AktStR
Vorschriften
Rechtsprechung
Über das AktStR
Heft-Nr.
2 / 2024 (1)
Rubrik
AktStR-Themen (1)
Rechtsgebiet
ErbStG (1)
Keine doppelte Berücksichtigung von einmaligem Aufwand
Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2020 . Seite: 471
Bestandskräftig zu Unrecht als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand geltend gemachte Anschaffungskosten führen zu einer Minderung des AfA-Volumens und stehen insoweit einer Weiterführung der AfA entgegen. BFH-Urt. v. 28.4.2020 - IX R 14/19, DStR 2020, 1715 I. Vorbemerkungen 1. Abschreibung - Bemessungsgrundlage und Volumen Bei WG, deren Nutzung s ...
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Notfallpraxis und häusliches Arbeitszimmer
Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf
Jahrgang: 2020 . Seite: 479
Ist bei einem in die häusliche Sphäre eingebundenen Raum, der als Behandlungsraum eingerichtet ist und der nachhaltig zur Behandlung von Patienten genutzt wird, aufgrund seiner Einrichtung und tatsächlichen Nutzung eine private (Mit-)Nutzung praktisch auszuschließen, begründet allein der Umstand, dass die Patienten den Behandlungsraum nur über einen dem privat ...
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Wärmeenergie als Wirtschaftsgut - Sachentnahme durch Beheizen des Wohnhauses mit selbst erzeugter Wärmeenergie - Teilwert bei sog. Kuppelerzeugnissen
Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Jahrgang: 2020 . Seite: 493
1. Die Wärmeenergie verselbstständigt sich zu einem eigenen Wirtschaftsgu ...
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Anwendungsschreiben zur Sonderabschreibung für die Anschaffung oder Herstellung neuer Mietwohnungen nach § 7 b EStG
Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Jahrgang: 2020 . Seite: 509
Anwendungsschreiben zur Sonderabschreibung für die Anschaffung oder Herstellung neuer Mietwohnungen nach § 7 b EStG BMF-Schr. v. 7.7.2020 - IV C 3 - 2 2197/ ...
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Kein Übergang von Verlusten i.S.d. § 2 a Abs. 1 EStG auf Erben
Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2020 . Seite: 529
Verbliebene negative Einkünfte des Erblassers aus der Vermietung eines Hauses in der Schweiz i.S.d. § 2 a Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Buchst. a, S. 5 EStG gehen nicht im Wege der Erbfolge auf den Erben über. BFH-Urt. v. 23.10.2019 - I R 23/17, DStR 2020, 1358 I. Vorbemerkungen 1. Verlustausgleichsverbote und -einschränkungen Die Berücksicht ...
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Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer: Zufluss von Tantiemen bei verspäteter Feststellung des Jahresabschlusses
AktStR: Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf, 2020 S. 543: Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer: Zufluss von Tantiemen bei verspäteter Feststellung des Jahresabschlusses Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer: Zufluss von Tantiemen bei verspäteter Feststellung des Jahresabschlusses Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf Jahrgang: 2020 . Seite: 543 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. Eine verspätete Feststellung des Jahresabschlusses nach § 42 a Abs. 2 GmbHG führt auch im Falle eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht per se zu einer Vorverlegung des Zuflusses einer Tantieme auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung des Jahresabschlusses eingetreten wäre. BFH-Urt. v. 28.4.2020 - VI R 44/17, DStR 2020, 1902 I. Vorbemerkungen 1. Grundsätzliches Abweichend vom Zu- und Abflussprinzip (§ 11 EStG) gilt für die Erfassung von Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit § 38 a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG. Hierbei ist zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen zu unterscheiden. Laufender Arbeitslohn gilt in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet. Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird ( sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. 2. Laufender Arbeitslohn Laufender Arbeitslohn ist der Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, insb.: Monatsgehälter, Wochen- und Tagelöhne, Mehrarbeitsvergütungen, Zuschläge und Zulagen, geldwerte Vorteile insb. aus der ständigen Überlassung von Dienstwagen zur privaten Nutzung, Nach- und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden, Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt. Beratungshinweis: Bezug von Arbeitslohn § 38 a Abs. 1 S. 2 EStG bestimmt den Lohnzahlungszeitraum, in dem der laufende Arbeitslohn als bezogen gilt. Diese Rechtsvorschrift fingiert jedoch keinen Arbeitslohn. Die Frage, in welchem Lohnzahlungszeitraum der laufende Arbeitslohn zu erfassen ist, stellt sich nur, wenn dem Arbeitnehmer der laufende Arbeitslohn auch tatsächlich zufließt. Auch nur dann ist vom Arbeitgeber ein LSt-Abzug vorzunehmen. Alleine das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten löst keinen Zufluss von Arbeitslohn aus. Arbeitslohn fließt mit Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu; dies ist i.d.R. der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs oder der Möglichkeit, den Leistungserfolg herbeizuführen. Hiernach sind z.B. Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto (Arbeitszeitkonten) zur Finanzierung eines vorzeitigen Ruhestands auch bei einem Fremd-GF einer GmbH kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn. Erst die Auszahlung während der Freistellungsphase gilt als Zufluss und löst die Besteuerung aus. Bei lohnsteuerlicher Anerkennung liegt keine vGA vor. Arbeitszeitkonten bei beherrschenden Ges.-GF werden jedoch lohn-/einkommensteuerlich nicht anerkannt. Entsprechende Rückstellungen der Gesellschaft führen zum Vorliegen einer vGA. 3. Sonstiger Bezug Ein sonstiger Bezug ist der Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Zu den sonstigen Bezügen gehören insb. einmalige Arbeitslohnzahlungen, die neben dem laufenden Arbeitslohn gezahlt werden, z.B.: dreizehnte und vierzehnte Monatsgehälter, einmalige Abfindungen und Entschädigungen, Gratifikationen und Tantiemen, die nicht fortlaufend gezahlt werden, Jubiläumszuwendungen, Urlaubsgelder, die nicht fortlaufend gezahlt werden, und Entschädigungen zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs, Vergütungen für Erfindungen, Weihnachtszuwendungen, Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden, oder, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt, Ausgleichszahlungen für die in der Arbeitsphase erbrachten Vorleistungen auf Grund eines Altersteilzeitverhältnisses im Blockmodell, das vor Ablauf der vereinbarten Zeit beendet wird, Zahlungen innerhalb eines Kalenderjahres als viertel- oder halbjährliche Teilbeträge. Beratungshinweis: Bezug bei Zahlung Liegt ein sonstiger Bezug vor, bedarf es der engen Zusammenarbeit zwischen der Finanzbuchhaltung und der Lohnabteilung, da der sonstige Bezug mit Zahlung und eben nicht mit Abrechnung zufließt. Durch das Abstellen auf den Zuflusszeitpunkt können sich auch steuerliche Vorteile, wie z.B. aus der Reduzierung des SolZ ab dem VZ 2021, ergeben. 