Prof. Dr. H.-Michael Korth, WP/StB, Hannover
|
Jahrgang: 2011 . Seite: 461
|
A. Vorbemerkungen I. Regelmäßige Arbeitsstätte BegriffBegriff Regelmäßige Arbeitsstätte ist jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Ein-richtung des ArbG, der der ArbN zugeordnet ist und die er fortdauernd und immer wieder aufsucht. Dies ist regelmäßig der Betrieb des ArbG oder ein Zweigbetrieb, in dem der ArbN seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete ...
|
|
Joachim Moritz, Richter am BFH, München
|
Jahrgang: 2011 . Seite: 477
|
A. Vorbemerkungen I. Ersatz der Ansparabschreibung durch den Investitionsabzugsbetrag Mit dem UntStRefG 2008 hat der Gesetzgeber § 7 g EStG umfassend neu strukturiert und die Ansparabschreibung durch den Investitionsabzugsbetrag ersetzt. Dieser wird außerbilanziell gebildet und aufgelöst, beim Investitionszugang dann bilanzie ...
|
|
Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
|
Jahrgang: 2011 . Seite: 495
|
Bei der Ermittlung eines Auflösungsverlustes i.S.v. § 17 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist der Erwerbsaufwand nicht gem. § 3 c Abs. 2 S. 1 EStG begrenzt abziehbar, wenn der Stpfl. lediglich solche durch seine Beteiligu ...
|
|
Dr. Norbert Bolz, Richter am FG, Hannover
|
Jahrgang: 2011 . Seite: 509
|
Aufwendungen für ein im Anschluss an das Abitur durchgeführtes Medizinstudium können auch unter Geltung des § 12 Nr. 5 EStG als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen sein (Fortentwicklung der Rspr. zum BFH-Urt. v. 20.7.2006 - VI R 26/05, BStBl II 2006, 764). BFH-Urt. v. 28.7.2011 - VI R 7/10, BFH/NV 201 ...
|
|
Dr. Norbert Bolz, Richter am FG, Hannover
|
Jahrgang: 2011 . Seite: 519
|
Zivilprozesskosten können Kläger wie Beklagtem unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen (Änderung der Rspr.) BFH-Urt. v. 12.5.2011 - VI R 42/10, BFH/NV 2011, 1426 I. Vorbemerkungen § 33 Abs. 1 EStG regelt den Abzug von außergewöhnlichen Belastungen wie folgt: § 33 Abs. 1 EStG "(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig grö ...
|
|
AktStR: Dr. Jörg Grune, Richter am FG, Hannover, 2011 S. 527: Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung Dr. Jörg Grune, Richter am FG, Hannover Jahrgang: 2011 . Seite: 527 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind entgegen § 6 a UStG umsatzsteuerpflichtig, wenn der Unternehmer die Identität des Abnehmers verschleiert, um diesem die Hinterziehung der geschuldeten Umsatzsteuer zu ermöglichen. BFH-Urt. v. 17.2.2011 - V R 30/10, BStBl II 2011, 769 I. Vorbemerkung 1. Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen mit Vorsteuerabzug Ein unter § 1 Abs.1 UStG fallender steuerbarer Umsatz ist steuerpflichtig, wenn keine Steuerbefreiung vorliegt. Die Frage der Steuerfreiheit eines Umsatzes stellt sich daher erst, wenn feststeht, dass der Vorgang steuerbar ist. Ob Lieferungen und sonstige Leistungen steuerfrei sind, richtet sich im Wesentlichen nach den Steuerbefreiungsvorschriften des § 4 UStG. Hin-sichtlich der einzelnen Befreiungstatbestände lassen sich Befreiungen mit und ohne Berechtigung zum Vorsteuerabzug unterscheiden. Die sog. echten Steuerbefreiungen führen zu einer völligen Entlastung der Umsätze von der USt. Die Ausgangsumsätze sind steuerfrei, gleichzeitig kann der Unternehmer die auf den Eingangsumsätzen liegende USt als Vorsteuer abziehen, wie z.B. bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. b) UStG. Hinweis Zweck der Befreiung ist die Herstellung der Wettbewerbsneutralität. Für die USt gilt grds. das Bestimmungslandprinzip. Danach werden Ausfuhrlieferungen in Drittländer und innergemeinschaftliche Lieferungen von der USt befreit. Durch den Vorsteuerabzug ist die Ware nicht mehr mit deutscher USt belastet. Die Ware wird im Bestimmungsland durch eine Einfuhrumsatzsteuer oder USt für einen innergemeinschaftlichen Erwerb besteuert. Hierdurch wird erreicht, dass exportierte Waren in gleicher Höhe mit USt belastet sind wie die einheimische Ware. Wann eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt, wird durch § 6 a UStG definiert. 2. Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung, § 6 a UStG a) Lieferung eines Unternehmers Grundsätzlich muss eine steuerbare Lieferung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegen. Erforderlich ist, dass der Leistende ein Unternehmer ist, der den Liefer-gegenstand i.R. seines Unternehmens in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Hinweis Für Privatpersonen, die Gegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbringen, gilt die Steuerbefreiung nicht. Kleinunternehmer fallen ebenfalls nicht unter die Regelung, denn § 19 Abs. 1 S. 4 UStG schließt die Steuerbefreiung ausdrücklich aus. Auch Land- und Forstwirte, die unter die Pauschalbesteuerung nach § 24 UStG fallen, können keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen durchführen. Diese Leistungen fallen unter die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG. Der Sitz des Unternehmens ist für die Anwendung des § 6 a UStG nicht maßgebend, er kann im Inland, im übrigen Gemeinschaftsgebiet oder im Drittlandgebiet liegen. b) Beförderung/Versendung Der Liefergegenstand muss aus dem Inland in das übrige Gemeinschafts-gebiet gelangt sein. Ohne Bedeutung ist, ob der Lieferer oder der Absender die Beförderung oder Versendung durchführt. Unerheblich ist auch, ob die Warenbewegung durch ein Drittland führt. Die Steuerbefreiung setzt weiter voraus, dass der Abnehmer der Lieferung bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Dies hängt damit zusammen, dass der steuerlichen Entlastung im Ursprungsland die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland gegenübersteht. § 6 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG bestimmt als tatbestandliche Voraussetzung für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung den Personenkreis der Abnehmer: Der Abnehmer kann ein Unternehmer sein, der den Liefergegenstand für sein Unternehmen erwirbt, eine juristische Person, die nicht Unternehmerin ist oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt, jeder Erwerber bei Lieferung eines neuen Fahrzeuges c) Erwerbsbesteuerung Darüber hinaus macht § 6 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG die Steuerfreiheit davon abhängig, dass der Liefergegenstand im Bestimmungsland der Umsatzbesteuerung unterliegt. Es genügt die bloße Steuerbarkeit des Vorgangs. Nicht entscheidend ist, ob im Bestimmungsland eine Besteuerung tatsächlich erfolgt, z.B der Vorgang steuerfrei ist oder der Steuersatz im Bestimmungsland null beträgt. d) Nachweise Nach § 6 a Abs. 3 UStG soll der Unternehmer die Voraussetzungen für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nachweisen. Die Vorschrift enthält eine Ermächtigung für das BMF mit Zustimmung des BR durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wie der Nachweis zu führen ist. In Ausfüllung dieser Ermächtigung sind die §§ 17 a - 17c UStDV ergangen. Danach ist die innergemeinschaftliche Lieferung beleg- und buchmäßig nachzuweisen. aa) Geänderte Rechtsprechung von EuGH und BFH Streitig war lange Zeit, innerhalb welches Zeitrahmens der Buch- und Belegnachweis zu erbringen war und ob er materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist. EuGH und BFH haben diese Fragen in den vergan-genen Jahren geklärt. Der Belegnachweis konnte bereits nach bisheriger Rspr. und kann auch weiterhin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG erbracht werden. Für den Buchnachweis gilt dies allerdings auch nach der neueren Rspr. nicht. Bislang musste dieser unmittelbar nach der jeweiligen Lieferung geführt werden. Auf die Kritik des EuGH zum Fehlen einer konkreten Frist hat auch der BFH seine Rspr. geändert und stellt nunmehr auf den Zeitpunkt ab, zu dem die USt-VA für den konkreten Liefervorgang abzugeben ist. Hat der Unternehmer allerdings zumindest in den Grundzügen buchmäßige Aufzeichnungen geführt, kann er diese bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigen und/oder ergänzen. Hinweis Hierbei dürfte auch eine dem Unternehmer gewährte Dauerfristverlängerung zu berücksichtigen sein. Die Rechtslage lässt sich demnach wie folgt skizzieren: Nach der geänderten Rspr. besitzen die Nachweispflichten in §§ 17 a - c UStDV keinen materiell-rechtlichen Charakter mehr. Die in den Belegen enthaltenen Angaben stellen lediglich einen widerlegbaren Anscheinsbeweis dar. Sie unterliegen der Nachprüfbarkeit durch die FinVerw. Diese kann die Buch- und Belegangaben mit allen geeigneten Beweismitteln widerlegen oder in Zweifel ziehen. Räumt der Unternehmer die seitens der FinVerw zumindest anhand konkreter Anhaltspunkte dargelegten begründeten Zweifel nicht aus, ist die Lieferung - vorbehaltlich Vertrauensschutzes gem. § 6 a Abs. 4 UStG oder im Billigkeitsverfahren - grds. stpfl. bb) Anwendung der Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung Die FinVerw hat zuletzt mit BMF-Schr. v. 5.5.2010 auf die geänderte Rspr. reagiert. Sie geht davon aus, dass Buch- und Belegnachweis keine materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung sind. Soweit Mängel im Buch- und Belegnachweis festgestellt worden sind, andererseits aber das FA z.B. "durch Auskunftsersuchen an den Bestimmungsmitgliedstaat Kenntnis davon erlangt hat, dass der Liefergegenstand tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist, ist auch diese Information in die objektive Beweislage einzubeziehen". Hinweis In einer aktuellen Entscheidung hat der BFH jetzt zum Belegnachweis mittels eines CMR-Fachtbriefs Stellung bezogen. Danach scheidet ein CMR-Frachtbrief nicht bereits deshalb als geeigneter Versendungsbeleg aus, weil er nicht oder nicht vollständig ausgefüllt ist; insb. kommt es nicht darauf an, dass er die in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung aufweist. Allerdings ist nach Auffassung des BFH die Angabe des Bestimmungsorts erforderlich, um die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet nachzuweisen. e) Vertrauensschutz Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist der Unternehmer bei Erfüllung seiner Nachweispflichten im besonderen Maße auf die Angaben des ausländischen Abnehmers angewiesen. Dieses Risiko soll durch eine Vertrauensschutzregelung in § 6 a Abs. 4 UStG beschränkt werden. Behandelt der Unternehmer eine Lieferung nach § 6 a Abs. 1 UStG als steuerfrei, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, kommt ihm unter zwei Voraussetzungen ein Vertrauensschutz zugute: Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung beruht auf unrichtigen Angaben des Abnehmers und der Unternehmer konnte die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei der Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen. Liegen diese Voraussetzungen vor, bleibt es bei der Steuerfreiheit