Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster
|
Jahrgang: 2025 . Seite: 333
|
1. Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14 c Abs. 1 S. 1 UStG setzt voraus, dass diese an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass ihr die Ausstellung anderweitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen, zu dene ...
|
|
AktStR: Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster, 2025 S. 347: Differenzbesteuerung im Gebrauchtwagenhandel Differenzbesteuerung im Gebrauchtwagenhandel Dr. Jörg Grune, Rechtsanwalt/Steuerberater, Hamburg und Münster Jahrgang: 2025 . Seite: 347 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. Es geht zu Lasten des Steuerpflichtigen, der die Anwendung der Differenzbesteuerung begehrt, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 a UStG unerwiesen geblieben ist und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um Unregelmäßigkeiten in Bezug auf seinen jeweiligen Geschäftspartner nachzugehen. BFH-Beschl. v. 11.12.2024 - XI R 15/21, BFH/NV 2025, 383 I. Vorbemerkungen 1. Allgemeines zur Differenzbesteuerung § 25 a UStG schafft eine Sonderregelung für die Lieferung beweglicher WG einschließlich Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten ( Gebrauchtgegenstände), bei deren Erwerb kein Recht zum Vorsteuerabzug bestanden hat. Abweichend von den allgemeinen Regelungen in § 10 UStG ist nur die Differenz zwischen Verkaufspreis und Einkaufspreis BMG für die USt. Hiermit sollen Wettbewerbsnachteile beseitigt werden, die ein Händler gegenüber einem privaten Verkäufer beim Verkauf von gebrauchten Gegenständen hat. Beispiel Der Autohändler A kauft von der Privatperson P einen Pkw zum Preis von 10.000 EUR. Er veräußert ihn an einen privaten Käufer K zum Preis von 12.000 EUR. Lösung (mit Anwendung der Differenzbesteuerung) Die BMG für die Lieferung ist die Differenz zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis. Da die USt nicht zur BMG gehört, ist sie aus dem Differenzbetrag herauszurechnen. Die Marge beträgt 2.000 EUR. Abzüglich der USt von 319,33 EUR verbleiben dem A also 1.680,67 EUR (2.000 EUR/119*100). Lösung (ohne Anwendung der Differenzbesteuerung) Da Autohändler A von einer Privatperson das Fahrzeug erworben hat, kann er aus dem Einkaufspreis von 10.000 EUR keine Vorsteuer abziehen. Er muss allerdings den Verkauf von 12.000 EUR der USt unterwerfen. Geht man davon aus, dass der Preis von 12.000 EUR der Bruttopreis ist, würde die darin enthaltene USt 1.915,97 EUR betragen. Die Differenz zwischen der Anwendung der Regelbesteuerung und der Differenzbesteuerung beträgt also 1.596,64 EUR. Der Unternehmer wird bei der Differenzbesteuerung im Ergebnis also so gestellt, als habe ihm ein Vorsteuerabzug zugestanden; nur der vom Unter- nehmer geschaffene Mehrwert wird der USt unterworfen. 2. Voraussetzungen a) Wiederverkäufer Der Unternehmer muss ein Wiederverkäufer sein, also gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handeln (§ 25 a Abs. 1 Nr. 1 S. 2 UStG). Beratungshinweis: Veräußerung von Gegenständen des Anlagevermögens Weitergehend ist die Differenzbesteuerung nach der Rspr. des BFH auch dann anwendbar, wenn ein Unternehmer Gegenstände des AV veräußert, mit denen er nicht gewerbsmäßig handelt. Erforderlich ist dann, dass der Wiederverkauf des Gegenstands beim Erwerb zumindest auch beabsichtigt war (bedingte Verkaufsabsicht) und dieser Wiederverkauf aufgrund seiner Häufigkeit zur „normalen“ Tätigkeit des Unternehmers