AktStR
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Über das AktStR
Heft-Nr.
3 / 2024 (1)
Rubrik
AktStR-Themen (1)
Rechtsgebiet
AO (1)
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Unrichtiger/unberechtigter Steuerausweis bei Erwerb von vermieteten Immobilien
AktStR: Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster, 2025 S. 333: Unrichtiger/unberechtigter Steuerausweis bei Erwerb von vermieteten Immobilien Unrichtiger/unberechtigter Steuerausweis bei Erwerb von vermieteten Immobilien Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster Jahrgang: 2025 . Seite: 333 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. 1. Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14 c Abs. 1 S. 1 UStG setzt voraus, dass diese an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass ihr die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen, zu denen auch das Recht der Stellvertretung gehört, zuzurechnen ist. 2. Ein vom Voreigentümer veranlasster unrichtiger Steuerausweis i.S.d. § 14 c Abs. 1 S. 1 UStG kann dem Grundstückserwerber nicht nach § 566 Abs. 1 BGB zugerechnet werden. BFH-Urt. v. 5.12.2024 - V R 16/22, BFH/NV 2025, 497 I. Vorbemerkungen 1. Allgemeines zu § 14 c UStG § 14 c UStG regelt die rechtlichen Folgen, wenn in einer Rechnung die USt zu hoch oder unberechtigt ausgewiesen wird. Ein (unrichtiger) Steuerausweis erfolgt i.d.R. wegen eines Subsumtionsfehlers, z.B. weil der Rechnungsaussteller irrig angenommen hat, es sei der reguläre Steuersatz statt des ermäßigten Steuersatzes anzuwenden. Der Rechnungsaussteller schuldet dann den Mehrbetrag, kann diese Schuld aber korrigieren, indem er dem Rechnungsempfänger eine berichtigte Rechnung ausstellt. Daneben enthält § 14 c Abs. 2 UStG die vom Gesetzgeber zu Recht besonders missbilligten Fälle des unberechtigten Steuerausweises, in denen entweder ein Unternehmer über eine nicht ausgeführte Leistung abrechnet oder der Abrechnende gar kein Unternehmer ist. Auch hier schuldet der Rechnungsaussteller die ausgewiesene Steuer. An die Berichtigung der Rechnung werden aber hohe Anforderungen gestellt. Entscheidend ist in diesem Fall, dass die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt wird. Sowohl der unrichtige als auch der unberechtigte Steuerausweis können berichtigt werden. Allerdings unterscheiden sich die Berichtigungsmöglichkeiten im Verfahren: Der unrichtige Steuerausweis ist vergleichsweise einfach unter Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen. Demgegenüber bedarf es bei der Korrektur des unberechtigten Steuerausweises nach § 14 c Abs. 2 S. 5 UStG eines schriftlichen Antrags an die Finanzbehörde. Erst nach deren Genehmigung kann die Korrektur nach § 17 Abs. 1 UStG erfolgen. Ob die Einbindung der Finanzbehörde tatsächlich in diesen Fällen immer erfolgt, ist allerdings fraglich. Zweck des § 14 c UStG ist es, Steuerausfälle zu verhindern, die dadurch entstehen können, dass der Aussteller der Rechnung den ausgewiesenen Steuerbetrag nicht abführt, der Rechnungsempfänger aber gleichwohl die Vorsteuer geltend macht. Dieser Gefährdungssituation wird dadurch begegnet, dass der Rechnungsaussteller den ausgewiesenen Steuerbetrag in jedem Fall schuldet, andererseits aber der zu Unrecht oder unberechtigt ausgewiesene Steuerbetrag nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Beratungshinweis: Anteiliger Vorsteuerabzug Die FinVerw gestattet allerdings richtigerweise bei einem zu hohen unrichtigen Steuerausweis den Vorsteuerabzug aus der gesetzlich geschuldeten Steuer, Abschn. 15.2a Abs. 6 S. 12 UStAE. 