Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Jahrgang: 2022 . Seite: 401
Unter den (weit zu verstehenden) Begriff der Schuldzinsen können auch Kosten für das sog. Projektcontrolling fallen, wenn sie als Finanzierungskosten zu beurteilen sind, weil die Auszahlung der Darl ...

Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
Jahrgang: 2022 . Seite: 413
Zweifelsfragen zu den Investitionsabzugsbeträgen nach § 7 g Abs. 1 - 4 und 7 EStG in der Fassung des JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) BMF-Schr. v. 15.6.2022 - IV C 6 - S 2139-b/21/10001:001, BStBl I 2022, 945 I. Hintergrund und Entwicklung der Vorschrift Mit ...

AktStR: Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover, 2022 S. 425: § 23 EStG - Buchwert als Entnahmewert § 23 EStG - Buchwert als Entnahmewert Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover Jahrgang: 2022 . Seite: 425 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. „Angesetzter Wert“ i.S.d. § 23 Abs. 3 S. 3 EStG ist der Wert, der der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt worden ist. Ist die Entnahme nicht erfasst worden, ist der „angesetzte“ Wert der Buchwert. BFH-Urt. v. 6.12.2021 - IX R 3/21, BStBl II 2022, 406 I. Vorbemerkungen 1. Steuerbarkeit von privaten Veräußerungsgeschäften Im Gegensatz zum betrieblichen Bereich werden private Veräußerungsgeschäfte nur ausnahmsweise besteuert: Veräußerung von Anteilen an einer KapG, §§ 17 oder § 20 Abs. 2 EStG Veräußerung eines WG innerhalb bestimmter Fristen, § 23 EStG § 23 EStG erfasst realisierte Werterhöhungen von WG innerhalb bestimmter Fristen: Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte: 10 Jahre, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG andere WG: 1 Jahr, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG § 23 EStG beruht auf der Annahme, der An- und Verkauf innerhalb bestimmter Fristen indiziere eine gewisse Nähe zur Gewerblichkeit und legitimiere die Regelung.  Das BVerfG hat die in der zeitlichen Beschränkung liegende Differenzierung ggü. dem Betriebsvermögen nach ständiger Rspr. als verfassungsgemäß beurteilt.  Politisch steht die Vorschrift gleichwohl derzeit im Fokus. In den Parteiprogrammen für die BT-Wahl 2021 haben zwei Mitglieder der Ampelkoalition, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die Forderung nach Abschaffung der Steuerfreiheit von Gewinnen aus der Veräußerung im Privatvermögen befindlicher Grundstücke und grundstücksgleicher Rechte nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erhoben.  Dementsprechend ist das Risiko einer Umsetzung und vorbeugender Gestaltungen regelmäßig Gegenstand in der Beratungspraxis. 2. Übergang von Betriebs- in Privatvermögen Ungeachtet etwaiger zukünftiger Gesetzesänderungen beschäftigt allerdings auch die aktuelle Fassung der privaten Veräußerungsgeschäfte die Rspr. Besondere Beachtung findet wie im Ertragsteuerrecht allgemein auch i.R.d. § 23 EStG der Übergang zwischen der betrieblichen Sphäre und der privaten Vermögenssphäre. § 23 EStG enthält hierzu folgende Sonderregelungen: § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG „Als Anschaffung gilt auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe.“ § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG „In den Fällen des Abs. 1 Satz 2 tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 oder § 16 Abs. 3 angesetzte Wert.“ Im Ergebnis fingiert der Gesetzgeber somit die Entnahme eines Grundstücks aus dem laufenden Betrieb oder anlässlich einer Aufgabe als Anschaffungsvorgang in der privaten Vermögenssphäre. Damit beginnt die zehnjährige Veräußerungsfrist zu laufen mit der Konsequenz, dass § 23 EStG zum Tragen kommt, wenn der Grundbesitz innerhalb von zehn Jahren nach Entnahme veräußert wird. Insofern konsequent tritt i.R.d. § 23 EStG der Entnahmewert an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Unerheblich ist, ob der Entnahmewert seinerzeit zutreffend ermittelt oder überhaupt der Besteuerung unterworfen wurde. Wurde der Aufgabegewinn etwa aufgrund der Freibeträge nach §§ 16 Abs. 4, 14, 14a oder 18 Abs. 3 EStG nicht der Besteuerung unterworfen oder ist aufgrund sonstiger gesetzlicher Regelung außer Ansatz geblieben, stellt der Entnahmewert gleichwohl die Anschaffungskosten des WG i.R.