gehört. b) Vorlieferung Die Differenzbesteuerung ist nach § 25 a Abs. 1 Nr. 2 UStG nur möglich, wenn die Gegenstände an den Wiederverkäufer im Unionsgebiet geliefert worden sind und für diese Lieferung entweder keine USt geschuldet oder die Differenzbesteuerung vorgenommen wurde. Ausgeschlossen von der Differenzbesteuerung sind Edelsteine oder Edelmetalle, § 25 a Abs. 1 Nr. 3 UStG. c) Lieferung von Kunstgegenständen etc. Besonderheiten bestehen für die Lieferung von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten. Hier kann der Unternehmer auch dann von der Differenzbesteuerung Gebrauch machen, wenn er die Gegenstände selbst eingeführt hat (§ 25 a Abs. 2 Nr. 1 UStG). Für Kunstgegenstände gilt darüber hinaus, dass die Differenzbesteuerung auch angewendet werden kann, wenn die Lieferung steuerpflichtig war und nicht von einem Wiederverkäufer ausgeführt worden ist (§ 25 a Abs. 2 Nr. 2 UStG). Hierfür ist eine Erklärung des Wiederverkäufers erforderlich, die er ggü. dem Finanzamt spätestens bei Abgabe der ersten USt-Voranmeldung abgeben muss. Hieran ist der Unternehmer zwei Jahre gebunden (§ 25 a Abs. 2 S. 2 UStG). Beratungshinweis: Einschränkung durch das JStG 2024 Die Differenzbesteuerung findet in diesen Fällen keine Anwendung, wenn auf den der Lieferung des Wiederverkäufers vorangehenden Umsatz ein ermäßigter Steuersatz angewendet worden ist, § 25 a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. c UStG. Die Änderung basiert auf Art. 316 MwStSystRL. d) Differenzbesteuerung beim Upcycling? Gerade beim Ankauf von antiken Gegenständen ist es oftmals so, dass die aus privater Hand angekauften Gegenstände vor der Veräußerung zu neuwertigen oder anders nutzbaren Produkten aufgewertet werden (z.B. auch Balkonmöbel aus Euro-Paletten). Über die Frage, welche Folgen das Upcycling für die Differenzbesteuerung hat, hatte der BFH aktuell zu entscheiden. Im entschiedenen Fall kaufte die Stpfl. antike Kommoden aus Privatbesitz an, restaurierte sie und baute sie durch Aufsatz eines neuen Waschbeckens und ggfs. weiterem Zubehör zu neuwertigen Waschtischen um. Darüber erteilte die Stpfl. den Kunden zwei Rechnungen - über die restaurierte Kommode (Differenzbesteuerung) und den Auf- und Umbau (Regelbesteuerung). Der Kunde kann sich i.R.d. Restaurierung das Objekt individuell zusammenstellen. Der BFH verwies die Sache an das FG Schleswig-Holstein zurück. Grundsätzlich aber verwies er darauf, dass es sich bei der Lieferung der aufgearbeiteten Kommode und des Zubehörs um einen einheitlichen Umsatz handele, der der Regelbesteuerung unterliegt. Das neu zusammengesetzte Gesamtprodukt erfüllt nach Meinung des BFH nicht die Voraussetzungen des § 25 a Abs. 1 Nr. 2 S. 2 UStG, weil es im Hinblick auf den Waschbeckenaufsatz zum Vorsteuerabzug berechtigte. Beratungshinweis: Praxisfolgen Upcycling Seifert weist darauf hin, dass es in vergleichbaren Fällen auf die Vertragsgestaltung ankommt. Man könne sich ja auch vorstellen, dass zunächst der privat angekaufte Gegenstand veräußert wird und aufgrund eines neuen Vertrags anschließend bearbeitet werde. Hinsichtlich des privat angekauften Gegenstand dürfte dies - so Seifert - dann nicht zur Versagung der Differenzbesteuerung führen. Da in diesem Fall eine deutliche Trennung vorgenommen wurde, könnte dies die Sichtweise des BFH (einheitliche Leistung) vermeiden. Vollständig rechtssicher ist das m.E. für die Beratungspraxis aber nicht. 