2. Unrichtiger Steuerausweis, § 14 c Abs. 1 UStG a) Rechnung Ein Unternehmer, der in einer Rechnung für eine Leistung einen höheren Steuerbetrag ausweist, als er ihn nach dem Gesetz für den Umsatz schuldet, hat auch den Mehrbetrag an das Finanzamt abzuführen (§ 14 c Abs. 1 UStG). Die Gründe für den überhöhten Steuerausweis sind unbeachtlich. Insbesondere ist kein schuldhaftes Verhalten des Unternehmers erforderlich. Beratungshinweis: Rechnungsbegriff des § 14 c UStG Eine Rechnung mit unrichtigem Steuerausweis muss nicht alle Merkmale einer Rechnung i.S.d. § 14 Abs. 4 UStG enthalten. FinVerw und BFH vertreten die Auffassung, dass eine Rechnung nach § 14 c UStG lediglich den Rechnungsaussteller, den Leistungsempfänger, die Leistungsbeschreibung und das Entgelt enthalten muss. b) Rechnungserteilung an Nichtunternehmer Nach Auffassung des BFH war es bisher unerheblich, ob der Rechnungsempfänger Unternehmer oder Nichtunternehmer ist. Die Steuerschuld entsteht - so der BFH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2018 - auch dann, wenn die Rechnungserteilung an einen Nichtunternehmer erfolgt. Auch in diesen Fällen sieht der BFH eine Gefährdungssituation, weil auch bei einem Rechnungsempfänger, der aufgrund seiner „persönlichen Lebensumstände als „Verbraucher“ handelt, gleichwohl aber in anderer Hinsicht, z.B. als Vermieter oder Betreiber einer Photovoltaikanlage oder als eBay-Verkäufer umsatzsteuerrechtlich Unternehmer sein kann“, eine Gefährdungslage nicht ausgeschlossen werden kann. Anders hat dies der EuGH im Jahr 2022 entschieden: In der RS „P-GmbH“ kommt er zu dem Ergebnis, dass ein zu Unrecht ausgewiesener Betrag nicht geschuldet wird, wenn eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist, weil die Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wird, die mithin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Die deutsche FinVerw hat zwischenzeitlich auf die EuGH-RS C-378/21 reagiert. Im Grundsatz wendet sie die Rspr. an, allerdings mit der Einschränkung, dass der leistende Unternehmer „ glaubhaft dazulegen“ bzw. „ plausibel zu begründen“ habe, dass er Rechnungen an sog. „Endverbraucher“ ausgestellt habe. Beratungshinweis: Sog. Mischfälle In „Mischfällen“ gilt nach Meinung der Verwaltung Folgendes: Wurden Rechnungen mit unrichtigem Steuerausweis sowohl an Endverbraucher als auch an Unternehmer ausgestellt, sind die genannten Grundsätze nur in Bezug auf die Rechnungen an Nichtunternehmer anzuwenden. Schätzungen der betroffenen Umsätze oder des Anteils der an Endverbraucher ausgestellten Rechnungen können ebenso wenig berücksichtigt werden wie eine Wahrscheinlichkeitsberechnung o.Ä. Lässt sich nicht sicher beurteilen, ob die Rechnungsempfänger als Unternehmer oder Endverbraucher gehandelt haben, sind die Grundsätze der genannten EuGH-Rspr. aus der RS „P-GmbH“ nicht anzuwenden. 3. Unberechtigter Steuerausweis, § 14 c Abs. 2 UStG Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er dazu nicht berechtigt ist, schuldet nach § 14 c Abs. 2 UStG den ausgewiesenen Betrag. Betroffen von dieser Regelung sind in erster Linie folgende Fälle: Nichtunternehmer, Fälle, in denen über eine nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, es wird statt des tatsächlich gelieferten Gegenstandes über einen anderen nicht gelieferten Gegenstand abgerechnet, ein Unternehmer erteilt eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, in der er statt der tatsächlich erbrachten sonstigen Leistung eine andere sonstige Leistung aufführt, ein Unternehmer erteilt eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, obwohl er die Leistung nicht im Rahmen seines Unternehmens erbracht hat, ein Unternehmer rechnet über eine Leistung ab, die nicht er, sondern jemand anderes tatsächlich erbracht hat. 4. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfrage Der BFH hatte über folgende Rechtsfrage zu entscheiden: Muss beim Eigentümerwechsel einer Immobilie der neue Eigentümer sich die nicht von ihm selbst abgeschlossenen, unberechtigt Umsatzsteuer ausweisenden Mietverträge in der Weise gegen sich gelten lassen, dass ihm zuzurechnende Rechnungen vorliegen, die ihn als Leistenden i.S.v. § 14 c Abs. 1 UStG bezeichnen, weil er mit dem Eigentumserwerb an der Immobilie gem. § 566 BGB die Rechte und Pflichten aus den Mietverhältnissen übernommen hat? II. BFH-Urt. v. 5.12.2024 - V R 16/22, BFH/NV 2025, 497 1. Sachverhalt Die Klägerin erstand im Streitjahr 2013 i.R.e. Zwangsversteigerungsverfahrens ein mit einem mehrstöckigen Bürogebäude bebautes Grundstück. Die Gebäudeflächen waren überwiegend vermietet. Der Voreigentümer hatte u.a. Mietverträge mit einer Tagesklinik, einer Physiotherapiepraxis sowie mit einer Wohnungsbaugesellschaft abgeschlossen. In diesen Mietverträgen waren jeweils die monatlichen Nettokaltmieten, die sonstigen Kostenvorschüsse und die auf diese Beträge entfallende Umsatzsteuer mit dem Zusatz „+ 19 % Mehrwertsteuer“ benannt. In ihrer USt-Erklärung für das Streitjahr behandelte die Klägerin die Umsätze aus den Vermietungen als umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt vertrat nach einer Ap demgegenüber die Auffassung, dass die Klägerin die in den Mietverträgen offen ausgewiesene USt nach § 14 c Abs. 1 UStG schulde und setzte die USt entsprechend fest. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das FG Berlin-Brandenburg ließ aber die Rev. wegen grundsätzlicher Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 FGO), weil die Frage ungeklärt sei, welche Folgen die Übernahme von Mietverhältnissen durch neue Eigentümer durch den Erwerb von umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstücken auf den Steuerausweis hat. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahr 2013 Klägerin Erwirbt 2013 ein Grundstück i.R.e Zwangsversteigerung. Die Mietverträge, die der Voreigentümer abgeschlossen hatte, wiesen USt für die Vermietung an eine Fachklinik, für Physiotherapiepraxisräume und eine Wohnungsbaugesellschaft offen mit 19 % aus. Die Klägerin sah die Umsätze demgegenüber als steuerfrei an. Finanzamt Ap: Setzte wegen des offenen Steuerausweises im Mietvertrag die unrichtig offen ausgewiesene USt gegenüber der Klägerin als Erwerberin fest. FG Berlin-Brandenburg Weist die Klage ab und lässt die Rev. wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, § 115 Abs. 2 FGO. 2. Entscheidung und Begründung des BFH Der BFH hob das Urteil des FG Berlin-Brandenburg auf und gab der Rev. der Klägerin mit folgenden Erwägungen statt: Die Klägerin ist nicht Steuerschuldnerin nach § 14 c Abs. 1 S. 1 UStG, da sie die Steuerbeträge nicht selbst unrichtig offen ausgewiesen hat. Die als Aussteller in der Rechnung bezeichnete Person muss mitgewirkt haben. Zwar tritt nach § 57 ZVG i.V.m. § 566 Abs. 1 BGB der Ersteher anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Nach der Rspr. des BGH dient der in § 566 Abs. 1 BGB („Kauf bricht nicht Miete“) geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Mietverhältnis aber lediglich dem Schutz des Mieters. Der vom Voreigentümer im Mietvertrag vorgenommene (unrichtige) Steuerausweis kann der Klägerin deshalb nicht nach § 566 Abs. 1 BGB zugerechnet werden. Die zivilrechtliche Pflicht zur Rechnungserteilung geht zwar auf den Erwerber über, aber nicht die bereits ausgestellten Rechnungsdokumente (und somit die dem unrichtigen Steuerausweis innewohnende abstrakte Gefährdungshaftung). Auch die Einzelrechtsnachfolge aufgrund einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Nr. 1 a S. 3 UStG ändert an dem Ergebnis nichts. Ein unrichtiger Steuerausweis in den Mietverträgen gehört nicht zu den übertragenen WG, auf die sich die umsatzsteuerrechtliche Einzelrechtsnachfolge bezieht. III. Anmerkungen 1. Hintergrund der Entscheidung In den vergangenen