der Lieferung und der Abnehmer wird zum Schuldner der USt. Nach Auffassung der FinVerw gehört vor allem die Erfüllung des Buch- und Belegnachweises gem. §§ 17 a - c UStDV zu den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns. Allerdings will die FinVerw Vertrauensschutz im Einzelfall auch dann gewähren, wenn der Unternehmer eine unrichtige USt-IDNr. aufgezeichnet hat, dies aber auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kauf-manns nicht erkennen konnte (z.B. weil der Bestimmungsmitgliedstaat die USt-IDNr. des Abnehmers rückwirkend für ungültig erklärt hat), Abschn. 6a 8. UStAE. War die Unrichtigkeit einer USt-IDNr. erkennbar und hat der Unternehmer dies nicht erkannt - weil er z.B. das Bestätigungsverfahren nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt als dem des Umsatzes durchgeführt hat - genügt dies nach Meinung der FinVerw nicht den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns. Hinweis Der BFH stellt in seiner aktuellen Rspr. für die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6 a Abs. 4 UStG auf die formelle Vollständigkeit der Buch- und Belegangaben ab. Danach ist Vertrauensschutz u.a. dann nicht zu gewähren, wenn eine Rechnung über innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 14 a Abs. 1 UStG keinen Hinweis auf die Steuerbefreiung enthält. Der Stpfl. hat dann "nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen." In einer aktuellen BFH-Entscheidung ging es jetzt um die Frage, ob bereits die bösgläubige ("dolose") Einbindung des Lieferanten in ein Umsatzsteuer-Karussell zur Versagung der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung führt. II. BFH-Urt. v. 17.2.2011 - V R 30/10, BStBl II 2011, 769 1. Sachverhalt Die Klin., eine AG, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-GmbH. Sie führte innergemeinschaftliche Lieferungen von Handys nach Italien und Österreich an die Firmen E, F und B-GmbH aus. Im Jahr 2001 verurteilte das LG den GF der Abnehmerfirmen wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten, da er die Firmen BA-GmbH, P-GmbH, E, F und B-GmbH als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaften habe in seiner Hand gelegen. Die Klin. habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an E, F und B-GmbH weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien. Das FA schloss sich den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle an und erließ geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen es die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen versagte. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das FG stützte die Klageabweisung darauf, dass der Klin. aufgrund der ihrem Vorstandsmitglied bekannten Einbindung in ein "Umsatzsteuer-Karussell" der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Aus diesem Grund seien auch ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht steuerfrei. 2. Entscheidung und Begründung Auf die Rev. der Klin. hin hat der BFH die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Dafür waren folgende Erwägungen ausschlaggebend: Die Steuerfreiheit setze voraus, dass aufgrund der zutreffenden An-gaben (Nachweise) des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers bekannt sei. Erwiesen sich die nach den §§ 17 a ff. UStDV erforderlichen Nachweisangaben bei einer späteren Überprüfung als unzutreffend oder bestünden erhebliche Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumen könne, sei von einer Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung auszugehen. Diene der Verstoß gegen die Nachweispflichten dazu, die Identität