unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt werden. Insoweit sollte bei fehlender Vorbehaltsfeststellung diese durch ein Rechtsbehelfsverfahren durchgesetzt werden. 3. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfrage In einer aktuellen Entscheidung hatte der BFH nunmehr über folgende Frage zu befinden: Schließt allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind, eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 S. 1 AO aus? II. BFH-Urt. v. 8.12.2021 - I R 47/18, BFH/NV 2022, 936 1. Sachverhalt Die Klägerin ist eine im Jahr 2010 gegründete GmbH. An ihrem Stammkapital i.H.v. 25.000 EUR waren im Streitjahr (2012) zunächst die Gründungsgesellschafter A und B mit einem Geschäftsanteil von jeweils 12.500 EUR beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 31.8.2012 schlossen A und B mit der Klägerin einen Einbringungsvertrag, in dem sie sich verpflichteten, zur Stärkung des Kapitals der Klägerin voll werthaltige Darlehensforderungen ggü. der C-GbR i.H.v. 245.000 EUR, 100.000 EUR und 250.000 EUR sowie Geldbeträge i.H.v. 95.000 CHF, 150.000 EUR, 500.000 EUR und 1.200.000 CHF unentgeltlich einzubringen. Die Einlagen sollten als Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB ausgewiesen werden. Am 19.10.2012 übertrugen sowohl A als auch B Geschäftsanteile an der Klägerin im Nennwert von jeweils 6.250 EUR unentgeltlich auf ihre Kinder D und F. Die KSt-Erklärung für 2012 und die Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2012 wurden dem Finanzamt am 15.5.2014 elektronisch übermittelt; zugleich übersandte die Klägerin dem Finanzamt ihren Jahresabschluss zum 31.12.2012 in Papierform. Der Jahresabschluss weist eine Kapitalrücklage i.S.d. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB i.H.v. 2.315.017,50 EUR aus und erläutert diese Bilanzposition wie folgt: „Mit Einbringungsvertrag vom 31.8.2012 haben die Gesellschafter ... [A] und ... [B] ihre Darlehensforderungen an die ... [C-GbR] i.H.v. 245.000 EUR und 100.000 EUR sowie 250.000 EUR per 15.9.2012 in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB eingebracht. Darüber hinaus wurde die Einbringung von Geldbeträgen von 95.000 CHF ... [A] und 1.200.000 CHF ... [B] beschlossen. Die Geldbeträge wurden per 25.9.2012 auf ein Girokonto der ... [X-Bank] eingezahlt." Im Umlaufvermögen sind Darlehensforderungen ggü. der C-GbR i.H.v. 595.000 EUR (Vorjahr 0 EUR) und Guthaben bei der X-Bank i.H.v. 1.072.420 EUR (Vorjahr 0 EUR) sowie bei der Y-Bank i.H.v. 500.000 EUR und 150.084,67 EUR (Vorjahr jeweils 0 EUR) ausgewiesen. In der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2012 war für den Schluss des vorangegangenen und für den Schluss des laufenden Wirtschaftsjahrs ein Bestand des steuerlichen Einlagekontos von jeweils 0 EUR angegeben. Entsprechend dieser Erklärung stellte das Finanzamt mit Bescheid vom 3.6.2014 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 S. 3 KStG zum 31.12.2012 ein steuerliches Einlagekonto i.H.v. 0 EUR fest. Am 3.6.2015 beantragte die Klägerin, diesen Feststellungsbescheid nach § 129 AO zu ändern und den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2012 mit 2.315.017,50 EUR festzustellen. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 6.8.2015 ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG München wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahr 2012 Kläger Im Jahr 2010 gegründete GmbH, an der zunächst die Eheleute A und B zu je 50 % beteiligt waren 2012 Einbringung von voll werthaltigen Darlehensforderungen durch A und B gegen Buchung in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB. Jahresabschluss enthält eine Kapitalrücklage von 2.315.017,50 EUR mit der Erläuterung, dass der Betrag aus der Einbringung der Darlehensforderungen resultiert. Am 19.12.2012 wurden Anteile von je 25 % durch A und B unentgeltlich auf die Kinder D und F übertragen. 