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG dar.  3. Vom BFH zu beantwortende Rechtsfrage Nunmehr hatte sich der BFH mit folgender Fragestellung zu befassen: Wie sind die Anschaffungskosten im Rahmen des § 23 EStG zu ermitteln, wenn ein Entnahmevorgang aus dem Betriebsvermögen steuerlich nicht erfasst wurde? II. BFH-Urt. v. 6.12.2021 - IX R 3/21, BStBl II 2022, 406 1. Sachverhalt Die Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft bestehend aus den Geschwistern A und B. Diesen hatte ihr Vater im Jahre 2008 im Wege vorgenommener Erbfolge ein Grundstück aus seinem landwirtschaftlichen Betrieb übertragen. Der Verkehrswert zum Zeitpunkt der Übertragung wurde mit 300.000 EUR angegeben. Dennoch hatte der Vater bei seinen Einkünften aus LuF keine Konsequenzen gezogen. Die Steuerbescheide des Vaters wurden bestandskräftig. Die Klägerin erklärte in der Folgezeit Einkünfte aus VuV und veräußerte nach dem Tod des Vaters den Grundbesitz für 570.600 EUR, der im Juni 2017 gezahlt wurde. I.R.d Steuererklärung gab die Klägerin im Zusammenhang mit der Veräußerung des streitigen Grundstücks einen Veräußerungsgewinn von 14.065 EUR an. Dabei zog sie vom Veräußerungserlös fiktive Kosten für eine Entnahme von 556.335 EUR ab. Den „Entnahmewert“ ermittelte sie in Anlehnung an den Preis eines Nachbargrundstücks, das im Februar 2007 veräußert worden war. Das Finanzamt setzte dagegen Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG i.H.v. 559.018 EUR an. I.R.d. Ermittlung des Veräußerungsgewinns seien die nach § 55 EStG ermittelten Anschaffungskosten des Vaters von 11.082 EUR anzusetzen. Das FG Rheinland-Pfalz wies die Klage als unbegründet ab.  Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahr 2017 Klägerin Grundstücksgemeinschaft der Geschwister A und B, die von ihrem Vater 2008 ein Grundstück aus dessen LuF-Betrieb bekommen hatten. V setzt keinen Entnahmegewinn an. Klägerin erklärt Einkünfte aus VuV. 2017 Verkauf des Grundstücks für rd. 570.000 EUR. Veräußerungsgewinn i.H.v. rd. 14.000 EUR, weil vom Veräußerungspreis der Teilwert i.H.v. rd. 556.000 EUR abzuziehen ist. Dieser wurde aus dem Preis eines Nachbargrundstücks (Verkauf 2007) ermittelt. Finanzamt Abzug der Anschaffungskosten des Vaters (rd. 11.000 EUR) -> Veräußerungsgewinn: rd. 559.000 EUR FG Rheinland-Pfalz Klage unbegründet. 2. Entscheidung und Begründung Der BFH wies die Rev. der Klägerin als unbegründet ab. An die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten tritt der Wert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG nur insoweit, als er der Steuerfestsetzung des Stpfl., der das WG entnommen hat, zugrunde gelegt wird. Wird ein WG ohne Aufdeckung der stillen Reserven (erfolgsneutral) aus dem Betriebsvermögen entnommen, ist der bis zum Zeitpunkt der Entnahme erfasste Buchwert der angesetzte Wert i.S.d. § 23 Abs. 3 S. 3 EStG. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 S. 3 EStG. Ein Wert ist nur i.S.d. Norm angesetzt, wenn er einer Steuerfestsetzung zugrunde gelegen hat. Wird ein WG erfolgsneutral entnommen, entspricht der angesetzte Wert dem Buchwert. Es entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Durch den Ansatz des Entnahmewerts, der der Steuerfestsetzung des Rechtsvorgängers zugrunde gelegen hat, wird sichergestellt, dass Wertsteigerungen, die der Entnahme schon unterlegen haben, bei der späteren Veräußerung nicht erneut erfasst und damit doppelt besteuert werden. Sind aber stille Reserven tatsächlich nicht erfasst worden, kann es nicht zu einer Doppelbesteuerung kommen. Das Ergebnis wird auch durch die Gesetzeshistorie bestätigt. Mit dem StEntlG 1999/2000/2002 wurde erstmals auch die Veräußerung eines zuvor aus dem Betriebsvermögen entnommenen Grundstückes innerhalb der 10-Jahres-Frist der Besteuerung unterworfen. Hierbei habe sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, nicht den ursprünglich vorgesehenen Begriff „anzusetzende“ zu verwenden, sondern auf den „angesetzten“ Wert abgestellt, um Besteuerungslücken durch zu niedrig oder nicht angesetzte Werte zu vermeiden. III. Anmerkungen 1. Wortlaut sowie Sinn und Zweck Die Entscheidung des BFH überzeugt. Sie entspricht dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf den „ angesetzten“ und nicht etwa den - bei zutreffender Erklärung „ anzusetzenden“ Wert abgestellt. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigen die Entscheidung, die auch der herrschenden Meinung im Schrifttum entspricht.  Durch den Ansatz des Entnahmewerts wird verhindert, dass im Zeitraum zwischen Anschaffung und Entnahme durch Wertsteigerungen entstandene stille Reserven doppelt besteuert werden. Sind jedoch stille Reserven durch den Ansatz des Buchwerts bei der Entnahme nicht besteuert worden, kommt es zu keiner Doppelbesteuerung. Die Regelung dient der Erfassung von Wertsteigerungen bei Veräußerungen nach einer Entnahme und zugleich auch der Entnahmewertkorrektur. Anderenfalls bestände die Gefahr, dass der Stpfl. die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns und damit jegliche Besteuerung vermeiden kann. Dies ergibt sich eindeutig daraus, dass der Gesetzgeber auf den „angesetzten“ und nicht den „anzusetzenden“ Wert abstellt. Ansonsten wären Besteuerungsfolgen auf der Ebene des privaten Veräußerungsgeschäfts von der tatsächlichen Besteuerung der während der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen angesammelten stillen Reserven abgekoppelt gewesen. Beratungshinweis: 10-Jahresfrist und Entnahmewert prüfen Für die Praxis ist aus der Entscheidung festzuhalten, dass insb. auch der Rechtsnachfolger und Erbe nicht nur prüfen sollte, ob der Erblasser das Objekt innerhalb der 10-Jahres-Frist angeschafft hat. Liegen Anhaltspunkt für mögliches früheres Betriebsvermögen vor, ist vielmehr auch zu prüfen, ob und mit welchem Wert der betreffende Gegenstand bei der Entnahme der Besteuerung unterworfen worden ist. Die Vorschrift findet auch auf die durch Abwahl der Nutzungswertbesteuerung ausgelöste Entnahme Anwendung.  Der Stpfl. hat keinen Anspruch auf Überprüfung des Entnahmewerts durch die FinVerw, wenn etwa die Besteuerung im Entnahmejahr günstiger wäre.  I.R.d. gewerblichen Grundstückshandel s gilt im Übrigen nach dem Urt. des BFH v. 27.6.2018   die Überführung eines Grundstücks in das Privatvermögen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe nicht als Anschaffung. Eine entsprechende Anwendung von § 23 Abs. 1 S. 2 EStG kommt insoweit nicht in Betracht. 2. Veräußerung eines Mobilheims kein privates Veräußerungsgeschäft Hingewiesen sei im Zusammenhang mit privaten Veräußerungsgeschäften auch auf die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Nds. FG v. 28.7.2021 . Nach Auffassung des Nds. FG unterliegt die Veräußerung eines auf einer Parzelle eines Campingplatzes aufgestellten Mobilheims selbst dann nicht als privates Veräußerungsgeschäft der Besteuerung nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, wenn es sich bewertungsrechtlich um ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden handelt, dessen Erwerb und Veräußerung der GrESt unterliegt und der Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung weniger als zehn Jahre beträgt. Nach dem klaren Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG würden Gebäude nicht