des Abnehmers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, könne der Unternehmer die Steuerfreiheit auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen. Nicht ausreichend sei es, die Steuerfreiheit allein deshalb zu versagen, weil der Unternehmer in ein Umsatzsteuer-Karussell eingebunden ist. Liege keine Verschleierung hinsichtlich der Identität des Abnehmers vor, seien weitere Feststellungen zu den Abnehmerfirmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten, insb. zur Erfüllung der dortigen umsatz-steuerlichen Pflichten zu treffen. Weiter komme es darauf an, aufgrund welcher Umstände die Klin. von einer möglichen Hinterziehungsabsicht der Abnehmer Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. III. Anmerkungen 1. Reaktion des BFH auf EuGH-Rechtsprechung Bei der Rezensionsentscheidung handelt es sich um eine erste Reaktion auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "R". Diesem Verfahren lag verkürzt folgender Sachverhalt zugrunde: EuGH, Urt. v. 7.10.2010 - C-285/09, DStR 2010, 2572 R war GF einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft, die mit hochwertigen Pkws handelte. Käufer waren überwiegend in Portugal ansässige Kfz-Händler. R erstellte Scheinrechnungen auf Scheinkäufer als Empfänger der Lieferungen, in denen er deren USt-IDNr., die Bezeichnung des tatsächlich an einen anderen Erwerber gelieferten Fahrzeugs, den Kaufpreis sowie den Zusatz "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6 a UStG" angab und dadurch den Eindruck erweckte, dass die USt in Portugal bezahlt werde. Bei den Scheinkäufern handelte es sich um existierende Unternehmer in Portugal. Die tatsächlichen Käufer verkauften die Fahrzeuge an private Endabnehmer in Portugal weiter, ohne die für diesen Erwerb angefallene USt zu entrichten. R wurde wegen Umsatzsteuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil des LG legte R Rev. ein. Der BGH setzte das Revisionsverfahren aus und rief den EuGH an, der über die Vorlage wie folgt entschieden hat: Die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung ist zu versagen, wenn der liefernde Unternehmer dem Abnehmer vorsätzlich ermöglicht, die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland zu umgehen. Entscheidend ist dabei, dass der liefernde Unternehmer bewusst sachlich falsche Rechnungen ausstellt, um die Identität der wahren Erwerber zu verschleiern. Damit stützt der EuGH die Steuerpflicht einer innergemeinschaftlichen Lieferung maßgeblich auf die Verletzung der für den Unternehmer bestehenden Nachweispflichten. Nach § 17 c Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStDV gehören hierzu auch Angaben zur Person des Abnehmers. Zutreffend weist der BFH in der Rezensionsentscheidung darauf hin, dass der EuGH in der Rechtssache "R" nicht entschieden habe, ob eine Versagung der Steuerbefreiung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes - anders als im Sachverhalt des EuGH - in Betracht kommt, wenn dem liefernden Unternehmer, ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen, lediglich bekannt ist, dass der Abnehmer seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsland nicht erfüllen wird. Hierzu hatte das FG in der Vorinstanz überhaupt keine Feststellungen getroffen, vielmehr lediglich darauf verwiesen, dass der liefernde Unternehmer in ein Umsatzsteuer-Karussell eingebunden war. 2. Konsequenzen für die Praxis Ob die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "R" steuersystematisch überzeugend ist oder nicht , soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Richtig an der geäußerten Kritik