Jahren gab es eine Vielzahl von Entscheidungen des EuGH und des BFH zum unrichtigen bzw. unberechtigten Steuerausweis nach § 14 c UStG. Überwiegend - wie auch in der Rezensionsentscheidung - fielen die Entscheidungen zugunsten der Stpfl. aus. Hintergrund des Streitfalls war eine häufig im Vermietungsbereich anzutreffende Situation: Der Voreigentümer hatte Räumlichkeiten an Unternehmer vermietet, die ihrerseits ausschließlich umsatzsteuerfreie Umsätze ausführten (§ 4 Nr. 14 UStG - Heilbehandlung, Physiotherapie). Die Vermietungen waren daher steuerfrei; eine Option kam mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 UStG nicht in Betracht, weil die Befreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nicht zur Option berechtigt. Für diese umsatzsteuerfreien Umsätze hatte der Voreigentümer gleichwohl in den Mietverträgen die USt offen ausgewiesen, so dass sich daraus ein unrichtiger Steuerausweis gem. § 14 c Abs. 1 UStG ergab. Die Entscheidung verdeutlicht, dass in der Beratungspraxis bei einem Immobilienerwerb die bislang abgeschlossenen Mietverträge auch auf die USt hin immer genau geprüft werden müssen. 2. Zurechnung des unrichtigen Steuerausweises auf den Erwerber Für den Fall, dass ein Mietvertrag durch den neuen Eigentümer (Erwerber) angepasst worden ist, macht sich dieser damit den Mietvertrag zu Eigen. Wenn er weiterhin umsatzsteuerfreie Sachverhalte als umsatzsteuerpflichtig behandelt, dürfte sich für ihn als neuen Rechnungsaussteller eine Steuerschuld unmittelbar aus § 14 c Abs. 1 UStG ergeben. Anders ist die Rechtslage aber dann, wenn der Mietvertrag des Veräußerers unverändert übernommen wird. Dann ergibt sich eine Rechtslage, wie sie der BFH in der RS V R 16/22 entschieden hat. Jedenfalls der Erwerber „haftet“. a) Zurechnung aus dem UStG Eine Steuerschuld nach § 14 c Abs. 1 S. 1 UStG setzt immer voraus, dass die Rechnung auf den Namen des leistenden Unternehmers lautet. Entscheidend ist dann, dass der leistende Unternehmer tatsächlich auch an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat. Hier verweist der BFH auf seine bisherige Rspr., an der er festhält. Im besprochenen Fall hatte der Kläger die Steuerbeträge nicht selbst - im eigenen Namen - unrichtig ausgewiesen, weshalb er nicht Steuerschuldner nach § 14 c Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 13 a Abs. 1 Nr. 1 UStG sein konnte. Beratungshinweis: Steuerausweis durch Arbeitnehmer ohne Wissen des Arbeitgebers (EuGH) Der EuGH musste in einem polnischen Fall zu der Frage Stellung nehmen, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer Steuerschuldner ist, wenn der Arbeitnehmer ohne Wissen und Zustimmung des Arbeitgebers falsche Rechnungen mit USt-Ausweis unter Verwendung der Identität seines Arbeitgebers ausgestellt hat. Der EuGH entschied, dass eine Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers ggü. seinem Arbeitnehmer insb. dann besteht, wenn dieser Arbeitnehmer dafür zuständig ist, im Namen und auf Rechnung seines Arbeitgebers MwSt-Rechnungen auszustellen. Daher könne - so der EuGH - ein Arbeitgeber nicht als gutgläubig angesehen werden, wenn er nicht die zumutbare Sorgfalt an den Tag gelegt habe, um das Handeln seines Arbeitsnehmers zu überwachen und dadurch zu verhindern, dass dieser seine MwSt-Identifikationsdaten für die Ausstellung falscher Rechnungen zu betrügerischen Zwecken verwenden könnte. Möglich ist es natürlich, dass Immobilienerwerber die im „Altmietvertrag“ unrichtig ausgewiesene USt abgeführt haben. In diesem Fall kann sich der Erwerber die USt erstatten lassen, weil sie - unter Anwendung der Grundsätze in der Rezensionsentscheidung - nie geschuldet wurde. Die Erstattung kann mittels korrigierter USt-Erklärung erfolgen. Beratungshinweis: Ungerechtfertigte Bereicherung, § 812 BGB