4. Zufluss(fiktion) von Gehaltsbestandteilen bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft In den letzten Jahren hat sich die Rspr. verstärkt zur lohnsteuerlichen Behandlung bestimmter Gehaltsbestandteile eines Ges.-GF einer KapG geäußert, die im Anstellungsvertrag vereinbart, aber tatsächlich nicht ausgezahlt wurden. Grundsätzlich lässt sich auch bei den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) kein Zufluss fingieren. Eine Ausnahme macht die Rspr. bei beherrschenden Gesellschaftern einer KapG. Sie löst sich vom tatsächlichen Zufluss und unterstellt u.U. einen Zufluss ( Zuflussfiktion). Von dieser Zuflussfiktion werden nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die KapG den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung ihres Einkommens ausgewirkt haben bzw. - nach Auffassung der FinVerw - sich hätten gewinnmindernd auswirken müssen. Keine Einnahmen fließen zu, wenn der Gläubiger (Gesellschafter) ggü. dem Schuldner (Gesellschaft) auf bestehende oder künftige Ansprüche ohne Ausgleich verzichtet und dadurch selbst eine Vermögenseinbuße erleidet. Etwas anderes gilt nur, wenn der verzichtende Gesellschafter den Erlass gewährt und dadurch eine ( verdeckte) Einlage leistet. Denn hierdurch erleidet er keine Vermögenseinbuße, sondern bewirkt eine Umschichtung seines Vermögens. Gesellschafter können eine verdeckte Einlage in die KapG durch den Verzicht auf eine Forderung im eigenwirtschaftlichen Interesse bewirken (Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis). Beratungshinweis: Ausnahme - Entstehung und Verzichtszeitpunkt Für die Frage, ob ein Zufluss einer Vergütung beim Gesellschafter und ggf. auch eine verdeckte Einlage des Gesellschafters in die KapG vorliegt, kommt es entscheidend darauf an, wann der Anspruch des Ges.-GF entstanden ist und ob er vor oder nach Entstehen seines Anspruchs auf diesen verzichtet hat. Nur falls im Vorhinein - vor Entstehung des jeweiligen Gehaltsanspruchs - hierauf (nachweislich) verzichtet wird, kommt es nicht zu einer Vermögensmehrung bei der GmbH. Andernfalls - bei Verzicht im Nachhinein - hätte die KapG zunächst jeweils Gehaltsbestandteile passivieren müssen. Eine unzutreffende Bilanzierung kann nicht zur Vermeidung eines Zuflusses oder einer verdeckten Einlage führen. 5. Zu beantwortende Rechtsfragen Der BFH musste nunmehr die folgenden Rechtsfragen entscheiden: Fließt dem Ges.-GF ein Vermögensvorteil bereits bei Fälligkeit zu, sofern die KapG zum Zeitpunkt der Fälligkeit zahlungsfähig ist? Stellt die KapG ihren Jahresabschluss verspätet fest, ist die Forderung dann zu dem Zeitpunkt als fällig anzusehen, zu dem sie fällig gewesen wäre, wenn der Jahresabschluss fristgerecht festgestellt worden wäre? Ist ein Verlustrücktrag bei der Berechnung der Tantiemenhöhe zu berücksichtigen, selbst wenn dies in der Tantiemenregelung nicht ausdrücklich vorgesehen ist? II. BFH-Urt. v. 28.4.2020 - VI R 44/17, DStR 2020, 1902 1. Sachverhalt Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 2009 zur ESt zusammen veranlagt. Der Kläger war im Streitjahr zu 51 % Gesellschafter sowie GF der im Juni 1995 gegründeten A-GmbH. Weiterer Anteilseigner mit 49 % und ebenfalls GF der A-GmbH war der Bruder des Klägers, Herr P. Außerdem war der Kläger Alleingesellschafter und GF der im Februar 1979 gegründeten B-GmbH. Für seine Tätigkeit für die A-GmbH erhielt der Kläger 2009 ein GF-Gehalt i.H.v. 157.969 EUR. Für seine Tätigkeit für