AktStR
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Über das AktStR
Heft-Nr.
4 / 2008 (13)
Rubrik
AktStR-Themen (13)
Rechtsgebiet
AO (3)
EStG (9)
GewStG (1)
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Verlustabzug bei Kapitalanlagebetrug mit Blockheizkraftwerken
Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Jahrgang: 2018 . Seite: 349
1. Entschließt sich der Stpfl., eine Investition zu tätigen, die letztlich nicht durchgeführt werden kann, weil sein Geschäftspartner ihm die - tatsächlich niemals gegebene - Lieferbarkeit des Investitionsobjekts in betrügerischer Absicht nur vorgespiegelt hat, is ...
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Vorsteuerabzug bei Anzahlungen
AktStR: Dr. Jörg Grune, Richter am FG, Hannover, 2018 S. 367: Vorsteuerabzug bei Anzahlungen Vorsteuerabzug bei Anzahlungen Dr. Jörg Grune, Richter am FG, Hannover Jahrgang: 2018 . Seite: 367 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. 1. Das Recht auf Vorsteuerabzug hinsichtlich der Leistung einer Anzahlung darf dem potenziellen Erwerber der betreffenden Gegenstände nicht versagt werden, wenn diese Anzahlung geleistet und vereinnahmt wurde und zum Zeitpunkt dieser Leistung alle maßgeblichen Elemente der zukünftigen Lieferung als dem Erwerber bekannt angesehen werden konnten und die Lieferung dieser Gegenstände daher sicher erschien. 2. Dem Erwerber darf ein solches Recht allerdings dann versagt werden, wenn anhand objektiver Umstände erwiesen ist, dass er zum Zeitpunkt der Leistung der Anzahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung dieser Lieferung unsicher war. 3. Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegen, nach denen die Berichtigung des Vorsteuerabzugs hinsichtlich einer für die Lieferung eines Gegenstands geleisteten Anzahlung voraussetzt, dass diese Anzahlung vom Lieferer zurückgezahlt wird. EuGH, Urt. 31.5.2018 - C-660/16 und C-661/16, DStR 2018, 1171 "Kollroß" und "Wirtl" ./. FA Göppingen I. Vorbemerkung 1. Besteuerung des (End-)Verbrauchs Durch den Vorsteuerabzug soll erreicht werden, dass der unternehmerische Verbrauch von Gütern und Dienstleistungen nicht endgültig mit USt belastet wird. Die USt soll für den Unternehmer nicht zum Kostenfaktor werden, sondern sich neutral auswirken ( unionsrechtliches Neutralitätsprinzip). Die USt-Belastung trifft also nur den sog. Endverbraucher. Wirtschaftlich wird durch den Vorsteuerabzug auf jeder Stufe nur der Umsatzanteil besteuert, der auf den Vorstufen noch nicht der Besteuerung unterlegen hat. Bei einem vollständigen Vorsteuerabzug sind daher die gelieferten Waren und ausgeführten Dienstleistungen insgesamt nur mit der Steuer belastet, die sich aus der Anwendung des maßgeblichen Steuersatzes ergibt. Bei dieser Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug ist es unerheblich, wie oder über wie viele Stufen der Umsatz gelaufen ist. 2. Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug Nach § 15 Abs. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug an folgende Voraussetzungen geknüpft: Das Empfangen einer Lieferung oder sonstigen Leistung Unternehmereigenschaft des Leistenden und des Leistungsempfängers Die Lieferung/sonstige Leistung muss für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt sein und ds Vorliegen einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, die im Übrigen die Vorgaben der §§ 14, 14a UStG erfüllt. 3. Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz Für den Vorsteuerabzug kommt es auf die Willensbildung des Leistungsempfängers an. Der Unternehmer ist nicht als solcher, sondern nur im Hinblick auf die von ihm erbrachten Leistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt. Entscheidend ist immer die beabsichtigte Verwendung der bezogenen Leistung für Zwecke besteuerter Umsätze. Dabei muss zwischen der Eingangsleistung und dem (beabsichtigten) Ausgangsumsatz ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Die Unternehmertätigkeit umfasst auch die vorbereitende Tätigkeit des Unternehmers. Alle in diesem sachlichen und zeitlichen Rahmen anfallenden Geschäftsvorfälle auf der Eingangsseite des Unternehmens können mit der auf ihnen lastenden USt grds. dem Vorsteuerabzug zugeführt werden. 4. Anzahlungen a) Vorsteuerabzug Oftmals wird für eine noch auszuführende Lieferung oder sonstige Leistung zwischen den Vertragsparteien eine Anzahlung (Vorauszahlung) vereinbart. Dann stellt sich ggfs. die Frage des Vorsteuerabzugs aus der Anzahlungsrechnung. Hierzu enthält § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 UStG folgende Regelung: "(...) Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist; (...)" Abweichend von den allgemeinen - o.a. - Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs kommt es bei der Anzahlungs- oder Vorauszahlungsrechnung auf die Zahlung des Rechnungsbetrags (Leistung der Zahlung) an. Entscheidend ist folgendes: Der Leistungsempfänger muss im Besitz einer den §§ 14, 14a UStG entsprechenden Rechnung sein und der Leistungsempfänger muss eine Zahlung erbringen, auf die ein in der Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag entfällt. Beispiel Der Unternehmer U 1 erteilt dem Unternehmer U 2 im Juni 2018 eine Vorauszahlungsrechnung über 5.000 EUR zzgl. 19% gesondert ausgewiesener USt von 950 EUR. U 2 entrichtet die Anzahlung erst im August 2018. Lösung Die beiden Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug bei Anzahlungen - Rechnung und Zahlung - liegen erst im August 2018 vor, sodass erst in der Voranmeldung für August 2018 der Vorsteuerabzug aus der Anzahlungsrechnung vorgenommen werden darf. Wird nicht der volle Anzahlungsbetrag entrichtet, beschränkt sich der Vorsteuerabzug nur auf den im gezahlten Betrag anteilig enthaltenen Steuerbetrag. b) Rechnungsvoraussetzungen bei Anzahlungen, § 14 Abs. 5 UStG Auch eine Rechnung, die über eine Anzahlung ausgestellt wird, muss die Pflichtangaben des § 14 Abs. 4 S.1 UStG enthalten. In vielen Fällen wird der genaue Zeitpunkt einer Lieferung bzw. sonstigen Leistung zum Zeitpunkt der Ausstellung der Anzahlungsrechnung (noch) nicht benannt werden können. Es reicht deshalb aus, wenn in diesem Fall der voraussichtliche Zeitpunkt der Lieferung oder der voraussichtliche Kalendermonat der Leistung angegeben wird. In jedem Fall muss sich aber aus der Anzahlungsrechnung ergeben, dass damit Anzahlungen abgerechnet werden. Der Unternehmer hat nach Auffassung der FinVerw in Abschn. 14.8. Abs. 7 UStAE diverse Möglichkeiten, wie er eine Endrechnung nach Vereinnahmumg von Teilentgelten zulässigerweise gestalten kann: Absetzung der einzelnen im Voraus vereinnahmten Teilentgelte und der auf sie entfallenden Steuerbeträge Absetzung des Gesamtbetrags der vorausgezahlten Teilentgelte und der Summe der darauf entfallenden Steuerbeträge Absetzung des Gesamtbetrags der Abschlagzahlungen Verzicht auf die Angabe des auf das restliche Entgelt entfallenden Steuerbetrags Beispiel 1 (Abschn. 