3. Bemessungsgrundlage a) Allgemeines Die BMG bestimmt sich bei Lieferungen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG nach der Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Einkaufspreis. Beratungshinweis: Einkaufspreis Einkaufspreis ist der Betrag, den der Unternehmer dem Verkäufer des Gegenstandes als Kaufpreis gezahlt hat, zuzüglich der üblichen Nebenkosten. Außer Ansatz bleiben Aufwendungen, die nach dem Kauf anfallen, wie etwa Reparaturkosten. Die USt gehört nicht zur BMG (§ 25 a Abs. 3 S. 3 UStG). Sie ist deshalb aus dem Differenzbetrag herauszurechnen. Wenn der Verkaufspreis niedriger als oder gleich hoch wie der Einkaufspreis ist, ergibt sich keine BMG für die Besteuerung, so dass eine Steuer nicht anfällt. Ist der Einkaufspreis höher als der Verkaufspreis, ist die Marge negativ. Eine Saldierung mit positiven Margen aus anderen Lieferungen ist grds. nicht möglich. Bei der Differenzbesteuerung ist der Regelsteuersatz anzuwenden, auch wenn es sich um gelieferte Gegenstände handelt, die an sich dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegen würden (z.B. Bücher). b) Gesamtdifferenz gem. § 25 a Abs. 4 UStG Eine Zusammenfassung der Umsätze für einen Besteuerungszeitraum ist nach § 25 a Abs. 4 UStG für Gegenstände zulässig, deren Einkaufspreis 750 EUR nicht übersteigt. In diesem Fall ist ein Saldo aus der Summe der Verkaufspreise und Einkaufspreise für den gesamten Besteuerungszeitraum zu bilden. Es können also innerhalb des Besteuerungszeitraums Verlustgeschäfte mit Gewinngeschäften saldiert werden. Entschließt sich der Unternehmer zu diesem Verfahren, ist er hieran für den gesamten Besteuerungszeitraum gebunden (§ 25 a Abs. 8 S. 1 UStG). c) Lieferung nach § 3 Nr. 1 b UStG und Mindestbemessungsgrundlage In den Fällen des § 3 Nr. 1 b UStG (Entnahme für Zwecke außerhalb des Unternehmens, unentgeltliche Zuwendungen an das Personal für dessen Bedarf und für Zwecke des Unternehmens) und in den Fällen des § 10 Abs. 5 UStG (Mindest-BMG) ist BMG der Betrag, den der Betrag nach § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG den Einkaufspreis übersteigt. 4. Verfahren a) Wahlrecht Der Unternehmer hat nach § 25 a Abs. 8 UStG ein Wahlrecht, ob er von der Differenzbesteuerung Gebrauch macht oder nicht. Dieses Wahlrecht gilt für jede einzelne Lieferung. Einschränkungen ergeben sich nur, wenn der Unternehmer die Marge nach § 25 a Abs. 4 UStG von dem Gesamtumsatz eines Besteuerungszeitraums bemisst. In diesem Fall besteht eine Bindung für den gesamten Besteuerungszeitraum. b) Aufzeichnungspflichten Nach § 25 a Abs. 6 UStG obliegen dem Unternehmer besondere Aufzeichnungspflichten. Wendet der Unternehmer neben der Differenzbesteuerung auch die Besteuerung nach allgemeinen Vorschriften an, muss er getrennte Aufzeichnungen führen. Aus den Buchführungsunterlagen des Unternehmers müssen sich die für die Differenzbesteuerung maßgeblichen Umstände ergeben, insb. sind der Einkaufs- und Verkaufspreis sowie die BMG aufzuzeichnen. c) Ausschluss des Vorsteuerabzugs Der Vorsteuerabzug ist für den Unternehmer ausgeschlossen. Dies regelt § 25 a Abs. 5 S. 3 UStG für Umsätze nach § 25 a Abs. 2 UStG ausdrücklich; für Umsätze nach § 25 a Abs. 1 UStG ergibt sich der Ausschluss des Vorsteuerabzugs schon aus dem Tatbestand des § 25 a Abs. 1 UStG. Für Differenzgeschäfte darf der Unternehmer nach § 14 a Abs. 6 UStG keine Rechnung mit gesondert ausgewiesener USt erteilen. Er muss außerdem in der Rechnung auf die Anwendung der Differenzbesteuerung hinweisen. Wird USt in der Rechnung gesondert ausgewiesen, kann darin ein Verzicht auf die Differenzbesteuerung gesehen werden. Ist ein Verzicht für einzelne Umsätze nicht möglich (§ 25 a Abs. 4 UStG), schuldet der Unternehmer die USt nach § 14 c Abs. 2 UStG. 5. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfragen Aktuell hatte der BFH über folgende Rechtsfragen zu entscheiden: Trägt derjenige, der von der Differenzbesteuerung nach § 25 a UStG Gebrauch machen will, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sein Vorlieferant eine der Voraussetzungen des § 25 a Abs. 1 Nr. 2 S. 2 UStG erfüllt? Sind die im EuGH-Urteil Litdana vom 18.5.2017 - C-624/15 formulierten Vertrauensschutzerwägungen im Festsetzungs- oder im Billigkeitsverfahren zu prüfen? II. BFH-Beschl. v. 11.12.2024 - XI R 15/21, BFH/NV 2025, 383 1. Sachverhalt Der Kläger ist Kfz-Händler. Streitig war, ob der Verkauf von Gebrauchtwagen unter die Differenzbesteuerung fällt. Im Rahmen einer Ap wurde festgestellt, dass in 29 Fällen der jeweilige Verkäufer nicht mit dem letzten eingetragenen Halter des Kfz identisch war. Der Kläger verwendete dabei die üblichen Musterverträge für Käufe von Privatpersonen. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Kläger daraus den Schluss habe ziehen müssen, dass der jeweilige Verkäufer als Händler tätig gewesen sei, sofern dieser ihm keine Verkaufsvollmacht des letzten Halters habe vorlegen können. In 22 weiteren Fällen war die Fahrgestellnummer nicht angegeben, so dass diese beim Kraftfahrtbundesamt nicht übergeprüft werden konnte. Das Finanzamt sah die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung in diesen Fällen nicht als erfüllt an. Der Kläger habe insb. die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nur eingeschränkt beachtet. Da er aber eher versehentlich unzutreffende Angaben gemacht habe, versagte das Finanzamt die Differenzbesteuerung nur für 20 % der betroffenen Umsätze. Im Ergebnis wurde die USt um 5.143 EUR (netto) erhöht. Das FG Düsseldorf wies die hiergegen erhobene Klage ab, ließ aber wegen grundsätzlicher Bedeutung die Rev. zum BFH zu, § 115 Abs. 2 FGO. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahre 2014, 2015 Kläger Ist Gebrauchtwagenhändler. Abrechnung in vielen Fällen im Wege der Differenzbesteuerung. Finanzamt Ap: In 29 Fällen ist der jeweilige Verkäufer nicht mit dem letzten eingetragenen Halter des Kfz identisch. In 22 weiteren Fällen ist die Fahrgestellnummer nicht angegeben, so dass der vorherige Halter nicht geprüft werden kann. Die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung gem. § 25 a UStG sind nicht erfüllt. Der Kläger hat die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht beachtet. FG Düsseldorf Weist die Klage ab und lässt die Rev. wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. 2. Entscheidung und Begründung des BFH Der BFH wies die Rev. des Klägers als unbegründet zurück. Dafür waren folgende Erwägungen von Bedeutung: Die Umsätze waren der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Für die streitigen Kfz wurde USt von den Verkäufern gem. § 25 a Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. a Var. 1 UStG geschuldet. Zwar wurden Musterformulare für Käufe von Privatpersonen benutzt; jedoch waren die jeweiligen Verkäufer nicht mit dem letzten Halter des Kfz identisch, und die Fahrgestellnummern waren unzutreffend bzw. unvollständig. Beides lässt den Schluss zu, dass ein Zwischenverkauf von einer Privatperson an einen (Zwischen-)Händler stattgefunden hatte. Es lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Verkäufer der streitigen Kfz Kleinunternehmer waren oder ihrerseits die Differenzbesteuerung vorgenommen hatten (§ 25 a Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. a Var. 2 und Buchst. b UStG). Insbesondere hatten die Verkäufer in ihren Rechnungen nicht auf die Differenzbesteuerung nach § 14 a Abs. 6 S. 1 UStG hingewiesen. Dem Kläger stand kein Vertrauensschutz zu. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass die von ihm getätigten Umsätze nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führen. Er kannte die Verkäufer nicht und hätte daher nicht ohne Weiteres auf ihre Behauptung, sie seien Privatverkäufer, vertrauen dürfen. Ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer hätte sich zumindest die Verkaufsvollmacht vorlegen lassen. Offenbleiben kann, ob Vertrauensschutz bei der Differenzbesteuerung bereits im Festsetzungsverfahren oder aber erst im Billigkeitsverfahren zu gewähren ist. Soweit sich der Kläger auf Gutgläubigkeit beruft, ist dies nach den Feststellungen des FG nicht erkennbar. III. Anmerkungen Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend. Unabhängig von den Voraussetzungen der Differenzbesteuerung gem. § 25 a UStG zeigt sie diverse umsatzsteuerliche und verfahrensrechtliche Problemfelder nicht nur im Gebrauchtwagenhandel auf; die Entscheidung macht auch deutlich, worauf Wiederverkäufer achten müssen, wenn sie die Differenzbesteuerung in Anspruch nehmen wollen. 1. Feststellungslast (objektive Beweislast) Die Entscheidung wirft zunächst die Frage auf, wer nachweisen muss, dass die Voraussetzungen für die Differenzbesteuerung nach § 25 a UStG vorliegen. a) Grundlagen der Beweislast im öffentlichen Recht Das Steuerrecht ist Teil des öffentlichen Rechts. Wegen des hier maßgebenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 88 Abs. 1 AO) gibt es - trotz der Mitwirkungspflichten des Stpfl. (§ 90 AO) - keine subjektive Beweislast (Beweisführungslast). Dies unterscheidet das Steuerrecht grundlegend vom Zivilprozess: Dort gilt der sog. Beibringungsgrundsatz, d.h., die Parteien haben ihre jeweiligen Behauptungen zu beweisen. Im steuerrechtlichen (öffentlich-rechtlichen) Verfahren muss die Finanzbehörde ihre Ermittlungsmöglichkeiten - auch zugunsten des Stpfl. - ausschöpfen, um bestehende Zweifel und Unklarheiten auszuräumen. Nur wenn das nicht gelingt, muss mittels der objektiven Beweislast (Feststellungslast) entschieden werden, zu wessen Lasten die beweisbedürftige, aber nicht bewiesene Tatsache geht. Danach gelten folgende Regeln: Die Finanzbehörde trägt die Feststellungslast für diejenigen Tatsachen, die den Steueranspruch begründen oder erhöhen und der Stpfl. trägt die Feststellungslast für diejenigen Tatsachen, die eine Steuerbefreiung/Steuerermäßigung begründen bzw. den Steueranspruch aufheben oder einschränken. Beratungshinweis: Ausnahmen Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass eine Tatsache im alleinigen Verantwortungsbereich eines Beteiligten begründet liegt. So muss etwa die Finanzbehörden den Beweis erbringen, dass ein Bescheid vor Ablauf der Festsetzungsverjährung abgesandt wurde. Neben den hier geschilderten Grundsätzen gibt es spezielgesetzliche Beweislastregeln. So dient etwa § 162 AO dazu, nach freier Beweiswürdigung und als letztes Mittel Lücken in der Erforschung des Sachverhalts durch Schätzung zu schließen. b) Non liquet Im verwaltungs- wie auch im finanzgerichtlichen Verfahren ist es besonders wichtig, sich mit den Vorgaben der Feststellungslast vertraut zu machen, um ggfs. die Verwaltungsbehörde oder das Gericht auf ein „non liquet“ hinzuweisen: Dieses liegt vor, wenn nach der Beweiswürdigung nicht klar ist, wie ein Sachverhalt tatsächlich abgelaufen ist. Ist etwa das Gericht von der Behauptung des Beweisbelasteten überzeugt, ergeht eine Beweislastentscheidung gegen den Beweisbelasteten. 