die B-GmbH erhielt der Kläger 2009 ein GF-Gehalt i.H.v. 208.705 EUR. Mit GF-Verträgen vom 2.1.1996 bzw. 31.5.1996 gewährten die A-GmbH und die B-GmbH ihren GF neben dem monatlichen Festgehalt Tantiemen. Diese waren jeweils vom Jahresüberschuss der HB nach Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der KSt und GewSt zu berechnen und einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. Zum 31.12.2008 wurden in der Bilanz der A-GmbH für jeden GF Tantiemen i.H.v. jeweils 160.984 EUR passiviert. In der Bilanz der B-GmbH zum 31.12.2008 wurde zugunsten des Klägers eine Tantieme i.H.v. 160.260 EUR als sonstige Rückstellung ausgewiesen. Die Bilanzen der A-GmbH und der B-GmbH wurden im Dezember des Streitjahres festgestellt. Die Tantiemen wurden weder im Streitjahr 2009 noch in den Folgejahren ausgezahlt. Im Jahr 2011 wurden sie jeweils auf das Konto 1701 "sonstige Verbindlichkeiten" umgebucht. Im Streitjahr erlitten die A-GmbH und die B-GmbH Verluste, die jeweils nach 2008 zurückgetragen wurden. Ausweislich der Bilanzakten der A-GmbH und der B-GmbH erfolgte bis 2014 bei der A-GmbH bzw. bis 2013 bei der B-GmbH keine (teilweise) den Gewinn erhöhende Auflösung der Tantieme-Verbindlichkeiten. Erträge aus der Auflösung von Verbindlichkeiten ggü. den Gesellschaftern waren in den GuV der A-GmbH bis 2014 bzw. bis 2013 bei der B-GmbH nicht enthalten. Das Finanzamt erließ nach einer LSt-Außenprüfung einen geänderten ESt-Bescheid für 2009, in dem der Bruttoarbeitslohn um die Tantiemen erhöht wurde. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, dass sich die Verlustrückträge auf die Tantiemeberechnung rückwirkend auswirkten. Die Tantiemen reduzierten sich daher auf 60.783 EUR und 88.072 EUR. Das FG Rheinland-Pfalz ist dem nicht gefolgt. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahr 2009 Kläger Zusammenveranlagte Ehegatten. Der Ehemann erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 157.969 EUR (A-GmbH) und 208.705 EUR (B-GmbH). Der Kläger war im Streitjahr zu 51 % Gesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH. Weiterer Anteilseigner und ebenfalls GF der A-GmbH war der Bruder des Klägers. Der Kläger war außerdem Alleingesellschafter und GF der B-GmbH. Nach den GF-Verträgen gewährte die jeweilige GmbH neben dem monatlichen Festgehalt Tantiemen. Diese waren jeweils vom Jahresüberschuss der HB nach Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der KSt und GewSt zu berechnen und einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. In der Bilanz der A-GmbH zum 31.12.2008 wurde zugunsten des Klägers eine Tantieme i.H.v. 160.984 EUR und in derjenigen der B-GmbH eine Tantieme i.H.v. 160.260 EUR als sonstige Rückstellung ausgewiesen. Die Bilanzen der A-GmbH und der B-GmbH wurden im Dezember des Streitjahres festgestellt. Die Tantiemen wurden weder im Streitjahr noch in den Folgejahren ausgezahlt. In 2009 erlitten die A-GmbH und die B-GmbH Verluste, die ertragsteuerlich in das Wirtschaftsjahr 2008 zurückgetragen wurden. Finanzamt Das Finanzamt erhöhte den Bruttoarbeitslohn des Klägers um die Tantiemen. FG Rheinland-Pfalz Die Klage gegen den geänderten ESt-Bescheid war unbegründet. 2. Entscheidung und Begründung des BFH Der BFH schloss sich der Entscheidung der Vorinstanz nicht an. Er hat die Rev. des Klägers aus folgenden Erwägungen als begründet angesehen: Die vom BFH zugelassene Zuflussfiktion hinsichtlich von Einnahmen des beherrschenden Ges.