14.8.Abs. 7 UStAE) (Absetzung des Gesamtbetrags der Anzahlungen) Entgelt insg. 1.500.000 EUR USt (19%) 285.000 EUR Gesamtpreis 1.785.000 EUR ./.Abschlagzahlungen 1.428.000 EUR Verbleibende Restzahlung 357.000 EUR Darin enthaltene USt (19%) 57.000 EUR In den Abschlagzahlungen enthaltene USt (19%) 228.000 EUR Beispiel 2 (Verzicht auf die Angabe des auf das restliche Entgelt entfallenden Steuerbetrags) Entgelt insg. 1.600.000 EUR USt (19%) 304.000 EUR Preis 1.904.000 EUR ./.Abschlagzahlungen Entgelt 1.300.000 EUR USt (19%) 247.000 EUR 1.547.000 EUR Verbleibende Restzahlung 357.000 EUR Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die durch vor Ausführung der Lieferung/sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Anzahlungen ordnungsgemäße Rechnungen ausgestellt worden sind. Beratungshinweis: Fehlende Berücksichtigung in der Endrechnung Werden - entgegen den Vorgaben in § 14 Abs. 5 S. 2 UStG - die im Voraus vereinnahmten Anzahlungen und die darauf entfallenden Steuerbeträge pflichtwidrig in der Endrechnung nicht abgesetzt, schuldet der leistende Unternehmer die dann überhöht ausgewiesenen Steuerbeträge nach § 14 c Abs. 1 UStG. c) Vorsteuerkorrektur bei Ausbleiben der Leistung Nachdem der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlungsrechnung geltend gemacht wurde, kann es später - aus unterschiedlichen Gründen - zu einem Ausfall der Lieferung oder sonstigen Leistung kommen. Hierzu hatte der EuGH in der RS "Firin" im Jahr 2014 entschieden, dass dann, wenn die Leistung nicht ausgeführt ist, grds. der Vorsteuerabzug zu berichtigen ist. Aufgrund einer Vorlage des BFH aus dem Jahre 2016 musste sich aktuell der EuGH erneut mit dieser Frage befassen. Dabei ging es vor allem auch darum, ob die in der RS "Firin" herausgestellten Grundsätze auch dann gelten, wenn der Leistungsempfänger unverschuldet die Leistung nicht erhält. 5. Vom EuGH zu entscheidende Rechtsfragen Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BFH hin hatte der EuGH über folgende Fragen zu befinden: Beurteilt sich der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten oder ist die Sicht des Anzahlenden nach den für ihn erkennbaren Umständen maßgebend? Ist es zulässig, die Berichtigung von Steuer und Vorsteuer gleichermaßen von einer Rückzahlung der Anzahlung abhängig zu machen? Muss die USt an den Anzahlenden erstattet werden, wenn er vom Anzahlungsempfänger die Anzahlung nicht zurückerhalten kann? II. EuGH, Urteil vom 31.5.2018 - C-660/16 u. C-661/16, DStR 2018, 1171 "Kollroß" und "Wirtl" ./. FA Göppingen 1. Sachverhalt Der Kl. bestellte am 10.4.2010 bei der X-GmbH ein Blockheizkraftwerk (BHKW). Die X-GmbH erteilte für den Liefergegenstand eine Vorausrechnung über 30.000 EUR mit einem gesonderten Steuerausweis über 5.700 EUR, insg. also über 35.700 EUR. Der Kl. meldete zeitgleich ein Gewerbe zur Erzeugung erneuerbarer Energien an und entrichtete die geforderte Anzahlung an die X-GmbH am 19.4.2010. Die Lieferung der Anlage unterblieb. Über das Vermögen der X-GmbH wurde in der Folge zunächst ein Insolvenzverfahren eröffnet, aber später mangels Masse eingestellt. Die für die X-GmbH handelnden Personen wurden wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in 88 Fällen und wegen vorsätzlichen Bankrotts zu Lasten der Käufer der BHKW, nicht aber wegen Steuerhinterziehung strafrechtlich verurteilt. Der Kl. machte für das Streitjahr 2010 den Vorsteuerabzug aus seiner Anzahlung geltend. Das FA versagte den Vorsteuerabzug und erließ eine Nullfestsetzung, gegen die der Kl. erfolglos Einspruch einlegte. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG hob hervor, dass der Kl. aus der Anzahlung zum Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 UStG berechtigt sei. Er habe beabsichtigt, unternehmerisch tätig zu werden. Eine ordnungsgemäße Anzahlungsrechnung liege vor. Die Absicht der X-GmbH, die Kunden zu betrügen, stehe dem Vorsteuerabzug nicht entgegen. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Kl. Bestellt bei der X-GmbH ein BHKW. Die X-GmbH erteilt eine Vorausrechnung über 30.000 EUR zzgl. 5.700 EUR USt, die der Kl. bezahlt. Der Kl. macht die gezahlte USt als Vorsteuer geltend. FA Versagt den Vorsteuerabzug und nimmt eine sog. "Nullfestsetzung" vor. FG Gibt der Klage statt. Die betrügerische Absicht der X-GmbH steht dem Vorsteuerabzug nicht entgegen. BFH Vorlage an den EuGH: Steht der Umstand, dass die Lieferung des BHKW nicht erfolgte, dem Vorsteuerabzug des Kl. entgegen? 2. Entscheidung und Begründung Der EuGH hat im Wesentlichen die Rechtsauffassung des Kl. bestätigt. Dafür waren folgende Erwägungen maßgebend: Art. 65 MwStSystRL sieht vor, dass der Steueranspruch bei Anzahlungen vor Erbringung der entsprechenden Leistung bereits mit der Vereinnahmung entsteht. Aus diesem Grund darf der Vorsteuerabzug hinsichtlich der Leistung einer Anzahlung dem potenziellen Erwerber grds. nicht versagt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Anzahlung geleistet und vom Anzahlungsempfänger vereinnahmt wird und zum Zeitpunkt der Zahlung alle maßgebenden Elemente der künftigen Lieferung als dem Erwerber bekannt angesehen werden können. Entscheidend ist, dass ihm die Lieferung sicher erschien. Der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung ist allerdings zu versagen, wenn anhand objektiver Umstände feststeht, dass der Leistungsempfänger zum Zeitpunkt der Bezahlung der Anzahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass diese Lieferung/Leistung voraussichtlich nicht erbracht/bewirkt wird. Im Streitfall liegen dafür keine Anhaltspunkte vor. Entscheidend für die Zulässigkeit des Vorsteuerabzugs ist weiter, dass die spätere Lieferung nicht aufgrund einer Steuerhinterziehung ausblieb. Im Streitfall handelte es sich jedoch um einen Anlagebetrug ("Schneeballsystem"), sodass die Lieferung aufgrund von außersteuerlichen Gründen nicht erfolgte. Schließlich war für den EuGH auch noch maßgebend, dass der Leistungsempfänger die Anzahlungen wegen der Insolvenz der X-GmbH nur schwer oder gar nicht zurückerhalten kann. Damit entfällt im Ergebnis eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs. III. Anmerkungen 1. Umsatzsteuerliche Behandlung von Anzahlungen nach nationalem und EU-Recht Erbringt der Unternehmer für eine noch auszuführende Leistung eine Anzahlung, richtet sich die Besteuerung in Deutschland nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) UStG : "Die Steuer entsteht 1. für Lieferungen und sonstige Leistungen a) bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist, (...)". Diese Regelung entspricht den Vorgaben des Unionsrechts in Art. 65 MwStSystRL : "Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag". Beratungshinweis: Verbindung der Anzahlung zu einer bestimmten künftigen Leistung Die Besteuerung einer Anzahlung setzt voraus, dass die Anzahlung in ausreichendem Maße mit einer bestimmten künftigen Leistung verknüpft ist. Der EuGH hat es so formuliert, "dass - alle maßgeblichen Elemente der künftigen Lieferung oder der künftigen Dienst- leistung bereits bekannt und - somit die Gegenstände oder die Dienstleistungen zum Zeitpunkt der Anzah- lung genau bestimmt sind." Im Besprechungsfall waren diese Vorgaben des EuGH erfüllt. In der Anzahlungsrechnung waren die Gegenstände der Lieferung (das BHKW) klar bezeichnet. Die Anzahlung einschl. der USt hatte der Vertragspartner des Leistungsempfängers - die X-GmbH - vereinnahmt und die USt an das zuständige FA abgeführt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass entspr. dem Neutralitätsprinzip dem Leistungsempfänger (also dem potenziellen Erwerber des Gegenstands) der Vorsteuerabzug nicht versagt werden darf. Hierbei ist auf den Zeitpunkt der Leistung der Anzahlung abzustellen. Beratungshinweis: Unschädlichkeit des fehlenden Lieferzeitpunkts Im Besprechungsfall stand offenbar der (vermeintliche) Lieferzeitpunkt nicht fest. Dies ist für die Frage des Vorsteuerabzugs jedoch unerheblich, weil die übrigen "maßgeblichen Elemente" der Lieferung feststanden. 