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Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2024 . Seite: 529
Die Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175 b Abs. 1 AO ist auch zulässig, wenn die unzutreffende Berücksichtigung der von einem Dritten übermittelten Daten auf einen Fehler der Finanzbehörde zurückzuführen ist. BFH-Urt. v. 20.2.2024 - IX R 20/23, BFH/NV 2024, 951 I. Vorbemerkungen 1. Elektronische Datenübermittlung und ...

AktStR: Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf, 2023 S. 501: Aktuelles zur Schätzung auch i.R.v. Außenprüfungen Aktuelles zur Schätzung auch i.R.v. Außenprüfungen Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf Jahrgang: 2023 . Seite: 501 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und - wenn ja - unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF zulässig ist. BFH-Beschl. v. 14.12.2022 - X R 19/21, DStR 2023, 517 I. Vorbemerkungen 1. Ordnungsmäßigkeit der Buchführung Die Buchhaltung muss übersichtlich und nachvollziehbar sein. Aus dem Grundsatz der Nachvollziehbarkeit ergibt sich, dass Geschäftsvorfälle vollständig aufzuzeichnen sind. Hieraus leitet sich eine grundsätzliche Einzelaufzeichnung  ab. Beratungshinweis: Nach Maßgabe von § 148 AO kann die FinVerw in einzelnen Fällen oder für bestimmte Gruppen Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichterleichterungen zulassen. Formell ordnungsmäßige Buchführungen und Aufzeichnungen sind der Besteuerung zu Grunde zu legen.  Eine Ausnahme hiervon gilt, sofern nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden.  Die FinVerw kann die Beweisvermutung nach § 158 Abs. 1 AO widerlegen. Nach dem bis 2022 geltenden Gesetzeswortlaut waren die Buchführung und die Aufzeichnungen, die den §§ 140 bis 148 AO entsprachen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass vorlag, deren sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine Widerlegung konnte erfolgen durch unmittelbare Widerlegung einzelner Geschäftsvorfälle oder Widerlegung des Gesamtwerks der Aufzeichnungen (z.B. durch Nachkalkulationen). Die Rspr. stellt bei formell ordnungsmäßigen Aufzeichnungen hohe Anforderungen an die Widerlegung der Beweisvermutung.  Beratungshinweis: Fehlende Beweisvermutung Seit 2023 gilt die Beweisvermutung kraft Gesetzes nicht, soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Ferner gilt die Beweisvermutung kraft Gesetzes nicht, wenn elektronische Daten nicht nach den Vorgaben der einheitlichen digitalen Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden.  Dann dürfte insb. bei Kassenprüfungen auch i.R.e. Kassennachschau  eine Hinzuschätzung im Raum stehen.  Liegen Buchführungsmängel vor oder ist die Beweisvermutung  nach § 158 Abs. 2 AO widerlegt, muss nunmehr der Stpfl. widerlegen, dass die Kalkulation des Finanzamts unzutreffend und damit das Buchhaltungsergebnis richtig ist ( Beweislastumkehr).  Liegen Buchführungsmängel vor, kann nach den Umständen des Einzelfalls eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erfolgen.  Nach bisheriger Auffassung des BFH besteht eine Berechtigung zur Schätzung bei formellen Buchführungsmängeln jedoch einschränkend nur dann, wenn die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln ist.  Dies dürfte trotz der Änderung von § 158 AO auch ab 2023 weiterhin gelten. 2. Ordnungsgemäße Kassenführung Gerade bei bargeldintensiven Unternehmen stellt sich die Frage nach einer ordnungsmäßigen Kassenführung. Sie steht im Fokus der Kassennachschau  und der Ap. Dabei werden oftmals Buchführungsmängel festgestellt. Es gibt keine Registrierkassenpflicht und auch eine offene Ladenkasse  kann ordnungsmäßig geführt werden. Bei elektronischen Registrierkassen ist ein Kassenbetrug durch eigens dafür entwickelte Manipulationssoftware nicht ausgeschlossen, obwohl das elektronische Aufzeichnungssystem und die digitalen Aufzeichnungen durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) zu schützen sind.  