2014 Abgabe der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2012 mit einem Bestand von Null EUR. Finanzamt Finanzamt setzt mit Bescheid vom 3.6.2014 entsprechend der Erklärung den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2012 mit Null EUR fest. 2015 Am 3.6.2015 beantragt die Klägerin, den Feststellungsbescheid nach § 129 AO zu ändern und den Bestand mit 2.315.017,50 EUR festzustellen. Finanzamt/FG München Das Finanzamt lehnt den Antrag am 6.8.2015 ab, der eingelegte Einspruch bleibt erfolglos und das FG weist die dagegen gerichtete Klage ab. 2. Entscheidung und Begründung Der BFH hielt die Rev. mit folgenden Argumenten für begründet und verwies das Verfahren an das FG zurück. § 129 S. 1 AO stellt auf eine offenbare „Unrichtigkeit“ bei Erlass eines Verwaltungsakts ab. Auch wenn hierfür ein mechanisches Versehen erforderlich ist, das einem Schreib- oder Rechenfehler ähnelt, bedeutet dies nicht, dass auch der zutreffende Wert ohne weitere Prüfungen erkennbar sein muss. Zumindest in denjenigen Fällen, in denen die offenbare Unrichtigkeit auf der versehentlichen Nichtangabe eines Werts in der Steuererklärung beruht, ist § 129 S. 1 AO bereits dann anwendbar, wenn für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist, dass die Nichtangabe fehlerhaft ist. Entsprechendes muss gelten, wenn (nur) die Angabe einer Endsumme mit 0 EUR erfolgt und dies erkennbar unrichtig ist. Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos der Klägerin nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage i.S.d. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlung en zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind, schließt eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 S. 1 AO nicht aus. III. Anmerkungen Der BFH hat sich einmal mehr gegen die Meinung der FinVerw sowie auch gegen ein Urt. eines FG gestellt. Daraus kann geschlossen werden, dass nicht in allen Fällen „klein beigebenâ werden sollte. Es kann sich lohnen, den Rechtsweg i.R.d. Finanzgerichtsbarkeit bis zum Ende zu gehen. Mit dem jetzt veröffentlichten Urt. können, unter Beachtung der Verjährungsregeln, noch fehlerhafte Bescheide zum steuerlichen Einlagekonto geändert werden. Die Begründung des Finanzamts und des FG München, dass die richtige Höhe der erbrachten Einzahlungen in die Kapitalrücklage aus der Bilanz nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen sei und deshalb eine Änderung des erklärten Einlagekontos nach § 129 AO (Offenbare Unrichtigkeit) nicht möglich sei, wurde vom BFH nicht geteilt. Damit eröffnet der BFH grds. eine Berichtigungsmöglichkeit, wenn für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist, dass die Nichtangabe fehlerhaft ist. Dies muss nach Ansicht des BFH auch gelten, wenn (nur) die Angabe einer Endsumme mit 0 EUR erfolgt und dies erkennbar unrichtig ist. Dieser Fall kommt in der Praxis sehr häufig vor. Die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos mit Null EUR basiert zwar zumeist auf einer unrichtig bzw. nicht ausgefüllten Erklärung zur Festsetzung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG durch den Stpfl.; aber das zuständige Finanzamt hätte auch i.R.d. Amtsermittlungsgrundsatzes die Richtigkeit dieser „Null“ überprüfen können/müssen. In diesen Fällen wäre jedem kundigen Sachbearbeiter aufgefallen, dass Zuschreibungen in der Kapitalrücklage nicht bei der Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos berücksichtigt wurden. Insoweit spricht eine Feststellung mit „Null“ EUR unbedingt dafür, dass eben keine rechtliche Würdigung durch das Finanzamt vorgenommen, sondern lediglich die Eintragung des Stpfl. ohne Prüfung übernommen wurde. Insoweit hat sich das Finanzamt den Fehler des Stpfl. durch Übernahme zu eigen gemacht und die Voraussetzungen einer Berichtigung nach § 129 AO sind gegeben. Beratungshinweis: Rev.