2. Feststellungslast bei der Differenzbesteuerung In der Rezensionsentscheidung hat der BFH zutreffend darauf verwiesen, dass es zu Lasten des Stpfl. (Kläger) geht, der die Anwendung der Differenzbesteuerung (§ 25 a UStG, Art. 314 MwStSystRL) begehrt, dass das Vorliegen der betreffenden Tatbestandsmerkmale unerwiesen geblieben ist. Er muss alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die jeweils als „Privatverkäufer“ aufgetretene Person nachzugehen. Die auf Art. 314 MwStSystRL beruhenden Regeln der Differenzbesteuerung stellen eine von der allgemeinen Regelung der Mehrwertsteuerrichtlinie abweichende Sonderregelung dar und sind deshalb eng auszulegen. Es handelt sich also um eine für den Stpfl. günstigere Regelung ggü. der Inanspruchnahme der Regelbesteuerung. Beratungshinweis: Beweislastregeln bei der Differenzbesteuerung Auch im Unionsrecht gilt der Grundsatz, wonach der Stpfl. die materiellen Voraussetzungen einer für ihn günstigen Regelung nachweisen muss. Dass die Differenzbesteuerungsregeln für den Stpfl. günstiger sind als die Regelbesteuerung steht m.E. außer Frage. Die von Winter vertretene Auffassung, wonach es sich lediglich um eine Regelung zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und eine Verringerung der umsatzsteuerlichen Doppelbelastung handele, ist m.E. mit der Konsequenz der Auswirkungen auf die Feststellungslast nicht zutreffend. Auch unterstellt, es gehe bei § 25 a UStG allein um diese Sachverhalte, ist auch das eine Vergünstigung, die dazu führt, dass der Stpfl. hier die Beweislast trägt. Schon gar nicht wird er dadurch zum „Erfüllungsgehilfen des Fiskus“, wie Winter es formuliert. Eine Argumentation wird nicht dadurch besser und zutreffender, wenn sie den Bereich der Sachlichkeit verlässt. 3. Verfahren bei Berufung auf Vertrauensschutz Im besprochenen BFH-Fall hatte sich der Kläger darauf berufen, dass er im guten Glauben gehandelt habe, als ihm die Fahrzeuge angeboten wurden. Er sei davon ausgegangen, dass es sich um Privatpersonen handele, also im Ergebnis die Voraussetzungen des § 25 a UStG nach seiner Auffassung vorgelegen hätten. Am Ende hat der BFH diese Auffassung nicht bestätigt und darauf verwiesen, dass der Kläger nicht die „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ habe walten lassen, um zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um Privatpersonen gehandelt habe oder Händler, die die Fahrzeuge angeboten hätten. Das bedeutet im Ergebnis, dass der BFH die Frage, ob die Gutgläubigkeit im Festsetzungsverfahren oder in einem gesondert zu führenden Billigkeitsverfahren zu klären sei, hier offenlassen konnte. Der EuGH hat mehrfach die Bedeutung des Vertrauensschutzgrundsatzes als allgemein-verbindliches Prinzip des USt-Rechts betont und hieraus konkrete materiell-rechtliche Folgen abgeleitet. Beratungshinweis: Die EuGH-RS Litdana Auf dieser Linie liegt auch das EuGH-Urteil „Litdana“ , wonach im Ergebnis die Differenzbesteuerung auch dann Anwendung finden soll, wenn zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, der Erwerber aber