ist zwar, dass der EuGH für Fälle der vorsätzlichen Hinterziehung der Erwerbsbesteuerung ein subjektives Ausschlussmerkmal festgeschrieben hat, das so weder der MwStSystRL noch dem UStG zu entnehmen ist. Andererseits steht beim innergemeinschaft-lichen Handel die Bekämpfung der Umsatzsteuerhinterziehung im Vordergrund. Gerade dann, wenn Veräußerer und Erwerber vorsätzlich zusammenarbeiten, um die Erwerbsbesteuerung zu verhindern, dürfte daher die Entscheidung des EuGH zumindest in der Sache gerechtfertigt sein. Für die Anwendungspraxis kann derzeit Folgendes konstatiert werden: Steht fest, dass die Person des Abnehmers vom liefernden Unternehmer bewusst (vorsätzlich) verschleiert wird, folgt daraus die Steuerpflicht dieser Lieferung. Hat der liefernde Unternehmer nachgewiesen, dass die objektiven Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen, ist es Aufgabe des FA, einen Hinter-ziehungsvorsatz nachzuweisen. Gelingt der Finanzbehörde dies nicht, bleibt es bei der Steuerbefreiung. Allein der Umstand, dass der Lieferant in ein Umsatzsteuer-Karussell eingebunden war, reicht nicht aus, die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung zu versagen. Hat der liefernde Unternehmer die Person des Abnehmers nicht verschleiert, war ihm vielmehr lediglich bewusst (oder musste ihm i.S. grober Fahrlässigkeit bewusst sein), dass der Abnehmer eine Erwerbsbesteuerung nicht vornehmen werde, gelten die vorstehenden Grundsätze nicht. Dieser Fall ist nicht entschieden. Der BFH hat in der Rezensionsentscheidung deutlich gemacht, dass diese Frage nur durch eine weitere Vorlage an den EuGH geklärt werden kann. Entsprechende Fallgestaltungen sollten bis zur Klärung durch den EuGH auf jeden Fall offen bleiben. IV. Fazit und Ausblick 1. Reaktion der Finanzverwaltung Die FinVerw hat zwischenzeitlich auf die Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache "R" und des BFH im Urteil v. 17.2.2011 reagiert: Sie wendet beide Entscheidungen an und hat Abschn. 6a. 2. Abs. 3 UStAE um einen Satz 7 ergänzt. 2. Offene Fragen Weder durch den EuGH noch durch die Rezensionsentscheidung des BFH ist der Streit um die missbräuchliche Erlangung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen abschließend geklärt. Vielmehr hat der BFH in aller Deutlichkeit aufgezeigt, dass die - in der Praxis überwiegenden - Fallgruppen der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis von der Hinterziehung des Abnehmers für neuen Diskussionsstoff sorgen werden. Es ist zu bedauern, dass der EuGH in der Rechts-sache "R" diese Frage nicht entschieden hat. In den nächsten Jahren wird der EuGH zweifellos nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen. 3. Geplante Änderung der Nachweispflichten in §§ 17 a ff. UStDV Am 10.8.2011 hat das BMF auf seiner Website einen Referentenentwurf zur Änderung steuerlicher Verordnungen veröffentlicht. Darin sind auch weitreichende Änderungen der UStDV vorgesehen, die zum 1.1.2012 in Kraft treten sollen. Zu den geplanten Änderungen gehört auch eine "Reform" der Nachweis-pflichten bei den innergemeinschaftlichen Lieferungen (§§ 17 a - c UStDV). Vorgesehen ist u.a., dass sowohl in Beförderungs- als auch in Versendungsfällen der Belegnachweis mit einer sog. Gelangensbestätigung geführt werden kann, die den Verbringensnachweis, die Empfangsbestätigung und den handelsüblichen Beleg ersetzen soll. Unbeachtlich soll es danach künftig sein, wer den Liefergegenstand tatsächlich befördert. Ausreichend ist i.d.R. die Bestätigung des Abnehmers ggü. dem liefernden Unternehmer. Hinweis Die oben aufgezeigten Probleme dürften durch