Die Erstattung des Finanzamts dürfte zivilrechtlich für den Immobilienkäufer zu einer ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB führen. Hier dürfte also eine Verpflichtung bestehen, die erstattete USt an die betroffenen Mieter zurückzuzahlen. b) Zurechnung nach dem Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“? Fraglich war im Besprechungsfall, ob dem Erwerber der unrichtige USt-Ausweis ggfs. auf zivilrechtlicher Grundlage zuzurechnen ist. Hier könnte u.U. der mietrechtliche Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ ( § 566 Abs. 1 BGB) von Bedeutung sein. Dieser Grundsatz besagt allerdings nur, dass der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten eintritt, wenn der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert wird. Dies gilt nach § 57 ZVG - wie in der Rezensionsentscheidung - auch bei Erteilung des Zuschlags an den Meistbietenden in einem Zwangsversteigerungsverfahren. Die Rspr. des BGH geht deshalb zutreffend davon aus, dass § 566 Abs. 1 BGB als Ausnahmevorschrift, die dem Mieterschutz dient, eng auszulegen ist. Dem folgt der BFH. Beratungshinweis: § 14 c UStG dient nicht dem Mieterschutz § 566 Abs. 1 BGB ist keine Zurechnungsnorm für einen vom Voreigentümer veranlassten unrichtigen Steuerausweis. Denn § 14 c Abs. 1 S. 1 UStG dient gerade nicht dem Mieterschutz und ein unrichtiger Steuerausweis gehört nicht zu den Vermieterrechten und - pflichten, auf deren Übergang § 566 Abs. 1 BGB aber gerichtet ist. c) Keine Zurechnung wegen Geschäftsveräußerung im Ganzen, § 1 Nr. 1 a UStG Eine Zurechnung ergibt sich in diesen Fällen auch nicht aus § 1 Nr. 1 a UStG. Danach unterliegen die Umsätze i.R.e. Geschäftsveräußerung im Ganzen an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der USt. Aus der Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen und dem damit verbundenen Eintritt in die Rechtsstellung des Veräußerers folgt nicht, dass ein unrichtiger Steuerausweis aus einem vom Veräußerer über ein Grundstück abgeschlossenen Mietvertrag zulasten des Erwerbers für Zeiträume nach dem Grundstückserwerb eine Steuerschuld nach § 14 c Abs. 1 S. 1 UStG begründet. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Begünstigung (Nichtsteuerbarkeit der Einzelrechtsnachfolge) der Geschäftsveräußerung im Ganzen nur auf die übertragenden WG - also den vermieteten Grundbesitz - bezieht. Ein unrichtiger Steuerausweis in Mietverträgen gehört jedoch nicht zu den übertragenen WG, auf die sich die umsatzsteuerrechtliche Einzelrechtsnachfolge bezieht. Beratungshinweis: Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung? Offen ließ der BFH in der Rezensionsentscheidung deshalb, ob die Grundsätze der umsatzsteuerlichen Behandlung einer Geschäftsveräußerung im Ganzen bei einem Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung überhaupt in Betracht kommen. In einer früheren Entscheidung aus dem Jahr 2002 hatte der BFH das bejaht. Im Schrifttum wird diese Entscheidung jedoch z.T. kritisch gesehen. 3. Haftung des Erwerbers nach § 75 AO? Im Ergebnis ergibt sich keine Inanspruchnahme des Erwerbers aus § 14 c Abs. 1 UStG. Eine andere Frage ist, ob der die USt zu Unrecht ausweisende Unternehmer ( Verkäufer) diese Steuer auch nach dem Gebäudeverkauf schuldet. Beratungshinweis: Zwangsversteigerung Im entschiedenen Fall musste der BFH dies nicht prüfen, denn eine Haftung des Betriebsübernehmers gem. § 75 AO kommt nach § 75 Abs. 2 AO beim Erwerb im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht in Betracht. Für den Fall der Inanspruchnahme des Veräußerers dürfte sich im Anschluss die Frage des Rückgriffs/der Haftung des Erwerbers gem. § 75 Abs. 1 AO stellen. § 75 Abs. 1 AO lautet: „Wird ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet, …, vorausgesetzt, dass die Steuern seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahrs entstanden sind und bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden. Die Haftung beschränkt sich auf den Bestand des übernommenen Vermögens. …“ Der Zweck des § 75 Abs. 1 AO besteht u.a. darin, den Erwerber eines Unternehmens in Anspruch zu nehmen, weil er durch den Erwerb in die Lage versetzt wird, Vorteile zu erzielen, die es ihm ermöglichenm u.a. auch die rückständigen Steuern zu begleichen. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, in vergleichbaren Fällen ggfs. auf die Haftung des Betriebsübernehmers zurückzugreifen. 4. Vermeidung einer Haftung In der Beratungspraxis ist es besonders wichtig, unabhängig von der Frage einer Steuerschuld/Haftung durch den Grundstückserwerber nach § 14 c UStG oder § 75 Abs. 1 AO die oben geschilderten Risiken zu vermeiden. Nach der Rspr. genügt ein Miet- oder Pachtvertrag mit dem Passus „zzgl. der jeweils gesetzlichen Umsatzsteuer“ ohne eine entsprechende Regelung zur Option oder ohne einen Hinweis auf die Ausübung der Option seitens des Vermieters nicht den Anforderungen an den USt-Ausweis i.S.d. § 14 c UStG, da die „jeweils gesetzliche Umsatzsteuer“ im Regelfall 0 EUR beträgt, wenn nicht (ausdrücklich) auf die Steuerbefreiung des Umsatzes verzichtet wird. 5. Vorsteuerabzug des Mieters Im Zusammenhang mit der Veräußerung von umsatzsteuerpflichtig vermieteten Immobilien stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage nach dem Vorsteuerabzug des Mieters, wenn der Mietvertag (als Rechnung) unverändert übernommen/fortgeführt wird. Beispiel V vermietet umsatzsteuerpflichtige Räume an M für 1.000 EUR zzgl. 190 EUR USt. M zieht die 190 EUR mtl. als Vorsteuer ab. V veräußert das Objekt an E, der den Mietvertrag mit M unverändert fortführt. Lösung Es fehlt eine ordnungsgemäße Rechnung (Rechnungsaussteller nicht der neue Eigentümer E, sondern V). Fraglich ist, ob die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs trotz Fehlens einer ordnungsgemäßen Rechnung erfüllt sind. Der Erwerber sollte bei der Übernahme darauf achten, dass die Mietverträge angepasst werden. Denn ob der mit dem Veräußerer abgeschlossene Mietvertrag in Zusammenschau mit den Belegen über die laufenden - an den Erwerber gerichteten - Mietzahlungen die formellen Anforderungen an den Vorsteuerabzug erfüllt und/oder ob der Vorsteuerabzug trotz einer eventuell fehlenden ordnungsgemäßen Rechnung aufgrund der Erfüllung der materiellen Anforderungen dennoch zu gewähren ist, ist unklar. 6. Auswirkungen der Regelungen zur verpflichtenden E-Rechnung seit 1.1.2025 In seinem Anwendungsschreiben vom 15.10.2024 zur verpflichtenden elektronischen Rechnung seit 1.1.2025 hat das BMF gerade auch eine Regelung zu Dauerschuldverhältnissen (z.B. Miet- und Pachtverträge) getroffen. Dort heißt es : „Sofern eine Pflicht zur Ausstellung einer EâRechnung bei einem Dauerschuldverhältnis (z.B. Mietverhältnis) besteht, ist es ausreichend, wenn einmalig für den ersten Teilleistungszeitraum eine EâRechnung ausgestellt wird, in welcher der zugrundeliegende Vertrag als Anhang enthalten ist, oder sich aus dem sonstigen Inhalt klar ergibt, dass es sich um eine Dauerrechnung handelt. Zu den Folgezeiträumen vgl. Abschn. 14.5 Abs. 17 UStAE. Änderungen der erstmaligen EâRechnung brauchen erst zu erfolgen, wenn sich die umsatzsteuerrechtlichen Rechnungspflichtangaben nach §§ 14, 14a UStG ändern (z.B. bei einer Mieterhöhung).