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Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Jahrgang: 2022 . Seite: 43
1. Das einem Mitunternehmer gewährte Stipendium ist als Sonderbetriebseinnahme i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 4 S. 2 EStG zu erfassen, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers i.R.d. Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird. 2. Der Grundsatz von Treu un ...

AktStR: Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover, 2022 S. 59: Betriebsaufspaltung und minderjährige Kinder Betriebsaufspaltung und minderjährige Kinder Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover Jahrgang: 2022 . Seite: 59 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. 1. Die personelle Verflechtung verlangt - abgesehen vom Sonderfall der faktischen Beherrschung -, dass der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter auch in der Betriebskapitalgesellschaft die Stimmenmehrheit innehat und dort in der Lage ist, seinen Willen durchzusetzen; eine Beteiligung von exakt 50 % der Stimmen reicht nicht aus. 2. Sind sowohl ein Elternteil als auch dessen minderjähriges Kind an der Betriebskapitalgesellschaft beteiligt, sind die Stimmen des Kindes jedenfalls dann nicht dem Elternteil zuzurechnen, wenn in Bezug auf die Gesellschafterstellung des Kindes eine Ergänzungspflegschaft angeordnet ist. BFH-Urt. v. 14.4.2021 - X R 5/19, BStBl II 2021, 851 I. Vorbemerkungen Die Betriebsaufspaltung geht bereits auf die Rspr. des RFH  zurück und ist seitens der BFH in nunmehr jahrzehntelanger Rspr. trotz anhaltender Kritik stets bestätigt worden.  Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist dieses Rechtsinstitut verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.  1. Tatbestandsvoraussetzungen Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn ein Unternehmen ( Besitzunternehmen) wenigstens eine wesentliche Betriebsgrundlage an eine gewerblich tätige PersG oder KapG ( Betriebsunternehmen) zur Nutzung überlässt ( sachliche Verflechtung) und eine oder mehrere Personen zusammen sowohl das Besitzunternehmen als auch das Betriebsunternehmen in dem Sinne beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen ( personelle Verflechtung).  a) Sachliche Verflechtung Die sachliche Verflechtung liegt vor, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen einem gewerblichen Unternehmen zur Nutzung überlassen werden. Allerdings führt nicht jede Nutzungsüberlassung zu einer sachlichen Verflechtung. Es muss sich vielmehr um wesentliche Betriebsgrundlagen handeln. Die Qualifizierung erfolgt dabei nach dem Betriebszweck der Betriebsgesellschaft. Maßgeblich für die Beurteilung ist die funktionale Betrachtungsweise.  b) Personelle Verflechtung Die personelle Verflechtung ist anzunehmen, wenn das Betriebs- und das Besitzunternehmen von derselben Person oder Personengruppe in einer Weise beherrscht werden, dass beide Unternehmen aufgrund dieses Umstands wie ein einheitliches Unternehmen geführt werden.  Dies ist regelmäßig der Fall, wenn dieselben Personen als Gesellschafter an beiden Unternehmen beteiligt sind und in beiden Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte besitzen, um in beiden Gesellschaften einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen zu können. Eine personelle Verflechtung setzt nicht voraus, dass eine Person allein die Mehrheit der Stimmrechte an beiden Gesellschaften innehat. Denkbar ist auch, dass eine Personengruppe, die gleichgerichtete Interessen verfolgt, die Mehrheit der Stimmanteile hält, sog. Gruppentheorie. Die Gruppentheorie findet immer dann Anwendung, wenn die Personen bzw. die Personengruppe jeweils beide Unternehmen beherrschen.  Eine gemeinsame Beherrschung wird auch angenommen, wenn die Beteiligungsverhältnisse in Besitz- und Betriebsunternehmen unterschiedlich sind.  