Beratungshinweis: Technische Anforderungen Die technischen Anforderungen an die technische Sicherheitseinrichtung ergeben sich aus § 5 KassenSichV. Die Technischen Richtlinien wurden jüngst überarbeitet.  Elektronische Aufzeichnungssysteme haben jeden aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfall und andere Vorgänge einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen.  Zu den elektronischen Aufzeichnungssystemen gehören elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen.   Nicht als elektronische Aufzeichnungssysteme gelten: Fahrscheinautomaten und Fahrscheindrucker, Kassen- und Parkscheinautomaten der Parkraumbewirtschaftung sowie Ladepunkte für Elektro- oder Hybridfahrzeuge, elektronische Buchhaltungsprogramme, Waren- und Dienstleistungsautomaten, Taxameter und Wegstreckenzähler, Geldautomaten sowie Geld- und Warenspielgeräte.  Die FinVerw hat mit BMF-Schr. v. 30.6.2023  den AEAO zu § 146 a AO neu gefasst. Dieser geht intensiv auf Einzelfragen zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen mittels elektronischen Aufzeichnungssystemen ein. Berater sollten ihren Mandanten empfehlen, eine Bestätigung von dem Anbieter des elektronischen Aufzeichnungssystems einzuholen, dass dieses auch die Voraussetzungen nach dem geänderten AEAO erfüllt. Beratungshinweis: Anzeigepflicht des elektronischen Aufzeichnungssystems Gem. § 146 a Abs. 4 AO sind die eingesetzten elektronischen Aufzeichnungssysteme und weitere Angaben ggü. der FinVerw nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck mitzuteilen. Gegenwärtig ist diese Mitteilungspflicht bis zur Implementierung einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit ausgesetzt.  Nach der Neufassung des AEAO zu § 146a  soll die Mitteilung an das zuständige Finanzamt über das Programm "MEIN ELSTER" oder über kompatible eigene oder Drittanbieter-Software über die entsprechende Schnittstelle (ERiC) erfolgen. Ferner ist durch das Wachstumschancengesetz ist vorgesehen, dass nicht jedes einzelne Aufzeichnungssystem, sondern ab 2027 nur die jeweils eingesetzte TSE zu melden ist. 3. Richtsatzsammlung Das BMF gibt jährlich die Richtsatzsammlung  heraus. Diese enthält für verschiedene Branchen bzw. Wirtschaftszweige Angaben zu durchschnittlichen Rohgewinn en bzw. Reingewinn en. Die aktuelle Richtsatzsammlung 2021 umfasst 123 gewerbliche Branchen. Grundlage hierfür sind Richtsatzprüfungen, die von den Betriebsprüfungsdiensten der Länderfinanzverwaltungen alle vier Jahre  durchgeführt werden. Es werden untere, mittlere und obere Rahmensätze gebildet, die betriebliche oder regionale Unterschiede abbilden sollen. Innerhalb dieser Rahmensätze kann dann der zu beurteilende oder zu schätzende Betrieb eingeordnet werden. Die Richtsatzsammlungen werden von der FinVerw bei der Verprobung von Umsätzen und Gewinnen herangezogen. Sie sind zudem häufiger Ausgangs- und Anhaltspunkt für Schätzungen. Ferner enthalten die Richtsatzsammlungen Pauschbeträge für Sachentnahmen ( unentgeltliche Wertabgaben), die der Unternehmer tätigt, sofern er mit Lebensmitteln handelt oder im gastronomischen Bereich tätig ist. Diese sind in den Betrieben der entsprechenden Branche aus Sicht der FinVerw zwingend anzusetzen. Ein Unterschreiten der Werte wird nur in seltenen Ausnahmefällen akzeptiert. Beratungshinweis: Auswirkungen aktueller Krisen Insb. Krisenzeiten, die z.B. durch die Corona-Pandemie oder den Ukraine-Krieg ausgelöst wurden oder werden, haben Auswirkungen auf einzelne Betriebe und müssen bislang individuell bei Anwendung der Richtsatzsammlung berücksichtigt werden. 4. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfrage Folgende Rechtsfrage hatte der BFH zu entscheiden: Kann die amtliche Richtsatzsammlung bei einem externen Betriebsvergleich als Schätzungsmethode herangezogen werden, sofern durch einen internen Betriebsvergleich kein verlässliches Zahlenmaterial möglich ist? II. BFH-Beschluss v. 14.12.2022 - X R 19/21, DStR 2023, 517 1. Sachverhalt Der Kläger betrieb eine Diskothek. Eine für die Streitjahre 2013 und 2014 durchgeführte Ap beanstandete die Kassen- und Buchführung des Klägers als formell ordnungswidrig. Aus diesem Grund verprobte der Prüfer die Getränkeumsätze und ermittelte einen Rohgewinnaufschlagsatz von knapp 400 %. Dieser wich erheblich von denjenigen Sätzen ab, die den Gewinnermittlungen des Klägers zu entnehmen waren. Hieraus folgerte der Prüfer, dass die Betriebseinnahmen und Umsätze nicht vollständig erklärt worden seien. Auf Grundlage des von dem Prüfer errechneten Aufschlagsatzes schätzte er bei den Getränkeverkäufen Einnahmen bzw. Umsätze von netto ca. 417.000 EUR (2013) bzw. 247.000 EUR (2014) hinzu. Die Einsprüche gegen die geänderten Bescheide für 2013 und 2014 hatten keinen Erfolg. Auch das FG Hamburg  ging von einer Schätzungsberechtigung aus. Allerdings beanstandete es sowohl die Schätzungsmethode als auch das Schätzungsergebnis des Finanzamts. In Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis schätzte es die Getränkeumsätze nach Maßgabe eines äußeren Betriebsvergleichs. Dabei orientierte sich das FG bei einem Rohgewinnaufschlagsatz von 300 % zum einen an der vom BMF veröffentlichten Richtsatzsammlung, die für Gastronomiebetriebe in den Streitjahren Rohgewinnaufschlagsätze zwischen 186 % und 376 % (2013) bzw. 186 % und 400 % (2014) sowie einen Mittelwert von jeweils 257 % ausweist. Zum anderen berief es sich auf einen nur für den Dienstgebrauch der FinVerw erstellten Erfahrungsbericht v. 23.5.2017 über Betriebsprüfungen bei Diskotheken (sog. Fachinfosystem Bp NRW). In dieser, vom FG als "spezielle Richtsatzsammlung für Diskotheken" bezeichneten Abhandlung heißt es u.a., Diskotheken würden einen Rohgewinnaufschlagsatz zwischen 280 % und 600 % auf ihren Wareneinsatz anwenden, wobei sich die Mehrzahl der Betriebe im rechnerischen Mittel bewege. Demzufolge minderte das FG die Hinzuschätzungen auf ca. 252.000 EUR (2013) bzw. 115.000 EUR (2014). Auf die NZB des Klägers hob der BFH das Urt. des ersten Rechtsgangs aufgrund eines Verfahrensfehlers auf und verwies die Sache an das FG zurück. Der BFH sah den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs als verletzt an, da das FG auf das "Fachinfosystem Bp NRW" zurückgegriffen hatte, ohne zuvor die hieraus entnommenen Erkenntnisse dem Kläger inhaltlich zugänglich gemacht zu haben.  Mit Entscheidung v. 13.10.2020 bestätigte das FG Hamburg  im zweiten Rechtsgang sein bisheriges Ergebnis und begründete den Ansatz eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 300 % nur noch mit der Richtsatzsammlung. Die Richtsatzschätzung sei als eine anerkannte Schätzungsmethode anzusehen. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahre 2013 und 2014 Kläger Der Kläger betrieb eine Diskothek. Die Ap beanstandete die Buchführung und die Kasse als nicht ordnungsmäßig. Die Ap schätzte auf Grundlage eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 400 % Einnahmen aus Getränkeverkäufen von rd. 417.000 EUR (2013) und rd. 247.000 EUR (2014) hinzu. FG Hamburg Dem Grunde nach liegt eine Schätzungsbefugnis vor; der Höhe nach wurde die Schätzung mit einem Rohgewinnaufschlagsatz von 300 % ermittelt. Der Satz ergab sich aus einem Erfahrungsbericht der FinVerw NRW, der nur für den Dienstgebrauch erstellt wurde. BFH Die NZB gegen die erste Entscheidung des FG Hamburg war erfolgreich (Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs). FG Hamburg Bestätigung der ersten Entscheidung des FG, allerdings mit Begründung des Rohgewinnaufschlagsatzes von 300 % durch Anwendung der Richtsatzsammlung. 