2. Versagung des Vorsteuerabzugs Sowohl die Vorlagefragen des BFH als auch das Urt. des EuGH beschäftigen sich ausführlich mit den Bemerkungen des EuGH in der RS "Firin". Dort hatte der EuGH entschieden, dass der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlungs-/Vorauszahlungsrechnung entfällt, wenn der Eintritt des Steuertatbestands zum Zeitpunkt der Zahlung "unsicher" ist. Die erste Vorlagefrage des BFH befasst sich demgemäß damit, ob das Kriterium der Unsicherheit nach der objektiven Sachlage oder aus der (objektivierten) Sicht des Anzahlenden zu beurteilen ist. Mit der zweiten Vorlagefrage wollte der BFH wissen, ob die Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus einer Anzahlung davon abhängig gemacht werden darf, dass der Anzahlende die Anzahlung von seinem Vertragspartner zurückerhalten hat. a) Versagung des Vorsteuerabzugs wegen "unsicherer" Leistung Der EuGH hat sich im Besprechungsfall klar positioniert: Alle maßgeblichen Elemente der zukünftigen Lieferung konnten als dem Erwerber bekannt angesehen werden, so dass die Lieferung als sicher erschien. Nur wenn anhand objektiver Umstände erwiesen ist, dass der Erwerber zum Zeitpunkt der Anzahlung wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass diese Leistung voraussichtlich nicht erbracht wird, darf der Vorsteuerabzug versagt werden. Der EuGH macht dies daran fest, dass er auf die finanziellen Folgen für den Erwerber hinweist: Wer würde schon einen erheblichen Geldbetrag (hier: 35.700 EUR) bezahlen, wenn er wüsste oder grob fahrlässig nicht weiß, dass die Lieferung ungewiss ist? Darüber hinaus war für den EuGH von Bedeutung, dass die spätere Lieferung des BHKW nicht aufgrund einer Steuerhinterziehung ausblieb, denn offenkundig hatte die X-GmbH die vereinnahmte USt an ihr zuständiges FA entrichtet. Der EuGH verweist demgemäß darauf, dass die Lieferung aufgrund eines umfassenden Anlagebetrugs (§ 263 StGB) unterblieb, also aus außersteuerlichen Gründen, die weder mit der Zahlung der USt noch mit dem Vorsteuerabzug etwas zu tun hatten. b) Keine Pflicht zur Berichtigung der Vorsteuer Das Ausbleiben der Leistung führte im Besprechungsfall nicht zu einer Verpflichtung des Stpfl. zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Das deutsche Recht erfordert eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in derartigen Fällen nur, wenn der Anzahlende eine Rückzahlung vom vermeintlich Leistenden erhalten hat. Dies ist aus Sicht des EuGH mit dem Unionsrecht vereinbar. Der EuGH begründet dies unter Hinweis auf die RS Reemtsma Cigarettenfabriken. Beratungshinweis: Erstattungsanspruch ggü. dem FA In den Fällen, in denen mangels eines stpfl. Umsatzes fälschlicherweise USt in Rechnung gestellt worden war, hat der Lieferer nach Meinung des EuGH in der Besprechungsentscheidung einen Anspruch auf Erstattung zu Unrecht gezahlter USt-Beträge gegen das zuständige FA. Außerdem muss der Erwerber der Gegenstände eine Klage gegen diesen Lieferer erheben, um von diesem eine Erstattung zu erlangen. Ist eine solche Klage unmöglich (z.B. wegen Zahlungsunfähigkeit des Lieferers) kann der Erwerber seinen Anspruch unmittelbar an das FA richten. Diese Rechtsgrundsätze überträgt der EuGH auf die Vorsteuerberichtigung: Hat der (vermeintlich) Leistende zu Unrecht USt in Rechnung gestellt, und ist es dem (vermeintlichen) Leistungsempfänger unmöglich oder