“ Da der Erwerber einer Immobilie deshalb in jedem Fall für den ersten Teilleistungszeitraum eine E-Rechnung erstellen muss, dürfte sich die Situation/Rechtslage rund um § 14 c UStG damit künftig etwas entschärfen. IV. Fazit Die Rezensionsentscheidung wirft ergänzend eine Reihe von Fragen auf, mit denen sich in der nächsten Zeit nicht nur Steuerrechtler, sondern auch die Immobilienwirtschaft befassen muss. Außerdem sind Fragen offengeblieben, die das Thema § 14 c UStG betreffen und die die Finanzgerichte in den kommenden Jahren sicherlich befassen werden. Rechtssicherheit könnte die FinVerw allerdings durch umfassende Verwaltungsanweisungen schaffen. Die unionsrechtliche Grundlage für die Regelung findet sich in Art. 203 MwStSystR. Danach wird „die Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist“. Neeser, in: Wäger, UStG, 3. Aufl. 2024, § 14 c Rz 1 Abschn. 14c.1. Abs. 1 S. 3 UStAE; BFH-Urt. v. 17.2.2011 - V R 39/09, BStBl II 2011, 734; BFH-Urt. v. 19.11.2014 - V R 29/14, BFH/NV 2015, 706 BFH-Urt. v. 13.12.2018 - V R 4/18, BFH/NV 2019, 369 BFH-Urt. v. 13.12.2018 - V R 4/18, BFH/NV 2019, 369, Rn 16; kritisch dazu z.B. Wäger, BFH/PR 2019, 109; Raab, MwStR 2019, 333; Weigel, UStB 2019, 132 EuGH, Urt. v. 8.12.2022 - C-378/21, BFH/NV 2023, 365 BMF-Schr. v. 27.2.2024 - III C 2 - S 7282/19/10001:002, BStBl I 2024, 361; dazu Grune, AktStR 2024, 329 ff. Abschn. 14c.1. Nr. 1 a UStAE Abschn. 14c.1. Nr. 1 a UStAE; aktuell ist zur Behandlung der „Mischfälle“ ein weiteres Verfahren beim EuGH anhängig. In diesem Verfahren „P-GmbH II“ (VwGH (österreich), Beschl. v. 14.12.2023 - Ro 2023/13/0014, Az des EuGH: C-375/23) hat die Generalanwältin Kokott in ihrer Stellungnahme v. 19.12.2024 ausgeführt, dass sie u.a. eine Schätzung zur Aufteilung der Leistungen an Unternehmer und Endverbraucher für zulässig erachtet. FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.4.2022 - 7 K 7031/19, EFG 2022, 1789 mit Anm. Falk BGH-Urt. v. 27.10.2021 - XII ZR 84/20, BGHZ 231, 338, Rn 28 BFH-Urt. v. 7.4.2011 - V R 44/09, BStBl II 2011, 954, Rn 14; BFH-Urt. v. 17.8.2023 - V R 3/21, BFH/NV 2024, 346, Rn 23 Ulbrich, NWB 2025, 915 ff. EuGH, Urt. v. 30.1.2024 - C-442/22, DStR 2024, 238 - P sp. z.o.o. Dazu Walkenhorst, UStDD Nr. 4/2024, 16 Luther/Barth, MwStR 2025, 310 Gem. § 578 Abs. 1 und 2 BGB ist die Vorschrift auch auf die Vermietung von Grundstücken und Räumen, die keine Wohnräume sind, anwendbar. BGH-Urt. v. 27.10.2021 - XII ZR 84/20, BGHZ 231, 338, Rn 28 BFH-Urt. v. 21.3.2002 - V R 62/01, BStBl II 2002, 559 Hummel, UVR 2011, 361 ff., 365 Nach der Rspr. des BFH fällt auch der Erwerb eines umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstücks unter § 75 AO, vgl. BFH-Urt. v. 12.1.2011 - XI R 11/08, BStBl II 2011, 477 Hervorhebungen des Verfassers Kratzsch, in: Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 75 Anm. 1 m.w.N. FG Münster, Urt. v. 29.9.2020 - 15 K 2680/18 U, EFG 2021, 73, rkr. BMF-Schr. v. 15.10.2024 - III C 2-S 7287-a/23/10001:007, 2024/0883282, BStBl I 2024, 1320, Tz 45 Hervorhebungen durch den Verfasser Luther/Barth, MwStR 2025, 310, 311
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EuGH-Vorlage des BFH: Unionsrechtliche Zulässigkeit des Aufteilungsgebots bei Beherbergungsleistungen
Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
Jahrgang: 2024 . Seite: 515
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Sind Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 98 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 12 der MwStSystRL dahin gehend auszulegen, dass sie einer nationale ...
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Vorsteuerabzug aus der Anschaffung einer Heizungsanlage bei steuerfreier Wohnungsvermietung
Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
Jahrgang: 2024 . Seite: 317
Schuldet der Vermieter von Wohnraum zum vertragsgemäßen Gebrauch auch die Versorgung mit Wärme und warmem Wasser, stehen Kosten des Vermieters für eine neue Heizungsanlage jedenfalls dann im direkten und unmittelbaren Zusammenhang zur steuerfreien Vermie ...
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