2. Entscheidung und Begründung Der BFH hat bislang keine Entscheidung in der Hauptsache getroffen. Er hat vielmehr aus den nachfolgenden Gründen das BMF aufgefordert, dem Verfahren beizutreten:  Schätzungen müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Sie müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Dem Finanzamt und dem FG stehen die Wahl der Schätzungsmethode frei. Es gibt keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 5 AO) muss eine Schätzung der Wirklichkeit möglichst nahekommen. Eine Schätzung nach dem äußeren Betriebsvergleich ist dem Grunde nach zulässig. Voraussetzung für eine Schätzung nach dem äußeren Betriebsvergleich ist, dass die Grundlagen und Parameter, auf denen die Richtsätze beruhen, nachvollziehbar und überprüfbar sind. Da das Zustandekommen der BMF-Richtsatzsammlungen unklar ist, wurde das BMF zum Beitritt zum Revisionsverfahren aufgefordert. III. Anmerkungen 1. Schätzung von Besteuerungsgrundlagen durch die Richtsatzsammlung nachvollziehbar? Gegenwärtig stellt sich die Frage, ob eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen durch Bezugnahme auf die Richtsatzsammlungen vor dem Aus steht. Kritische Fragen zur Ermittlung der Richtsatzsammlung  hatte das BMF im Namen der BReg in der Vergangenheit zwar beantwortet.  Die Entstehung und die Nachvollziehbarkeit der Richtsatzsammlung ließen sich hierdurch jedoch nicht klären.  Der BFH hat diese Kritik nunmehr aufgegriffen. Das BMF muss zu folgenden Fragen Auskunft erteilen: Welche Einzeldaten fließen mit welchem Gewicht in die Ermittlung der Richtsätze der jeweiligen Gewerbeklasse ein? Wie wird die Repräsentativität der Daten sichergestellt? Gibt es Einzeldaten, die von vornherein ausgeschlossen werden? Steht die regional zum Teil erheblich unterschiedliche Höhe fixer Betriebskosten (insb. Raum- und Personalkosten) der Festlegung bundeseinheitlicher Richtsätze entgegen? Weshalb bleiben die Ergebnisse von Ap bei sog. Verlustbetrieben unberücksichtigt, obwohl auch solche Betriebe grds. einen positiven Rohgewinnaufschlagsatz ausweisen? Finden ganz oder teilweise erfolgreiche Rechtsbehelfe des Stpfl. gegen die auf eine Ap ergangenen Steuerbescheide Eingang in die Richtsatzsammlung? Wie kann dem Stpfl. ermöglicht werden, das Ergebnis einer Schätzung auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung - insb. auch im Hinblick auf die spezifischen Daten, die dieser Sammlung zugrunde liegen - nachzuvollziehen und zu überprüfen? Was ist gegen die Richtsatzsammlung als Schätzungsmethode einzuwenden? Die Richtsätze werden von der FinVerw für die einzelnen Gewerbeklassen auf der Grundlage von Betriebsergebnissen zahlreicher geprüfter Unternehmen ermittelt. Sie gelten nicht für Großbetriebe.  Die FinVerw spricht von " Betriebsergebnissen". Dieser Begriff ist unscharf, auch weil nicht klar ist, ob das Betriebsergebnis vor Betriebsprüfung oder nach Betriebsprüfung gemeint ist. Unklar ist auch, ob Betriebsergebnisse nach einer Betriebsprüfung geändert werden, sofern sich im Einspruchs- oder Klageverfahren Änderungen ergeben. Unklar ist zudem, welche Zahl von Betrieben in die Richtsatzsammlung eingegangen ist und wo die Betriebe belegen sind. Eine repräsentative Aussagefähigkeit der Richtsatzsammlung wird auch deshalb in Frage gestellt, weil nur eine geringe Anzahl von Betrieben geprüft wird und damit nur deren Ergebnisse in die Richtsatzsammlungen eingehen.  