in gutem Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Ob dieser Vertrauensschutzgedanke am Ende dazu führen kann, den guten Glauben bereits im Festsetzungsverfahren zu prüfen, erscheint mir zweifelhaft. Dies würde faktisch dazu führen, dass die Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen weitestgehend durch den Glauben an ihr Vorliegen ersetzt würde. Es ist m.E. richtig, dass der BFH dann, wenn das UStG keine ausdrückliche Vertrauensschutzregelung (vergleichbar etwa derjenigen des § 6 a Abs. 4 UStG) enthält, die Prüfung, ob der Stpfl. Vertrauensschutz in Anspruch nehmen kann, nicht im Festsetzungs-, sondern allein im Billigkeitsverfahren vornimmt. Dies muss m.E. auch dann gelten, wenn sich der Stpfl. bereits im Festsetzungsverfahren auf Vertrauensschutzgesichtspunkte beruft. IV. Fazit Es handelt sich zwar um einen Fall, der im Bereich des für die Differenzbesteuerung gem. § 25 a UStG besonders sensiblen Bereichs des Gebrauchtwagenhandels angesiedelt ist. Gleichwohl: Die Grundsätze, die der BFH vor allem zum Vertrauensschutz (Gutgläubigkeit) dargestellt hat, gelten in gleicher Weise auch für andere Bereiche, in denen die Differenzbesteuerung zur Anwendung kommen kann. Was unter gewerbsmäßigem Handeln zu verstehen ist, bestimmt das Gesetz nicht. Abschn. 25a.1 Abs. 2 S. 1 UStAE versteht darunter gewerbsmäßige Händler, die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit üblicherweise Gebrauchtgegenstände erwerben und sie danach im eigenen Namen wieder veräußern unter Hinweis auf BFH-Urt. v. 2.3.2006 - V R 35/04, BStBl II 2006, 675 BFH-Urt. v. 29.6.2011 - XI R 15/10, BStBl II 2011, 839 In der bis zum 31.12.2024 geltenden Fassung hieß es noch, dass die Differenzbesteuerung auch dann in Betracht kommt, wenn die USt nach „§ 19 UStG nicht geschuldet“ wird. Diese Formulierung ist zum 1.1.2025 weggefallen, weil es sich bei der Kleinunternehmerbesteuerung nach § 19 UStG nunmehr um einen USt-Befreiungstatbestand handelt (Gesetz v. 2.12.2024, BGBl I 2024, Nr. 387). Geändert zum 1.1.2025 durch das Gesetz v. 2.12.2024, BGBl I 2024, Nr. 387 (JStG 2024); kritisch dazu Radeisen, Praktiker-Lexikon Umsatzsteuer, 15. Aufl. 2024, Seite 112, der zutreffend bemängelt, dass danach kaum noch Sachverhalte denkbar sind, die unter das Optionsrecht fallen. Unabhängig davon ist der wirtschaftliche Vorteil entfallen, so dass es für Unternehmer keinen Sinn (mehr) macht, zu optieren. BFH-Urt. v. 11.12.2024 - XI R 9/23, Juris Seifert, Haufe news v. 28.4.2025, https://www.haufe.de/steuern/rechtsprechung/ differenzbesteuerung-bei-aufwertung-des-liefergegenstands_ Der Betrag nach § 25 a Abs. 4 S. 2 UStG wurde durch das Gesetz v. 23.10.2024 (BGBl I 2024, Nr. 323) mit Wirkung ab 1.1.2025 von 500 EUR auf 750 EUR angehoben. FG Düsseldorf, Urt. v. 24.3.2021 - 5 K 1414/18 U, EFG 2021, 1948 m. Anm. Wendt Im Streitfall galt noch die bis zum 31.12.2024 geltende Regelung - s.o. Fn 3 Grundlegend BFH-Urt. v.20.3.1987 - III R 172/82, BStBl II 1987, 679 Vgl. z.B. BFH-Urt. v. 28.9.2000 - III R 43/97, BStBl II 2001, 211 EuGH, Urt. v. 18.5.2017 - C-624/15, MwStR 2017, 536, Rn 23 - Litdana Vgl. dazu z.B. EuGH, Urt. v. 9.12.2021 - C-154/20, MwStR 2022, 148, Rn 33 - Kemwater ProChemie Winter, Anm. in MwStR 2025, 264, 265 Winter, Anm. in MwStR 2025, 265 Z.B. EuGH, Urt. v. 21.2.2008 - C-271/06, HFR 2008, 408; dazu Drüen, DB 2010, 1847 ff.; Stapperfend, UR 2013, 321 ff., 324 EuGH, Urt. v. 18.5.2017 - C-624/15, MwStR 2017, 536 Reiß, UR 2017, 565 ff., 569
|
|
|