Allenfalls bei extrem konträren Beteiligungsverhältnissen wurde vom BFH in einer älteren Entscheidung die personelle Verflechtung durch die Gruppentheorie infrage gestellt.  Beratungshinweis: Vermeidung der personellen Verflechtung Für die Gestaltungspraxis ist vor dem Versuch zu warnen, durch diametral entgegengesetzte Beteiligungsverhältnisse derselben Personen am Besitz- und Betriebsunternehmen die personelle Verflechtung zu verhindern. Im Zweifel ist zur Vermeidung einer Betriebsaufspaltung die Einbeziehung eines Nur-Besitz-Gesellschafters vorzuziehen, gegen dessen Stimme keine Entscheidungen und Geschäftsführungsmaßnahmen möglich sind. Von erheblicher Bedeutung für die Praxis ist, dass nicht allein die vermögensmäßige Beteiligung maßgebend für die personelle Verflechtung ist. Vielmehr kann auch eine faktische Beherrschung zur personellen Verflechtung führen. Beweisanzeichen hierfür können eine Alleingeschäftsführerfunktion oder weitere Indizien sein. Beratungshinweis: Geschäftsführung Der IV. Senat des BFH hat es in seiner Entscheidung vom 28.5.2020  für die Annahme einer personellen Verflechtung ausreichen lassen, dass die personenidentischen Gesellschafter als Geschäftsführer der Besitz-GbR und der Betriebs-GmbH die laufenden Geschäfte der Besitz-GbR bestimmen konnten und der Nutzungsüberlassungsvertrag der Besitz-GbR mit der Betriebs-GmbH nicht gegen den Willen dieser Personengruppe geändert oder beendet werden konnte. Die Tatsache, dass es im Besitzunternehmen einen Nur-Besitz-Gesellschafter gab, hielt der IV. Senat für die Annahme einer personellen Verflechtung für unerheblich. Bei der Ausgestaltung von Gesellschaftsverträgen mit dem Ziel einer Verhinderung einer Betriebsaufspaltung ist deshalb darauf zu achten, dass etwa die gemeinschaftliche Vertretung und Geschäftsführung nach § 709 BGB bei einer GbR - somit unter Einbeziehung des Nur-Besitz-Gesellschafters - nicht aufgehoben wird. In der Praxis ist häufig die Frage streitig, ob bei Angehörigen gleichgerichtete Interessen unterstellt werden können. Bei fremden Dritten, die ihre Stimmanteile in einer GbR bündeln, um Einfluss auf die Geschäftsführung beider Gesellschaften ausüben zu können, wird das Tatbestandsmerkmal „gleichgerichtetes Interesse“ regelmäßig angenommen. Demgegenüber kommt eine Zusammenrechnung von Ehegattenanteilen nach ständiger Rspr. grds. nicht in Betracht. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn zusätzlich zur ehelichen Lebensgemeinschaft weitere Beweisanzeichen vorliegen, die für gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen der Ehegatten sprechen.  Bei Anteilen von Kindern ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Anteile volljähriger Kinder eigenständig zu würdigen sind und nicht per se den Eltern zugerechnet werden können. Demgegenüber sind die Anteile von Minderjährigen zumindest nach Auffassung der FinVerw regelmäßig dem Anteil der Eltern zuzurechnen.  Beratungshinweis: Erreichen der Volljährigkeit Die Auffassung der FinVerw hätte zur Konsequenz, dass mit dem Erreichen der Volljährigkeit des Kindes möglicherweise die Voraussetzungen für die Betriebsaufspaltung entfallen und damit eine Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven sowohl im Vermögen der Besitzgesellschaft als auch in den Anteilen der Betriebsgesellschaft erfolgen müsste. 2. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfragen Vor diesem Hintergrund hatte der BFH die folgenden Fragen zu beantworten: Kann eine Beteiligung von 50 % an dem Besitzunternehmen ausreichen, eine personelle Verflechtung herbeizuführen? Sind die Stimmrechte eines minderjährigen Kindes auch dann dem Elternteil zuzurechnen, wenn eine Ergänzungspflegschaft hinsichtlich der Gesellschaftsrechte angeordnet ist? II. BFH-Urt. v. 14.4.2021 - X R 5/19, BStBl II 2021, 851 1. Sachverhalt Der am 3.1.2010 verstorbene Erblasser hielt 100 % der Geschäftsanteile an einer GmbH und war deren einziger GF. Die Ehefrau des Erblassers, W, hatte der GmbH ein ihr gehörendes Grundstück vermietet. Nach dem Tod des Erblassers wurde dieser von seiner Ehefrau W und den beiden gemeinsamen Söhnen S1 und S2 beerbt. An der Erbengemeinschaft waren W zu 50 % und S1 und S2 zu jeweils 25 % beteiligt. Im Streitjahr 2010 war S2 noch minderjährig. Durch Gesellschafterbeschluss vom 11.1.2010 wurde W zur einzelvertretungsberechtigten, von § 181 BGB befreiten GF bestellt. Das Protokoll wurde von W und S1 für sich selbst und von W zugleich als Erziehungsberechtigte für den minderjährigen S2 unterzeichnet. Mit Beschluss vom 7.6.2010 ordnete das Familiengericht eine Ergänzungspflegschaft für S2 an, die ausdrücklich auch die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte aus der Beteiligung an der GmbH umfasste. Am 14.7.2010 wurde W als einzelvertretungsberechtigte, nicht jedoch von den Beschränkungen des 181 BGB befreite, GF im HR eingetragen. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, mit dem Erbfall sei zwischen W und der GmbH eine Betriebsaufspaltung begründet worden. Die erforderliche personelle Verflechtung ergebe sich daraus, dass die Stimmrechte des minderjährigen S2 der W zuzurechnen seien. Die Klage vor dem FG Baden-Württemberg hatte Erfolg.  Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahr 2010 Klägerin Witwe (W) und 50 %-ige Erbin nach ihrem Ehemann (3.1.2010 †), der ihr eine GmbH-Beteiligung hinterlässt, Mitererben sind zu jeweils 50 % die beiden Söhne S1 und S2 (minderjährig). W hatte an die GmbH ein ihr gehörendes Grundstück vermietet. 11.1.2010 Gesellschafterbeschluss der GmbH: W einzelvertretungsberechtigte GF (von § 181 BGB befreit), Unterschrift des Protokolls: W, S1 und W (für den minderjährigen S2) 7.6.2010: Familiengericht ordnet Ergänzungspflegschaft für S2 an (auch Gesellschaftsrechte an der GmbH); 14.7.2010: W wird als einzelvertretungsberechtigte GF der GmbH eingetragen (nicht von § 181 BGB befreit) Finanzamt Mit dem Erbfall wurde zwischen W und der GmbH eine Betriebsaufspaltung begründet -> Personelle Verflechtung gegeben, weil die Anteile des minderjährigen S2 der W zuzurechnen sind. FG Baden-Württemberg Klage erfolgreich 2. Entscheidung und Begründung Der BFH wies die Rev. des Finanzamts als unbegründet zurück. Es fehlt trotz der vorliegenden sachlichen Verflechtung an der für das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung notwendigen personellen Verflechtung zwischen der Klägerin und der GmbH. Für eine personelle Verflechtung ist erforderlich, dass der Gesellschafter nach den gesellschaftsrechtlichen Stimmenverhältnissen in der Lage ist, seinen Willen in beiden Unternehmen durchzusetzen. Die Klägerin kann als Mitglied der Erbengemeinschaft nicht schon aufgrund ihres Stimmenanteils von exakt 50 % die Betriebsgesellschaft beherrschen. Für die Beurteilung des Streitfalls sind die zivilrechtlichen Besonderheiten der Erbengemeinschaft ohne Bedeutung. Ertragsteuerlich ist auf die sog. mittelbare einheitliche Rechtsausübung abzustellen mit der Konsequenz, dass die der Klägerin zuzurechnenden Stimmen zu einer Pattsituation bei der Betriebs-GmbH führen. Eine Beherrschung der GmbH ergibt sich im Streitfall auch nicht daraus, dass die Klägerin zugleich GF der GmbH wurde und so die Geschäfte des täglichen Lebens der Betriebsgesellschaft bestimmen konnte. Es fehlt die notwendige Mehrheitsbeteiligung der Klägerin an der GmbH. Eine über den Stimmenanteil von 50 % hinausgehende Zurechnung der Stimmen des minderjährigen S2 an die Klägerin kann mangels gleichgelagerter wirtschaftlicher Interessen nicht vorgenommen werden. Aufgrund der Bestellung der Ergänzungspfleger in können die Anteile des S2 der Klägerin auch nach deren ordnungsgemäßer Wahl zur GF nicht zugerechnet werden. Auf die Frage, ob die zu Ehegatten ergangene Rspr. des BVerfG für minderjährige Kinder entsprechend gilt, kommt es letztlich nicht an. Aus denselben Gründen scheidet auch eine faktische Beherrschung durch die Klägerin aus. III. Anmerkungen Die im Ergebnis überzeugende Entscheidung des X. Senats befasst sich mit dem Kriterium der personellen Verflechtung unter vier Aspekten und enthält für die Beratungspraxis wichtige Hinweise. 