isoliert erfasst, sondern seien lediglich „ Bewertungsfaktoren“. Ein Gebäude würde lediglich in die Berechnung des Bodenveräußerungsgewinns einbezogen, sei jedoch kein eigenständiger Gegenstand mit einer eigenen Halte- bzw. Veräußerungsfrist. Auch eine Einbeziehung unter dem Aspekt der Vergleichbarkeit mit einem Erbbaurecht komme nicht in Betracht, da eine derartige Vergleichbarkeit im Ergebnis nicht vorhanden sei. Die Entscheidung überzeugt. Im Übrigen werden derartige Mobilheime erfahrungsgemäß regelmäßig selbst genutzt, so dass selbst bei einem anderen Verständnis die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG zum Tragen käme, die auch auf Zweitwohnungen u.ä. Anwendung findet.  Beratungshinweis: Verfahrensrechtliche Umsetzung Die Entscheidung überzeugt. Entsprechende Bescheide sind deshalb offen zu halten. Zu beachten ist allerdings in jedem Fall die Frist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. 3. Kryptowährungen Ein weiteres in der Praxis derzeit i.R.d. § 23 EStG häufig angesprochenes Thema ist die Besteuerung von Kryptowährungen. Nach zwei zuvor inzwischen rechtskräftigen Entscheidungen des FG Baden-Württemberg  und des FG Berlin Brandenburg  hat sich nunmehr das FG Köln in einer umfassend begründeten Entscheidung mit der Steuerbarkeit von Veräußerungsgewinnen bei Kryptowerten befasst.  Der Sachverhalt ist ebenso überschaubar wie typisch: Der Kläger hat in den VZ 2014 - 2016 Bitcoins erworben, die er 2017 teilweise in die Kryptowährungen Monero und Ethereum eintauschte und teilweise veräußerte. In seiner ESt-Erklärung für den VZ 2017 erklärte er - ausdrücklich aus Vorsichtsgründen - sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. ca. 3,44 Mio. EUR gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 22 Nr. 2 EStG. Gegen die erklärungsgemäße Festsetzung legte der Kläger erfolglos Einspruch ein und erhob anschließend Klage beim FG Köln. Das FG wies die Klage als unbegründet ab und setzte sich in der Entscheidung mit allen im Schrifttum diskutierten Fragen ausführlich auseinander. Bei Kryptowerte n handelt es sich nach Auffassung des FG um ein anderes WG i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, da Kryptowerte u.a. im Rechtsverkehr konkrete Möglichkeiten und Vorteile vermittelten und ihnen aufgrund der Nachfrage auf Exchanges ein bestimmter Wert beigemessen wird und eine klar definierte Gewinnchance immanent sei. Das FG vergleicht Kryptowerte insoweit mit Devisen, Namensrechten und Internet-Domains, die auch verkehrsfähig seien und an Dritte übertragen werden könnten.  Es wies die Auffassung des Klägers zurück, die Kryptowerte seien ihm nicht steuerlich zuzurechnen i.S.d. § 39 AO, da er weder zivilrechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer werden könne. Nach Auffassung des FG war der Kläger dagegen in der Lage, über die Kryptowerte zu verfügen und diese zu tauschen bzw. gegen Zahlung eines Kaufpreises zu übertragen.  Auch das im Schrifttum diskutierte strukturelle Vollzugsdefizit wird seitens des FG Köln abgelehnt. Das Gericht attestierte der FinVerw zwar faktische Schwierigkeiten einer steuerlichen Kontrolle, die jedoch nicht auf einer bewusst hingenommenen normativen Ineffizienz beruhten. Die Tatsache, dass die FinVerw seit fast einem Jahrzehnt eine klare steuerliche Einordnung von Kryptowährungen verweigert  , problematisiert das FG hierbei nicht. Das Gericht hat die Rev. zur Klärung dieser und weiterer Rechtsfragen ausdrücklich zugelassen. Diese wird beim BFH unter dem Az IX R 3/22 geführt. Beratungshinweis: Verständnis des Wirtschaftsgutbegriffs Unter Berücksichtigung der unstreitig gestiegenen Leistungsfähigkeit des Klägers durch die Veräußerungsgeschäfte und einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise spricht vieles dafür, dass der IX. Senat des BFH sein ohnehin weites Begriffsverständnis des WG auch auf Kryptowerte ausdehnen und die Steuerbarkeit bejahen wird. In der Praxis sollten deshalb im Zweifel in Ansehung der weitgehend die Steuerpflicht bejahenden Rspr. der FG entsprechende Gewinne erklärt und gleichzeitig Steuerbescheide unter Verweis auf die streitige Rechtsfrage und die Veröffentlichungen im Schrifttum   offengehalten werden. 