-GF bei Fälligkeit (auch ohne Zahlung oder Gutschrift) erfasst nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen, die die KapG dem beherrschenden Gesellschafter schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der KapG ausgewirkt haben. Enthält die Satzung/der GF-Vertrag eine bindende Regelung über eine spätere Fälligkeit des Anspruchs (hier: ein Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses), ist es gerechtfertigt, hierauf abzustellen. Ob im Hinblick auf § 42 AO etwas anderes gilt, wenn der beherrschende Gesellschafter durch die Nichtbeachtung der gesetzlichen Pflicht zur rechtzeitigen Feststellung des Jahresabschlusses gem. § 42 a Abs. 2 GmbHG zielgerichtet die Fälligkeit eines ihm zustehenden Tantiemeanspruchs und damit den Zeitpunkt der Versteuerung der Tantieme hinauszögert, braucht der BFH nicht zu entscheiden. Ein noch nicht existenter Jahresabschluss kann auch dann keine Grundlage für etwaige Ansprüche eines Gesellschafters gegen die GmbH sein, wenn es sich um den beherrschenden Gesellschafter handelt. III. Anmerkungen 1. Feststellung des Jahresabschlusses Die Gesellschafter haben spätestens bis zum Ablauf der ersten acht Monate oder, wenn es sich um eine kleine bzw. kleinste Gesellschaft handelt, bis zum Ablauf der ersten elf Monate des Geschäftsjahrs über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung zu beschließen. Der Gesellschaftsvertrag kann diese Frist nicht verlängern. Beratungshinweis: Keine Fristverlängerung infolge Corona Trotz der Corona-Krise ist nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge keine Verlängerung dieser gesetzlichen Feststellungsfristen geplant. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber Forderungen nach Verlängerung aufgreifen wird. Die Einteilung einer Gesellschaft in eine bestimmte Größenklasse richtet sich gem. §§ 267, 267a HGB nach dem Überschreiten folgender Schwellenwerte, die durch das BilRUG angepasst wurden: Bilanzsumme bis zu Umsatzerlöse bis zu Arbeitnehmer bis zu Kleinst-KapG 350.000 EUR 700.000 EUR 10 Kleine KapG 6 Mio. EUR 12 Mio. EUR 50 Mittelgroße KapG 20 Mio. EUR 40 Mio. EUR 250 Von den drei Kriterien müssen jeweils zwei in zwei aufeinander folgenden Jahren erfüllt sein. Dies müssen jedoch nicht die gleichen Kriterien sein. Das HGB bestimmt, dass KapG ihren Jahresabschluss für das vergangene Geschäftsjahr in den ersten drei Monaten des neuen Geschäftsjahres aufstellen müssen. Kleine KapG haben dafür maximal sechs Monate Zeit. Sanktionen bei Verletzung der Aufstellungsfrist existieren nicht. Sanktionen nach dem HGB ergeben sich erst dann, wenn durch die verspätete Aufstellung auch die Offenlegungspflicht nicht eingehalten werden kann, was wegen der Jahresfrist des § 325 Nr. 1 a S. 1 HGB i.d.R. zum Jahresende 2020 ein Thema wird. Beratungshinweis: Unternehmen in der Krise Befindet sich das Unternehmen in einer Krise, fordert die höchstrichterliche Rspr. unabhängig von der Größe der Gesellschaft deutlich verkürzte Aufstellungsfristen. Die Aufstellung hat in diesem Fall unverzüglich nach dem Stichtag des Jahresabschlusses zu erfolgen, wobei als angemessener Aufstellungszeitraum i.d.R. eine maximale Zeitspanne von 2 bis 3 Monaten anzusehen sein wird. Es ist allerdings auch zu beachten, dass die Umstände des Einzelfalls, also insb. das Ausmaß der wirtschaftlichen Schieflage sowie das Interesse der Gläubiger an einer unverzüglichen Bestimmung der Vermögens- und Finanzlage durch das Krisenunternehmen, die Dauer des ordnungsgemäßen Aufstellungszeitraums bestimmen. Der Einhaltung der krisenbezogen verkürzten Aufstellungsfrist kommt eine besondere Bedeutung zu, da Verstöße gegen die gebotene zeitnahe Ermittlung der Vermögensverhältnisse im Falle einer späteren Insolvenz des Unternehmens auch strafrechtliche Sanktionen für die dafür Verantwortlichen nach sich ziehen können. Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags aufGrund des Merkmals der Überschuldung ist infolge der Corona-Pandemie bis zum 31.12.2020 ausgesetzt worden. In den Fällen der Zahlungsunfähigkeit ist nach dem 1.10.2020 wieder regulär ein Insolvenzantrag zu stellen. 2. Tantieme und Arbeitslohnzufluss a) Tatsächlicher Zufluss vs. Zuflussfiktion Die als Arbeitslohn zu qualifizierende Tantieme ist als sonstiger Bezug grds. im Zuflusszeitpunkt zu erfassen. Aufgrund der bei beherrschenden Ges.-GF geltenden Zuflussfiktion fließt die unbestrittene Forderung bereits mit Fälligkeit zu. Beratungshinweis: Zufluss könnte gestaltet werden Hintergrund für die Fälligkeitsfiktion, die die ständige BFH-Rspr. seit Jahren vertritt, ist, dass es der beherrschende Gesellschafter selbst in der Hand hat, zu welchem Zeitpunkt er die eindeutigen, unbestrittenen Beträge auszahlt. Hieran hält auch die Rezensionsentscheidung fest. b) Fälligkeit der Tantiemenzahlung nach Feststellung des Jahresabschlusses Der Anspruch auf eine Tantieme wird erst mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig. Die Vertragsparteien haben aber die Möglichkeit, eine andere und zwar spätere Fälligkeit im Anstellungsvertrag zu vereinbaren. Diese muss dann zivilrechtlich wirksam und fremdüblich sein. Beratungshinweis: Erfordernis der Fremdüblichkeit Im Hinblick auf die Fremdüblichkeit sollten die Vereinbarungen regelmäßig geprüft werden. Gerade im Hinblick auf den bevorstehenden Jahreswechsel bietet sich dies an. Eine zeitlich nach hinten verschobene Fälligkeit wird von der Rspr. zugelassen, weil die Gesellschaft üblicherweise bei höheren Tantiemenzahlungen Zeit benötigt, um die Liquidität für die Auszahlung bereitstellen zu können. Dies gilt gerade in Corona-Zeiten. Beratungshinweis: Angemessene Fristen Im Entscheidungsfall war die Tantieme einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. Der BFH sieht eine solche Zeitspanne als angemessen an; eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt hierin nicht. Auch drei Monate dürften (noch) keine unangemessen lange Zeitspanne sein. c) Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer Die Zuflussfiktion kommt bei beherrschenden Gesellschaftern/GF zur Anwendung. Dazu ist grds. die Mehrheit der Stimmrechte (nicht unbedingt die Kapitalmehrheit) erforderlich. Im Entscheidungsfall war der Kläger zu 51 % an der A-GmbH beteiligt und Geschäftsführer. Zudem war er alleiniger Ges.-GF der B-GmbH. Die Stimmrechte entsprachen der Kapitalbeteiligung. Bei einem Gesellschafter, der mehr als 50 % der Stimmrechte hält, handelt es sich um einen beherrschenden Gesellschafter. Dies war in der Rezensionsentscheidung unstrittig. An der A-GmbH war der Bruder des Klägers zu 49 % beteiligt. Ein Gesellschafter, der nicht mehr als 50 % der Geschäftsanteile hält, kann nach ständiger Rspr. einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt werden, wenn er mit anderen - gleichgerichtete materielle, d.h. finanzielle, Interessen verfolgenden - Gesellschaftern zusammen wirkt, um eine ihren Gesellschaftsinteressen entsprechende Willensbildung der KapG herbeizuführen. Allein der Umstand, dass die Gesellschafter Eheleute sind, kann eine Vermutung gleichgerichteter materieller Interessen allerdings nicht begründen. Dies muss erst recht