-Verfahren zum Einlagekonto i.H.v. 0 EUR nach einer Einbringung gem. § 20 UmwStG anhängig Beim BFH ist unter dem Az I R 44/21 - ebenfalls als eine Rev. gegen eine Entscheidung des FG München - ein weiteres Verfahren anhängig, das sich mit einer Berichtigung nach § 129 S. 1 AO beschäftigt. Dieses hat die Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine KapG gem. § 20 UmwStG zum Gegenstand. In diesem Fall wurde ebenfalls das Einlagekonto mit einem Wert von 0 EUR festgestellt. Bei der Veräußerung i.S.v. § 17 EStG handelt es sich um einen Einmaltatbestand. Der Veräußerungsgewinn ist ereignisbezogen auf den tatsächlichen Veräußerungszeitpunkt als maßgeblichen Stichtag zu ermitteln. Ebenso wie bei § 16 Abs 2 EStG ist der Zufluss des Veräußerungspreises grds. nicht entscheidend. § 11 EStG findet keine Anwendung. Der BFH hat das Urt. des FG München aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Nun muss das FG München im zweiten Rechtsgang die tatsächliche Höhe des steuerlichen Einlagekontos ermitteln. Dazu sind weitere Sachverhaltsermittlungen notwendig. Der Grundsatz der Berichtigungsmöglichkeit ist damit aber nicht mehr fraglich. Beratungshinweis: Notwendigkeit zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts unproblematisch Abweichend sowohl von der Auffassung der FinVerw als auch des FG München führt der BFH aus, dass eine noch erforderliche Aufklärung des Sachverhalts einer Berichtigung nach § 129 S. 1 AO nicht entgegen steht. Aus meiner Sicht sollte die FinVerw diese Rspr. schnellstmöglich übernehmen und damit eine oft in Betriebsprüfungen aufkommende verfahrensrechtliche Diskussion zur Erleichterung aller Beteiligten beenden. BFH-Urt. v. 16.9.2015 - IX R 37/14, BStBl II 2015, 1040, Rz 17 BFH-Urt. v. 3.5.2017 - X R 4/16, BFH/NV 2017, 1415, Rz 13, m.w.N. BFH-Urt. v. 16.9.2015 - IX R 37/14, BStBl II 2015, 1040; BFH-Urt. v. 27.5.2009 - X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946 Vorbeck, in: Koenig, Abgabenordnung, 4. Aufl. 2022, § 129 Rz 13 m.w.N. BFH-Urt. v. 29.1.2003 - I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139 BFH-Urt. v. 27.3.1987 - VI R 63/84, BFH/NV 1987, 480 BFH-Urt. v.16.7.2003 - X R 37/99, BStBl II 2003, 867 BFH-Urt. v. 22.5.2019 - XI R 9/18, BStBl II 2020, 37 Vgl. dazu BFH-Urt. v. 10.12.2019 - IX R 23/18, BFH/NV 2020, 394, Rz 19, m.w.N. FG Hessen, Urt. v. 10.9.2019 - 4 K 1318/18, EFG 2020, 243; FG Hessen, Urt. v. 10.9.2019 - 4 K 1018/19 F, EFG 2020, 245; BFH-Urt. v. 26.5.2020 - IX R 30/19, BFH/NV 202, 1233 BFH-Urt. v. 7.11.2013 - IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657; BFH-Urt. v. 16.1.2018 - VI R 38/16, BFH/NV 2018, 513; vgl. auch ausführlich dazu Vorbeck, in: Koenig, Abgabenodnung, 4. Aufl. 2022, § 129 Rz 15 BFH-Urt. v. 4.3.2015 - X B 39/14, BFH/NV 2015, 805 Vgl. BFH-Urt. v. 11.2.2015 - I R 3/14, BStBl II 2015, 816; BFH-Urt. v. 19.5.2010 - I R 51/09, BStBl II 2014, 937 Zum Ausgleich i.R.d. Liquidation der KapG, vgl. Schröder, DStR 2017, 835, vgl. auch Stimpel, in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2015, § 27 Rz 118 Zu Übernahmefehlern vgl. BFH-Urt. v. 24.7.1984 - VIII R 304/81, BStBl II 1984, 785 Vgl. FG Köln, Urt. v. 6.3.2012 - 13 K 1250/10, EFG 2014, 417; FG Köln, Urt. v. 7.4.2016 - 13 K 37/15, EFG 2016, 980; FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.10.2016 - 10 K 10320/15, EFG 2017, 231; FG Münster, Urt. v. 13.10.2017 - 13 K 2113/16, EFG 2018, 11 mit Anm. von Schmitz-Herscheidt Dötsch, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 27 Rz 33a (November 2019) mit einer Übersicht über die Rspr. der FG Vgl. dazu Brühl, DStR 2017, 1129; Brühl, FR 2015, 871; Binnewies/Gravenhorst, DStR 2020, 1542 mit Rspr.-Nachweis der FG zum Drittanfechtungsrecht Vgl. FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 19.9.2019 - 1 K 73/18, EFG 2019, 1920, Rev. unter Az des BFH: I R 53/19; FG München, Beschl. v. 28.5.2019 - 7 V 803/19, Juris BFH-Beschl. v. 10.12.2019 - I B 35/19, BStBl II 2020, 517 FG München, Urt. v. 17.9.2018 - 7 K 2805/17, EFG 2019, 10 Anschluss an das BFH-Urt. v. 22.5.2019 - XI R 9/18, BStBl II 2020, 37 Vgl. auch BFH-Urt. v. 27.8.2013 - VIII R 9/11, BStBl II 2014, 439; BMF-Schr. v. 18.5.2022 - IV A 3 - S 0062/22/10005:001, BStBl I 2022, 665, Anwendungserlass zur AO zu § 129 Nr. 4 S. 4; von Wedelstädt, in: Gosch, § 129 AO Rz 43 Anschluss an BFH-Urt. v. 22.5.2019 - XI R 9/18, BStBl II 2020, 37 FG München, Urt. v. 20.4.2021 - 6 K 1311/18, EFG 2022, 1178 BFH-Urt. v 13.10.2015 - IX R 43/14, BStBl II 2016, 212; BFH-Beschl. v. 1.4.2008 - IX B 257/07, BFH/NV 2008, 1331
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