die geplante Neuregelung keines-wegs gelöst werden: Arbeiten Lieferant und Abnehmer mit krimineller Energie zu-sammen, werden sich die oben aufgeführten Probleme weiter stellen. Die Gelangensbestätigung kann im Übrigen immer erst am Bestimmungsort nach Erhalt der Ware erstellt werden, d.h. es besteht auch die Gefahr, dass der liefernde Unternehmer die Bestätigung nicht erhält. Darüber hinaus will der VO-Geber aus allen bisher als Soll-Vorschriften ausgestalteten Regelungen Muss-Vorschriften machen. Die Unternehmer sind danach verpflichtet, die Buch- und Belegnachweise in der jeweils gebotenen Form zu erbringen. Hierbei dürfte es sich lediglich um redaktionelle Änderungen handeln, denn die Regelungen wurden bisher schon in dieser Weise ausgelegt. Im Ergebnis scheinen die geplanten Neuregelungen in §§ 17 a - c UStDV allerdings keinesfalls zu einer Vereinfachung geeignet. Der VO-Geber sollte - gerade im Bereich der "Gelangensbestätigung" - noch einmal eine grundlegende Überarbeitung des Entwurfs vornehmen. Weymüller, in Sölch/Ringleb, UStG, § 6 a Rz 21 Vgl. dazu auch Messner, AktStR 2009, 550 ff BFH-Urt. v. 28.2.1980 - V R 118/76, BStBl II 1980, 415 EuGH, Urt. v. 27.9.2007 - C-146/05, BStBl II 2009, 78, Rz 3 - RS Collée BFH-Urt. v. 28.5.2009 - V R 23/08, BStBl II 2010, 517; Messner, AktStR 2009, 550 ff., 557 m.w.N. BFH-Urt. v. 28.5.2009 - V R 23/08, BStBl II 2010, 517 Wäger; DStR 2009, 1621 ff, 1623 BFH-Urt. v. 12.5.2009 - V R 65/06, BStBl II 2010, 511 BMF-Schr. v. 5.5.2010 - IV D 3 - S 7141/08/10001 (2010/0334195), BStBl I 2010, 508 BMF-Schr. v. 5.5.2010 - IV D 3 - S 7141/08/10001 (2010/0334195), BStBl I 2010, 508 Rz 22 CMR = Convention relative au contrat de transport international de merchandises par route (internationale Vereinbarung über Beförderungsverträge auf Straßen) BFH-Urt. v. 4.5.2011 - XI R 10/09, BFH/NV 2011, 1628 BFH-Urt. v. 4.5.2011 - XI R 10/09, BFH/NV 2011, 1628 ff. Rz 20 BMF-Schr. v. 5.5.2010 - IV D 3 - S 7141/08/10001 (2010/0334195), BStBl I 2010, 508 Rz 54 BMF-Schr. v. 5.5.2010 - IV D 3 - S 7141/08/10001 (2010/0334195), BStBl I 2010, 508 Rz 55 BFH-Urt. v. 12.5.2011 - V R 46/10, BFH/NV 2011, 1801 BFH-Urt. v. 12.5.2011 - V R 46/10 Rz 31, BFH/NV 2011, 1801 Saarländisches FG, Urt. v. 30.6.2010 - 1 K 1319/07, EFG 2010, 1740 EuGH, Urt. v. 7.12.2010 - C-285/09, DStR 2010, 2572 - Rechtssache "R" BGH-Beschl. v. 7.7.2009 - 1 StR 41/09, DStR 2009, 1688; dazu Messner, AktStR 2009, 550 ff, 559 Kritisch zur EuGH-Entscheidung z.B. Küffner/v.Streit, DStR 2010, 2575 ff Küffner/v.Streit, DStR 2010, 2576 BFH-Urt. v. 17.2.2011 - V R 30/10, BStBl II 2011, 769 Rz 27 EuGH, Urt. v. 7.12.2010 - C-285/09, DStR 2010, 2572 - Rechtssache "R" BFH-Urt. v. 17.2.2011 - V R 30/10, BStBl II 2011, 769 BMF-Schreiben v. 26.9.2011 - IV D 3 - S 7141/08/10001, veröffentlicht unter www.bundesfinanzministerium.de/BMF-Schreiben Alvermann/Beckschäfer, DStR 2011, 1313 Bearbeitungsstand 5.8.2011! Darüber hinaus ist auch eine Anpassung der Buch- und Belegnachweise für Ausfuhrlieferungen an die seit 1.7.2009 bestehende EU-einheitliche Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Ausfuhrverfahren ("ATLAS-Ausfuhr") vorgesehen; ausführlich zu den geplanten Änderungen Huschens, NWB 2011, 3012 ff Zu Einzelheiten Huschens, NWB 2011, 3012 ff, 3018 Huschens, NWB 2011, 3012 ff, 3019 rät für diesen Fall zum Ausstellen einer Bruttorechnung ohne USt-Ausweis. Der Bruttokaufpreis würde dann einen Sicherungsbetrag i.H.d. USt enthalten mit dem Zusatz, dass der Betrag erstattet wird, wenn die Gelangensbestätigung übersandt wird. Huschens, NWB 2011, 3012 ff, 3018
|
|
|