für Verwandte - hier Brüder - gelten. Beratungshinweis: Betrachtungszeitraum Nach Auffassung des BFH ist für die Frage der Beherrschung auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts abzustellen. Auch in einer aktuellen Entscheidung in einem Parallelverfahren, welches offensichtlich von dem Bruder des Klägers der Rezensionsentscheidung geführt wurde, hat sich der BFH - da nicht entscheidungserheblich - nicht näher dazu äußern müssen, wann die Anteile mehrerer Gesellschafter wegen gleichgerichteter Interessen zusammenzurechnen sind. Stellt man bei Dauerschuldverhältnissen - wie es das FG Rheinland-Pfalz als Vorinstanz meinte - nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern auf den Zeitpunkt der Gewährung des Vorteils ab, können Gesellschafter im Laufe der Zeit in die beherrschende Stellung hinein- oder herauswachsen. d) Beherrschender Gesellschafter: Verspätete Jahresabschlussfeststellung und Zuflussfiktion Die verspätete Feststellung des Jahresabschlusses wirkt sich nach der neuen Auffassung des BFH auf die Zuflussfiktion aus. Wird der Jahresabschluss verspätet festgestellt, wird bislang von einem Zufluss ausgegangen, der bei Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung des Jahresabschlusses eingetreten wäre. Dies hat der BFH in der Rezensionsentscheidung jedoch abgelehnt. Nach Auffassung des VI. Senats kann ein noch nicht existierender Jahresabschluss keine Grundlage für etwaige Ansprüche des (beherrschenden) Ges.-GF gegen die GmbH sein. Dies soll selbst dann gelten, wenn die Feststellung des Jahresabschlusses nicht fristgerecht erfolgt. Beispiel Der Jahresabschluss 2019 der kleinen GmbH wird am 29.12.2020 festgestellt. Das Wirtschaftsjahr der Gesellschaft entspricht dem Kalenderjahr. Die angemessene Tantieme wird dem alleinigen Ges.-GF am 29.1.2021 ausgezahlt. Im Anstellungsvertrag ist geregelt, dass die Tantieme einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses zur Auszahlung kommt. Lösung Die Tantieme unterliegt als Arbeitslohn im Januar 2021 dem LSt-Abzug. Nach bisheriger Auslegung muss die Lohnversteuerung in 2020 erfolgen. Beratungshinweis: Ausnahme bei einer gezielten Verzögerung Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der beherrschende Gesellschafter durch Nichtbeachtung der gesetzlichen Pflicht zur rechtzeitigen Feststellung des Jahresabschlusses zielgerichtet die Fälligkeit eines ihm zustehenden Tantiemeanspruchs und damit den Zeitpunkt der Versteuerung der Tantieme hinauszögert. Die Abgrenzung zwischen einer "willkürlichen" Verzögerung und einer "nicht willkürlichen" Verzögerung dürfte sich als nicht umsetzbar/ermittelbar erweisen. Bei Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen dürfte von einer "willkürlichen" Verzögerung auszugehen sein, selbst wenn der Jahresabschluss vermeintlich frühzeitiger festgestellt wurde. Es bleibt abzuwarten, wie die FinVerw und evtl. der Gesetzgeber auf diese unliebsame Rspr. reagieren werden. Sofern es in den bisherigen Fällen zu LSt-Haftungen des Arbeitgebers gekommen ist oder i.R.d. ESt beim Ges.-GF die nicht zugeflossenen Tantiemen wegen der Zuflussfiktion als steuerpflichtiger Arbeitslohn erfasst wurden, sollte - sofern die Einspruchsfrist noch läuft - mit der aktuellen BFH-Rspr. argumentiert werden, um den Zuflusszeitpunkt zu verschieben. 