4. Gesetzesentwicklung In der Beratungspraxis sorgte bereits vor der BT-Wahl 2021 und sorgt auch heute noch die Forderung von Teilen der Regierungskoalition und anderen Parteien für Verunsicherung, die Möglichkeit zur steuerfreien Veräußerung von Privatimmobilien nach Ablauf der zehnjährigen Frist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG abzuschaffen.  Im Rahmen ihrer Regierungsprogramme haben die Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke im Rahmen ihrer Parteiprogramme die Abschaffung der Steuerfreiheit von Gewinnen bei der Veräußerung von im Privatvermögen befindlichen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten gefordert.  Vorgeschlagen wird, stattdessen eine von der Behaltedauer unabhängige Wertzuwachsbesteuerung einzuführen. Auch im steuerrechtlichen Schrifttum werden entsprechende Vorschläge unterbreitet.  Nachdem diese Thematik nach Bildung der derzeitigen Ampel-Regierung zunächst in den Hintergrund getreten war , steigt die Verunsicherung in der Mandantschaft in Folge des erhöhten Finanzierungsbedarfs des Staates durch die fortdauernde Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg wieder. Zur Beruhigung der Mandanten mag der Hinweis beitragen, dass die Abschaffung der Veräußerungsfrist in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG verfassungsrechtlich zwingend mit einer Übergangsregelung für Alt-Erwerbe zu verbinden ist. Das BVerfG hat bereits in seinem Urt. v. 7.7.2010  zur Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre unmissverständlich klargestellt, dass der Einbeziehung in der Vergangenheit aufgelaufener stiller Reserven verfassungsrechtliche Grenzengezogen sind, und differenzierte wie folgt: Soweit die zweijährige Spekulationsfrist nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG a.F. im Zeitpunkt der Verkündung des StEntlG 1999/ 2000/2002 noch nicht abgelaufen war, begegne ihre Verlängerung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar könne die Entscheidung für den Erwerb eines Grundstücks im einzelnen Fall maßgeblich von der Erwartung bestimmt sein, einen etwaigen Veräußerungsgewinn nach Ablauf von zwei Jahren steuerfrei vereinnahmen zu können. Dies gehe jedoch über die allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde unverändert bleiben, nicht hinaus. Es fehlten die besonderen Momente der Schutzbedürftigkeit, deretwegen der Gesetzgeber verpflichtet sein könnte, bei der Bestimmung des zukünftigen Steueraufkommens auf Erwartungen der Stpfl. bei zurückliegenden Dispositionen Rücksicht zu nehmen. Die bloße Möglichkeit, Gewinne später steuerfrei vereinnahmen zu können, begründe keine (vertrauens-) rechtlich geschützte Position. Mit Wertsteigerungen könne im Zeitpunkt des Erwerbs nicht sicher gerechnet werden, so dass auch die Enttäuschung der Hoffnung auf künftige steuerfreie Vermögenszuwächse nicht als Beeinträchtigung greifbarer Vermögenswerte zu werten sei. Beratungshinweis: Verkauf als Alternative Sollte der Gesetzgeber keine entsprechende Sonderregelung vorsehen, könnte es sich anbieten, etwa innerhalb der Familien noch unter Geltung des alten Rechts eine Veräußerung von Immobilien vorzunehmen, bei denen die 10-Jahres-Frist bereits abgelaufen ist. Dies würde unter Geltung des alten Rechts nicht steuerbar erfolgen und schaffte zugleich höheres AfA-Potential. Insb. unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 4 (Ehegatten) oder Nr. 6 (Verwandte gerader Linie) GrEStG entsteht hieraus keine Belastung mit GrEStG. Zugleich