Die Richtsätze stellen auf die Verhältnisse eines "Normalbetriebs" ab.  Was aber ist ein Normalbetrieb, der für die Anwendung der Richtsatzsammlungen herangezogen wird? Eine Vergleichbarkeit des geprüften Betriebs mit den weiteren in die Richtsatzsammlung eingegangenen Normalbetrieben ist nicht möglich, auch weil nicht nachvollziehbar ist, welche Betriebe im Einzelnen Eingang in die Richtsatzsammlung gefunden haben.  Beratungshinweis: Nachvollziehbarkeit der Richtsatzsammlung Da Schätzungen nachvollziehbar sein müssen und die Richtsatzsammlungen nicht nachvollziehbar sind, dürfte vieles dafür sprechen, dass die bisherigen Richtsatzsammlungen als Schätzungsgrundlage ungeeignet sind. Der BFH wird hierzu auch in einem weiteren anhängigen Verfahren zu entscheiden haben.  Berater sollten Sachverhalte offenhalten, sofern die FinVerw einen externen Betriebsvergleich auf Grundlage der Richtsatzsammlungen als Schätzungsgrundlage heranzieht. 2. Schätzungsgrundsätze a) Schätzung dem Grunde nach (Schätzungsbefugnis) Kommt es zu einer Schätzung, muss zunächst geprüft werden, ob dem Grunde nach überhaupt eine Schätzungsbefugnis besteht. Liegen formelle Buchführungsmängel vor, berechtigen diese nach ständiger Rspr. nur dann zur Schätzung, als die Buchführungsmängel Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln.  Dies dürfte ab 2023 trotz der Neufassung von § 158 AO weiterhin gelten.  Die Schätzung darf nicht unvertretbar sein (wirtschaftlich unmöglich) sein. Die Schätzung darf auch nicht krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichen. Es muss erkennbar sein, ob und wenn ja welche Schätzungserwägung angestellt worden ist.  Beratungshinweis: Rechtsmittel Viele Steuerberater wenden sich oft nur gegen eine Schätzung der Höhe nach. Empfehlenswert ist es, sich zunächst mit der Schätzungsbefugnis dem Grunde nach auseinanderzusetzen. b) Schätzung der Höhe nach Besteht eine Schätzungsbefugnis, stellt sich die Frage nach der Schätzungshöhe und demgemäß nach der Schätzungsmethode. Hierbei sind das Finanzamt und das ebenso schätzungsbefugte FG  in der Wahl der Schätzungsmethode frei. Es besteht für den Stpfl. kein Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode.  Beratungshinweis: Ermessensausübung Durch Ermessensausübung  und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird die Wahlrechtsfreiheit der in Frage kommenden Schätzung aber eingeschränkt. Ermessensleitend ist das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahekommen ( Grundsatz der größten Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit). Kommt eine bestimmte Schätzungsmethode diesem Ziel voraussichtlich näher als eine andere, ist diese unter Ermessensgesichtspunkten vorzugswürdig. Weder das Finanzamt noch das FG sind grds. verpflichtet, das aufgrund einer Schätzungsmethode gewonnene Ergebnis noch durch die Anwendung einer weiteren Schätzungsmethode zu überprüfen oder zu untermauern.  Die Rechtmäßigkeit einer Schätzung auf Grundlage der Richtsatzsammlungen ist gegenwärtig offen. Dies hindert nicht daran, andere Schätzungsmethoden anzuwenden. Diese sind für Prüfer aber zumeist aufwändiger. Beratungshinweis: Steuerstrafrechtliche Implikationen Bedeutsam ist die weitere Entwicklung auch für (Hinzu-)Schätzungen und deren Auswirkung auf ein Steuerstrafverfahren.       Vgl. § 146 Abs. 1 AO: "einzeln"       § 158 Abs. 1 AO       § 158 Abs. 2 Nr. 1 AO       Jansen, Zugmaier/Nöcher/Jansen, § 158 AO, Rz 14       § 158 Abs. 2 Nr. 1 AO       Z.B. gem. §§ 146 a bzw. 147b AO       § 147 b AO       § 162 Abs. 2 S. 2 AO; vgl. auch unter III. Nr. 2 Buchst. a       § 158 Abs. 1 AO       Jansen, StBp 2022, 214       § 162 AO i.V.m. § 158 AO       BFH-Urt. v. 12.12.2017 - VIII R 5/14, BFH/NV 2018, 602, Rz 38 m.w.N.       § 147 b AO       Vgl. hierzu OFD Karlsruhe, Vfg. v. 10.11.2022 - S 0315 - St 42, Juris; FG Köln, Urt. v. 4.8.2022 - 3 K 2129/20, EFG 2023, 196, rkr.; vgl. auch Grune, AktStR 2022, 149 (kein strukturelles Vollzugsdefizit bei bargeldintensiven Betrieben)       § 146 a Abs. 1 S. 2 AO       BMF-Schr. v. 30.6.2023 - IV D 2 - S 0316 - a/19/10003:006, BStBl I 2023, 1076       § 146 a AO; vgl. hierzu auch FG Köln, Urt. v. 17.12.2022 - 3 K 2129/20, EFG 2023, 196, rkr.       § 1 S. 1 KassenSichV       § 1 S. 2 KassenSichV       BMF-Schr. v. 30.6.2023 - IV D 2 - S 0316 - a/20/10003:006, 2023/0631092, BStBl I 2023, 1076       BMF-Schr. v. 6.11.2019 - IV A 4 - S 0319/19/10002:001, 2019/0891800, BStBl I 2019, 1010       BMF-Schr. v. 30.6.2023 - IV D 2 - S 0316 - a/20/10003:006, 2023/0631092, BStBl I 2023, 1076, Tz 1.16.1       BMF-Schr. v. 28.11.2022 - IV A 8 - S 1544/19/10001:008, 2022/1164689, BStBl I 2022, 1609 (Richtsatzsammlung 2021)       Danielmeyer, StBp 2023, 117       FG Hamburg, Urt. v. 3.9.2019 - 2 K 218/18, EFG 2020, 633 mit Anm. Hennigfeld       BFH-Beschl. v. 28.5.2020 - X B 12/20, BFH/NV 2020, 1087       FG Hamburg, Urt. v. 13.10.2020 - 2 K 218/18, EFG 2022, 834 mit Anm. Hennigfeld       § 122 Abs. 2 S. 3 FGO       BT-Drucks. 19/3987 v. 27.8.2018       BT-Drucks. 19/4238 v. 11.9.2018       Beyer, NWB 2018, 3232       BMF-Schr. v. 28.11.2022 - IV A 8 - S 1544/19/10001:008, 2022/1164689, BStBl I 2022, 1609 (Richtsatzsammlung 2021) Rz 2       Weber, StB 2021, 22, 24; s.a. Bellinger, StBp 2013, 235, 236       BMF-Schr. v. 28.11.2022 - IV A 8 - S 1544/19/10001:008, 2022/1164689, BStBl I 2022, 1609 (Richtsatzsammlung 2021) Rz 3       Vgl. auch Durst, KöSDI 2020, 21743, 21748 f.       FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.3.2021 - 3 K 1862/19, EFG 2022, 145 mit Anm. Martini, Rev. eingelegt, Az des BFH: X R 23/21; FG Hamburg, Urt. v. 8.12.2021 - 2 K 50/20, DStRE 2023, 830; Wild, jurisPR-SteuerR 28/2022 Anm. 3       BFH-Urt. v. 16.12.2021 - IV R 1/18, BFH/NV 2022, 305, Rz. 43 m.w.N.       Vgl. hierzu auch die vorherigen Ausführungen.       BFH-Beschl. v. 31.5.2023 - X B 111/22, BFH/NV 2023, 958       § 96 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 AO; vgl. auch FG Münster, Urt. v. 20.4.2023 - 9 V 168/23, Juris, Rz. 58       BFH-Beschl. v. 14.5.2013 - X B 176/12, BFH/NV 2013, 1445, Rz 21       § 5 AO       BFH-Beschl. v. 13.9.2016 - X B 146/15, BFH/NV 2016, 1747, Rz 16       Neugebauer, DB 2023, 861   

Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
Jahrgang: 2021 . Seite: 831
1. § 23 Abs. 1 S. 3 EStG ist eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift i.S.v. § 42 Abs. 1 S. 2 AO; damit ist die Annahme eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AO für den Fall der Veräußerung nach unentgeltlicher Übertragung grundsätzlich ausgeschlossen. 2. Hat der ...

Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2021 . Seite: 839
1. Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt für die Auswahl des Zinsgegenstands und die Bestimmung des Zinssatzes im Steuerrecht ist ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab. Zinsregelungen als steuerliche Nebenleistungen bedürfen zur Wahrung der Belastungsgleichheit eines über den Zweck d ...

Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Jahrgang: 2021 . Seite: 641
1. Einzelsteuergesetzliche Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen, die tatbestandlich nicht einschlägig sind, schließen die Anwendung des § 42 AO nicht aus. 2. Bei der Prüfung des ...

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