1. Personelle Verflechtung bei 50 %-Beteiligung Für eine personelle Verflechtung ist - vom Sonderfall der faktischen Beherrschung abgesehen - erforderlich, dass der Gesellschafter nach den gesellschaftsrechtlichen Stimmverhältnissen in der Lage ist, seinen Willen in beiden Unternehmen durchzusetzen. Interessant ist vorliegend, dass der BFH die zivilrechtlichen Besonderheiten der Erbengemeinschaft als unerheblich ansieht. Zwar können auch nach seiner Auffassung Mitglieder einer Erbengemeinschaft ihre Rechte nur gemeinschaftlich ausüben, es gelte jedoch die sog. Mittelbare einheitliche Rechtsausübung.  In diesem Fall sei abweichend von der gemeinschaftlichen Verwaltung auf die Verteilung der Stimmrechte in der Erbengemeinschaft abzustellen mit der Konsequenz, dass die deshalb auf die Klägerin entfallenden 50 % nur zu einer „Pattsituation“ führten. Beratungshinweis: Transparente Betrachtung der Erbengemeinschaft Für die Gestaltungspraxis ist von Bedeutung, dass der BFH die im Schrifttum auf Grundlage der zivilrechtlichen Rechtssituation vertretene Theorie der sog. Unmittelbar einheitlichen Rechtsausübung verworfen hat. . Die Existenz einer Erbengemeinschaft führt deshalb allein nicht zur Annahme eines Einstimmigkeitsgrundsatzes und damit eines Vetorechtes, wenn etwa ein Miterbe nur an einem der beiden Unternehmen beteiligt ist. Die damit hinsichtlich der Stimmrechte transparente Betrachtung der Erbengemeinschaft kann sich in der Praxis je nach Sachverhaltskonstellation für den Fortbestand oder die Begründung einer Betriebsaufspaltung positiv oder negativ auswirken. Hierauf ist insb. Bei Ausgestaltung der Erbregelungen zu achten. 2. Personelle Verflechtung bei Ergänzungspflegschaft Der BFH lehnt auch eine über den Stimmenanteil von 50 % hinausgehende Zurechnung der Stimmen des minderjährigen S2 bei der Klägerin mangels gleichgelagerter wirtschaftlicher Interessen ab. Grds. reicht es i.R.d. Gruppentheorie bei einem Einzelunternehmen als Besitzunternehmer aus, wenn der Besitzunternehmer mit einer anderen Person das Betriebsunternehmen beherrscht und mit dieser Person gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen verfolgt.  Im Streitfall sind zwei Zeiträume zu unterscheiden: Für den Interims-Zeitraum zwischen dem Erbfall am 3.1.2010 und der Anordnung der Ergänzungspflegschaft am 7.6.2010 geht der BFH davon aus, dass der am 11.1.2010 gefasste Beschluss über die Bestellung der W als GF mangels wirksamer Ladung des noch nicht bestellten Ergänzungspflegers des S2 nichtig war. W habe daher das Unternehmen nicht wirksam vertreten können, sodass schon deshalb eine personelle Verflechtung ausscheide. Mit der am 7.6.2010 angeordneten Ergänzungspflegschaft sah der BFH keinen Ansatzpunkt für die Annahme gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen. Die Ergänzungspflegerin habe die Interessen des S2 in der Betriebsgesellschaft unabhängig von den Interessen der Klägerin vertreten. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die zu Ehegatten ergangene Rspr. des BVerfG  für minderjährige Kinder entsprechend gelte, komme es deshalb nicht an. Da ein Pfleger bestellt gewesen sei, erstrecke sich die elterliche Sorge gemäß § 1630 Abs. 1 BGB gerade nicht auf diejenigen Angelegenheiten des Kindes, für die ein Pfleger bestellt sei. Beratungshinweis: Ergänzungspflegschaft bei vorliegender Betriebsaufspaltung Der BFH hat in dem Besprechungsurteil ausdrücklich offen gelassen, ob bei einer - abweichend vom Besprechungssachverhalt - wirksamen früheren Bestellung der W zur GF eine Beherrschung der GmbH durch die W und damit eine Betriebsaufspaltung anzunehmen gewesen wäre. In diesem Fall könnte die Anordnung der Ergänzungspflegschaft mit der damit möglichen Ausübung der Stimmrechte des Minderjährigen ggf. zur Auflösung einer Betriebsaufspaltung führen. Bei Beteiligung Minderjähriger an einer Erbengemeinschaft ist deshalb stets zu prüfen, ob und welche Folgen ggf. die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach sich zieht und ob im Interimszeitraum Sicherungsmaßnahmen für den Bestand einer Betriebsaufspaltung zu ergreifen sind. 3. Personelle Verflechtung durch Geschäftsführung Der BFH hat eine Beherrschung der Betriebsgesellschaft durch die W auch unter dem Aspekt abgelehnt, dass die Klägerin als GF die sog. Geschäfte des täglichen Lebens der Betriebsgesellschaft bestimmen konnte. Er stützt sich hierbei ausdrücklich darauf, dass es an der notwendigen Mehrheitsbeteiligung der Klägerin an der GmbH gefehlt habe. Der X. Senat setzt sich in diesem Zusammenhang auch mit dem Urt. des IV. Senats vom 28.5.2020 auseinander, der bereits eine personelle Verflechtung bejaht hatte, wenn eine Person oder Personengruppe zwar nicht nach den Beteiligungsverhältnissen, wohl aber nach ihren Befugnissen zur Geschäftsführung in Besitz- und Betriebsgesellschaft ihren Willen habe durchsetzen können.  Dabei lehnt er die Fortentwicklung und Übertragung dieser Rspr. des IV. Senats auf den Streitfall ausdrücklich ab. Er verweist darauf, dass der Entscheidung des IV. Senats eine besondere Sachverhaltskonstellation zugrunde gelegen habe. Die mit 100 % der Stimmen die Betriebsgesellschaft beherrschende Personengruppe sei auch an der Besitzgesellschaft mit 99 % beteiligt gewesen. Der 1 %-Minderheitsgesellschafter habe zwar aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips in dieser GbR Beschlüsse verhindern, jedoch nicht in die Geschäftsführung eingreifen können. Beratungshinweis: Geschäftsführung und Mehrheitsbeteiligung Der X. Senat hat die Übertragung der personellen Verflechtung insb. mit der Begründung abgelehnt, dass der Sonderfall einer personellen Verflechtung durch die Beherrschung der Geschäfte des täglichen Lebens jeweils nur Anwendung gefunden habe, wenn die maßgebliche Person bzw. Personengruppe an Besitz- und Betriebsunternehmen jeweils mehrheitlich beteiligt gewesen sei. Dieser Sonderfall sei vorliegend aufgrund der lediglich 50-prozentigen Beteiligung der W nicht gegeben. Für die Praxis bleibt die weitere Entwicklung der im Detail nicht deckungsgleichen Auffassungen der Senate abzuwarten. Insb. ist bei der Abfassung der Gesellschaftsverträge nicht nur auf die Beteiligungsverhältnisse, sondern auch auf die Ausgestaltung der Geschäftsführungsbefugnisse Sorgfalt zu legen. 4. Personelle Verflechtung durch faktische Beherrschung Nach ständiger Rspr. des BFH liegt eine faktische Beherrschung vor, wenn auf die Gesellschafter, deren Stimmen zur Erreichung der im Einzelfall erforderlichen Stimmenmehrheit fielen, aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen Druck dahingehend ausgeübt werden kann, dass sie sich dem Willen der beherrschenden Person oder Personengruppe unterordnen.  Der BFH hat im Besprechungsurteil auch eine solche faktische Beherrschung abgelehnt. Schon aufgrund der Bestellung der Ergänzungspflegerin ergäben sich genügend Anhaltspunkte, dass sich S2 nicht dem Willen der W habe unterordnen müssen. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Ergänzungspflegerin nicht die erforderlichen Kenntnisse gehabt habe und sich deshalb selbst dem Willen der W habe unterordnen müssen.      Vgl. grundlegend RFH-Urt. 12.12.1924 - VI eA 188/24, RFHE 16,15 zur zunächst erfolgenden Verneinung der Gewerblichkeit sowie zur geänderten Beurteilung RFH-Urt. v. 26.10.1938 - VI 501/38, RStBl 1939, 282 und RFH-Urt. v. 1.7.1942 -VI 96/42, RStBl 1942, 1081. Der BFH distanziert sich in ständiger Rspr. von der ideologischen Begründung dieser Rspr., hält an diesem Rechtsinstitut jedoch fest.       