übermäßig erschwert, diesen Steuerbetrag von seinem Vertragspartner zurückzuerhalten (z.B. wegen Zahlungsunfähigkeit/Insolvenz), so steht dem Leistungsempfänger im Wege des Vorsteuerabzugs ein Anspruch gegen die Steuerbehörde zu. Keine Berichtigungspflicht Der EuGH weist darauf hin, dass es unangemessen wäre, die Erwerber zu verpflichten, den Vorsteuerabzug zu berichtigen und anschließend von den Steuerbehörden die Erstattung der auf die fraglichen Anzahlungen entrichteten USt einzuklagen. Zur "Abkürzung" dieses Verfahrens verbleibt der Vorsteuerabzug, ohne dass eine Berichtigung vorzunehmen ist. IV. Fazit Das Urt. des EuGH ist zu begrüßen. Es beinhaltet die logische Fortsetzung, aber auch Klarstellung der Entscheidungen in den RS "Firin" und "Reemtsma Cigarettenfabriken". Im Ergebnis konnten die Kläger Kollroß und Wirtl den Vorsteuerabzug aus den Anzahlungen beanspruchen. Dies galt aber nur deshalb, weil sie offensichtlich keine Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis vom Anlagebetrug ihrer Vertragspartner hatten. Sodann prüft der EuGH - systematisch völlig richtig - die Frage, ob eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in Betracht kommt. Diese scheiterte vorliegend an der Zahlungsunfähigkeit/Insolvenz der (vermeintlich) leistenden Unternehmer. Einmal mehr macht der EuGH deutlich: Redliche Unternehmer sind schützenswert und sollen nicht mit USt belastet werden und von der Vorsteuer entlastet bleiben. Nachgebildet dem Beispiel von Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl. 2017, S. 1064 Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl. 2017, S. 1063 Ossinger/Timm, in: Esskandari u.a., Praktiker-Kommentar Umsatzsteuer, § 14 Rz 200 Abschn. 14.8. Abs. 1 S.1 UStAE Grune, in: Küffner/Stöcker/Zugmaier, UStG, § 14 Rz 152 Abschn. 14.8.Abs. 10 S. 1 UStAE; dazu auch Lippross, Umsatzsteuer, 24 Aufl. 2017, S. 967; Grune, in: Küffner/Stöcker/Zugmaier, UStG, § 14 Rz 153 EuGH, Urt. v. 13.3.2014 - C-107/13 - Firin, DB 2014, 812 BFH-Beschl. v. 21.9.2016 - V R 29/15, BFH/NV 2017, 243 Der BFH hatte die ertragsteuerliche Behandlung der entstehenden Verluste i.R.d. Verfahrens X R 10/16 zu beurteilen, vgl. hierzu eingehend den Beitrag von Kaminski, AktStR 2018, 349 (in diesem Heft) Der EuGH hat die Verfahren "Kolroß" und "Wirtl" miteinander verbunden. Da die Sachverhalte im Wesentlichen identisch sind, wird im Folgenden lediglich der Fall "Kollroß" behandelt. FG München, Urt. v. 16.7.2015 - 14 K 277/12, EFG 2015, 1992 Hervorhebungen erfolgten durch den Verfasser Hervorhebungen erfolgten durch den Verfasser EuGH, Urt. v. 21.2.2006 - C-419/02, BFH/NV 2006, 273 - BUPA Hospitals und Goldsborough Developments; so auch der BFH in st. Rspr., vgl. BFH-Urt. v. 15.9.2011 - V R 36/09, BStBl II 2012, 365; Abschn. 13.6. Abs. 3 S. 2 UStAE EuGH, Urt. v. 31.5.2018 - C-660/16, DStR 2018, 1171 Rn 42, 44 Mann, Umsatzsteuer direkt digital Nr. 11/2018, S. 11 f. Kritisch zu den Vorlagen des BFH Reiß, MwStR 2018, 372 ff EuGH, Urt. v. 15.3.2007 - C-35/05 - Reemtsma Cigarettenfabriken, IStR 2007, 261 Unklar bleibt bei dieser Entscheidung des EuGH, ob und in welcher Form ggfs. § 14 c Abs. 2 UStG (unberechtigter Ausweis der USt) einschlägig sein könnte. Darauf weist Reiß, MwStR 2018, 372, 377 m.E. zutreffend hin. EuGH, Urt. v. 15.3.2007 - C-35/05 - Reemtsma Cigarettenfabriken, IStR 2007, 261 Rn 39, 41, 42 EuGH, Urt. v. 13.3.2014 - C-107/13 - Firin, DStR 2014, 650 EuGH, Urt. v. 15.3.2007 - C-35/05 - Reemtsma Cigarettenfabriken, IStR 2017, 261 Streit, in: kmlz-newsletter 23/2018, S. 2 abrufbar unter www.kmlz.de
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Abzug der Aufwendungen eines nebenberuflich als Sporttrainer tätigen Übungsleiters
Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
Jahrgang: 2018 . Seite: 381
Erzielt ein Sporttrainer, der mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig ist, steuerfreie Einnahmen unterhalb des sog. Übungsleiterfreibetrags nach § 3 Nr. 26 EStG, kann er die damit zusammenhängenden Aufwendungen insoweit abziehen, als sie die Einnahmen übersteigen. BFH-Urt. v. 20.12.2017 - III R 23/15, BF ...
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Wirtschaftliches Eigentum bei Sale-and-lease-back-Gestaltungen
Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Jahrgang: 2018 . Seite: 391
Wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO des Leasingnehmers an dem Leasingobjekt kommt nicht in Betracht, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes länger als die Grundmietzeit ist und dem Leasinggeber ein Andienungsrecht ...
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Zurückbehalt wesentlicher Betriebsgrundlage bei Einbringung
Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
Jahrgang: 2018 . Seite: 407
Eine nach § 20 UmwStG 2002 begünstigte BW-Einbringung setzt voraus, dass auf den übernehmenden Rechtsträger alle WG übertragen werden, die im Einbringungszeitpunkt zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen des betreffenden Betriebes gehören. BFH-Urt. v. 29.11.2017 - I R 7/16, BFH/NV 2018, 810 I. Vorbemerkungen 1. Inhalt ...
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Bewertung der Einlage wertgeminderter Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG
Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
Jahrgang: 2018 . Seite: 421
1. Die Einlage einer Beteiligung i.S.d. § 17 EStG, deren Wert unter die AK gesunken ist, ist mit den AK zu bewerten. 2. Die Grundsätze zur Bewertung der Einlage wertgeminderter Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG in ein BV sind entspr. auf die Bewertung der Einlage solcher wertgeminderten Forderungen aus Gesellschafterdarlehen anzuwe ...
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Zeitpunkt der Entstehung eines Auflösungsverlusts bei Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 17 Abs. 4 EStG)
Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2018 . Seite: 433
Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, entsteht ein Auflösungsverlust nicht zu dem Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. BFH-Urt. v. 13.3.2018 - IX R 38/16, BFH/N ...
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Voraussetzungen für die pauschale Besteuerung bei Bonusprogrammen (§ 37 b EStG)
Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2018 . Seite: 441
1. Die Pauschalierung der ESt nach § 37 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erfasst nur Zuwendungen, die bei den Zuwendungsempfängern zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften führen. 2. Weiter setzt § 37 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG die betriebliche Veranlassung der Zuwendungen voraus und fordert darüber hinaus, ...
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Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften
Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
Jahrgang: 2018 . Seite: 451
Schenkungen unter Beteiligung von KapG oder Genossenschaften Gleichlautender Ländererlass v. 20.4.2018, BStBl I 2018, 632 I. Vorbemerkungen Die Leistungsbeziehungen zwischen einem Gesellschafter, der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern sind steuerrechtlich stets problematisch. Bei PersG gilt nach einhelliger Auffassung von Rspr. und ...
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