3. Verluste und Tantieme Im Entscheidungsfall bestimmte sich die Tantieme nach dem Jahresüberschuss der HB nach Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der KSt und GewSt. Der Kläger begehrte im Streitjahr 2009 die Reduzierung der BMG für die Tantieme aufgrund des Verlustrücktrags. Der BFH musste sich im Streitjahr 2009 nicht zu dieser Rechtsfrage äußern, da die Tantieme erst in 2010 Arbeitslohn auslöste. Künftige Entscheidungen bleiben abzuwarten. M.E. ist ein Verlustrücktrag mit Auswirkung auf die Tantiemenhöhe des Vorjahres abzulehnen, auch, weil die Verlustrückträge erst nach Feststellung des Jahresabschlusses des Verlustentstehungsjahres beziffert werden können und dies eine Rückabwicklung der bereits erfassten Tantieme für das Vorjahr zur Folge hätte. Hierzu ist am gleichen Tag eine Parallelentscheidung unter dem Az VI R 45/17, Juris, als Rev. gegen die Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz v. 24.8.2017 - 6 K 1419/14, DStRE 2018, 1103 ergangen. Dieses Verfahren wurde vom Bruder des Klägers (Rs. VI R 44/17) geführt. § 11 Abs. 1 S. 4 EStG § 38 a Abs. 1 S. 2 EStG § 38 a Abs. 1 S. 3 EStG BFH-Urt. v. 29.5.2008 - VI R 57/05, BStBl II 2009, 147 R 38.2 Abs. 1 S. 1 LStR 2015 BFH-Urt. v. 18.8.2016 - VI R 18/13, BStBl II 2017, 730 BFH-Urt. v. 15.6.2016 - VI R 6/13, BStBl II 2016, 903 BFH-Urt. v. 22.2.2018 - VI R 17/16, BStBl II 2019, 496 und BMF-Schr. v. 8.8.2019 - IV C 5 S 2332/07/0004:004, BStBl I 2019, 874 BMF-Schr. v. 8.8.2019 - IV C 5 S 2332/07/0004:004, BStBl I 2019, 874 OFD Frankfurt a.M. v. 1.10.2019 - S 2742 A-38-St 520, DB 2019, 2431 BFH-Urt. v. 3.2.2011 - VI R 4/10, BStBl II 2014, 493; BFH-Urt. v. 15.6.2016 - VI R 6/13, BStBl II 2016, 903 S.a. BMF-Schr. v. 12.5.2014 - IV C 2 - S 2743/12/10001, BStBl I 2014, 860 BMF-Schr. v. 12.5.2014 - IV C 2 - S 2743/12/10001, BStBl I 2014, 860; BFH-Urt. v. 15.5.2013 - VI R 24/12, BStBl II 2014, 495 BFH-Urt. v. 3.2.2011 - VI R 4/10, BStBl II 2014, 493, Rz 12 BFH v. 9.6.1997 - GrS 1/94, BStBl II 1998, 307; s.a. Krohn, AktStR 2019, 277; s.a. Kaminski, AktStR 2017, 59 (65) Korth, AktStR 2014, 421 BFH-Urt. v. 15.6.2016 - VI R 6/13, BStBl II 2016, 903, Rz 22 Kaminski, AktStR 2017, 59 (68) FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.8.2017 - 6 K 1418/14, EFG 2018, 32 § 267 Abs. 1 HGB § 42 a Abs. 2 GmbHG Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 17.7.2015, BGBl I 2015, 1245 § 267 a HGB § 267 Abs. 1 HGB § 267 Abs. 2 HGB § 264 Abs. 1 HGB BGH-Urt. v. 9.12.1954 - 3 StR 198/54, DB 1955, 288, sowie BVerfG, Beschl. v. 15.3.1978 - 2 BvR 927/76, BVerfGE 48, 48 ff. §§ 283 Abs. 1 Nr. 7 b und 283b Abs. 1 Nr. 3 b StGB und § 15 a InsO; s.a. Schiffers, GmbH-StB 2020, 177 Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes, BR-Drucks. 542/20 v. 18.9.2020; s.a. Beschl. des BR v. 18.9.2020, BR-Drs. 542/20 (Beschluss) §§ 11 Abs. 1 S. 4, 38a Abs. 1 S. 3 EStG BFH-Urt. v. 28.4.2020 - VI R 44/17, DStR 2020, 1902, Rz 25 BFH-Urt. v. 3.2.2011 - VI R 66/09, BStBl II 2013, 491, Rz 13 m.w.N. Krohn, AktStR 2019, 277 (286) BFH-Urt. v. 28.4.2020 - VI R 44/17, DStR 2020, 1902, Rz 30 BFH-Urt. v. 3.2.2011 - VI R 66/09, BStBl II 2013, 491; siehe auch Korth, AktStR 2011, 337 Kaminski, AktStR 2017, 59 (63) BFH-Urt. v. 10.3.1993 - I R 51/92, BStBl II 1993, 635 m.w.N.; H 8.5 KStH "Beherrschender Gesellschafter"; siehe auch Kaminski, AktStR 2017, 59 (63) BVerfG, Beschl. v. 12.3.1985 - 1 BvR 571/81, BStBl II 1985, 475 BFH-Urt. v. 28.4.2020 - VI R 45/17, Juris FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.8.2017 - 6 K 1418/14, EFG 2018, 32, Rz 41 - 49 Tiedchen, EFG 2018, 37 (38); Krohn, AktStR 2019, 277 (286) BFH-Urt. v. 28.4.2020 - VI R 44/17, DStR 2020, 1902, Rz 36
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