kann ein neuer Finanzierungszusammenhang damit hergestellt werden und die bisher entstandenen stillen Reserven wären vor einer Besteuerung gesichert. Dies dürfte aufgrund der oft stark gestiegenen Immobilienpreise ein nicht zu unterschätzender Vorteil sein. War die frühere zweijährige Spekulationsfrist bereits abgelaufen, verstoße die Verlängerung der Spekulationsfrist demgegenüber gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und sei nichtig. Dadurch würden Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31.3.1999 entstanden sind und die nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Verkündung steuerfrei realisiert worden seien oder steuerfrei hätten realisiert werden können. Allenfalls für die in den letzten 10 Jahren entstandenen - allerdings nicht unerheblichen - Wertzuwächse wäre somit eine nachträgliche Steuerverhaftung möglich.  Beratungshinweis: Schaffung von AfA-Volumen Gleichwohl kann in der Praxis angesichts der derzeit (noch) sehr hohen Immobilienwerte in geeigneten Fällen erwogen werden, diese zur Hebung des Abschreibungsvolumens („ AfA-Step-Up“) in eine gewerblich geprägte PersG oder unter Inkaufnahme der GrESt ggf. auch in eine KapG einzubringen. Für eine Nachverhaftung der in den letzten 10 Jahren aufgelaufenen und einer nachträglichen Besteuerung nicht ausgeschlossenen stillen Reserven bliebe dann aufgrund des bereits vollzogenen Steuertatbestands und Rechtsträgerwechsels kein Raum.      Vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rz 1       BVerfG, Beschl. v. 9.7.1969 - 2 BvL 20/65, BStBl II 1970, 156; BVerfG, Beschl. v. 30.9.1998 - 2 BvR 181/91, BGBl I 1998, 3430       SPD Zukunftsprogramm, Seite 37; Wahlprogramm DIE GRÜNEN, Seite 92       Vgl. BMF-Schr. v. 5.10.2000 - IV C 3 - S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Rz 33; FG Nds. Urt. v. 20.2.2019 - 9 K 139/16, EFG 2019, 1283       FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 8.12 2020 - 3 K 1277/20, DStR 2021, 8; vgl. dazu auch Weiss, NWB 2021, 600       Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rz 77 m.w.N.; Carlé, NWB 2022, 1086, 1087       Nds. FG, Urt. v. 20.2.2019 - 9 K 139/16 EFG 2019, 1283; vgl. dazu auch BMF-Schr. v. 3.9.2019 - IV C 1 - S 2256/19/10002:001, 2019/0752002, BStBl I 2019, 888       Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rz 33       BFH-Urt. v. 27.6.2018 - X R 36/17, BStBl II 2019, 606       Nds. FG, Urt. v. 28.7.2021 - 9 K 234/17; EFG 2021, 1820 m. Anm. Kreft, Rev. anhängig unter IX R 22/21       Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rz 18       FG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.6.2021 - 5 K 1996/19, EFG 2022, 163 mit Anm. Wackerbeck       FG Berlin Brandenburg, Urt. v. 20.6.2019 - 13 V 13100/19, DStRE 2019, 1329       FG Köln, Urt. v. 25.11.2021 - 14 K 1178 / 20, EFG 2022, 677       Zweifelnd FG Nürnberg, Beschl. v. 8.4.2020 - 3 V 1239/19, DStR 2020, 1243 m. Anm. Andres       Vgl. dazu etwa Gessner, BB 2022, 1367, 1368 m.w.N.; Andres, DStR 2021, 1630 ff. m.w.N.       Kritisch Pielke, DStRK 2022, 106; Gessner, BB 2022, 1376, 1369       Vgl. etwa Ahrendt/Friedberg, DStR 2022, 1137 m.w.N.; Thielke, DStRK 2022, 106; Andres, DStR 2021, 1630; Schroen, BB 2021, 2133       Im Übrigen gibt es in den Parteiprogrammen auch Überlegungen die „Spekulationsfrist“ von 10 Jahren auf 15 Jahre zu verlängern       Vgl. SPD Zukunftsprogramm, Seite 37; Wahlprogramm Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Seite 92; Wahlprogramm DIE LINKE Seite 44       Bach/Eichfelder, DStR 2021, 2938       Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung finden sich keine Ausführungen zur Abschaffung/Änderung der 10-Jahres-Frist       BVerfG, Urt. v. 7.7.2010 - 2 BvL 14/02, 2 BVL 2/04, 2 BVL 13/05, BStBl II 2011, 76       Dazu und noch weitergehend vgl. Bäuml, NWB 2022, 2016, 2017