Zur Vertiefung und weiteren Nachweisen vgl. Kaminski AktStR 2021, 515 ff       Vgl. BVerfG-Beschl. v. 12.3.1985 - 1 BvR 571/81,BStBl II 1985, 475, unter C.I.2., sowie die Nichtannahmebeschlüsse v. 13.1.1995 - 1 BvR 1946/94, HFR 1995, 223, v. 25.3.2004 - 2 BvR 944/00, NJW 2004, 2513, unter 1.b dd) und v. 14.2. 2008 - 1 BvR 19/07, HFR 2008, 754.       Zur Vertiefung vgl. Neufang, StB 2020, 209 m.w.N.       BFH-Urt. v. 26.1.1989 - IV R 151/86, BStBl II 1989, 455; vgl. H 15.7 Abs. 7 EStH „wesentliche Betriebsgrundlagen“       Grundlegend BFH-Beschl. v. 8.11.1971 - GrS 2/71, BStBl II 1972, 63; vgl. 15.7 Abs. 8 EStR       Vgl. etwa BFH-Urt. v. 24.2.1994 - IV R 8-9/93, BStBl II 1994, 466; H 15.7 Abs. 6 „Personengruppentheorie“       Vgl. etwa BFH-Urt. v. 24.2.1994 - IV R 8-9/93, BStBl II 1994, 466       BFH-Urt. v. 2.8.1972 - IV R 87/65, BStBl II 1972, 796       BFH-Urt. v. 28.5.2020 - IV R 4/17, BStBl II 2020, 710       Grundlegend BVerfG-Beschl. v. 12.3.1985 - 1 BvR 571/81, 1 BvR 494/83, 1 BvR 47/83, BStBl II 1985, 475       R 15.7 Abs. 8 EStR, ausdrücklich a.A. das FG Baden-Württemberg/Außensenate Freiburg, Urt. v. 29.1.2019 - 11 K 1398/16, EFG 2019, 1770, als Vorinstanz zum Besprechungsurteil       FG Baden-Württemberg/Außensenate Freiburg, Urt. v. 29.1.2019 - 11 K 1398/16, EFG 2019, 1770       Vgl. dazu BGH-Urt. v. 12.6.1989 - II ZR 246/88, BGHZ 108, 21 ff., 30       Dafür etwa Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 47 Rz 38; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl., § 18 Rz 12       BFH-Urt. v. 14.4.2021 - X R 5/19, BStBl II 2021, 851, Rz 41       BVerfG-Beschl. v. 12.3.1985 - 1 BvR 571/81, 1 BvR 494/83, 1 BvR 47/83, BStBl II 1985, 475       BFH-Urt. v. 28.5.2020 - IV R 4/17, BStBl II 2020, 710       Vgl. BFH-Urt. v. 21.1.1999 - IV R 96/96, BStBl II 2002, 771   

Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
Jahrgang: 2022 . Seite: 111
1. Eine gemeinnützige Stiftung kann im Verhältnis zu einem Anteilseigner einer KapG eine nahestehende Person sein; Zuwendungen der KapG an die Stiftung können eine vGA i.S. von § 8 Abs. 3 S. 2 KStG sein. 2. Ein Vorgang ist bereits dann geeignet, einen sonstigen Bezug bei einem Anteilseigner einer KapG i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG auszulösen, ...

Dr. Jörg Grune, Richter am FG, Hannover
Jahrgang: 2022 . Seite: 121
Der Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG kann widerrufen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung noch anfechtbar oder noch nach § 164 AO änderbar ist. § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG regelt den Widerruf nicht. BFH-Beschl. v. 2.7.2021 - XI R 22/19, BFH/NV 2021, 1624 I. Vorbemerkung 1. Grundsätze der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 UStG Ein u ...

Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
Jahrgang: 2022 . Seite: 133
1. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 AO setzt voraus, dass der Erstattungsanspruch vor Ablauf der Festsetzungsfrist entstanden ist (Anschluss an BFH v. 4.8.2020 - VIII R 39/18, BFHE 270, 81 sowie v. 25.11.2020 - II R 3/18, BFHE 272, 1). 2. In den sog. Bauträgerfällen führt ein Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers (Bauträger ...

Dr. Jörg Grune, Richter am FG, Hannover
Jahrgang: 2022 . Seite: 149
Im Jahr 2015 bestand hinsichtlich der Erfassung von Bareinnahmen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch bei sog. bargeldintensiven Betrieben mit offener Ladenkasse kein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Vollzugsdefizit. BFH-Urt. v. 16.9.2021 - IV R 34/18, DStR 2021, 2956 I. Vorbemerkung 1. Strukturelle Gesetzes- und Vollzugsdefizite De ...

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