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Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Jahrgang: 2019 . Seite: 1
Aktuelle Steuergesetzesänderungen zum 1.1.2019 I. Vorbemerkung Der Steuergesetzgeber hat eine Vielzahl von Rechtsänderungen zum 1.1.2019 vorgenommen oder sie zumindest zeitnah zum Ende des Jahres 2018 beschlossen: Gesetz zur Stärkung und steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung wei ...

Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
Jahrgang: 2019 . Seite: 45
Wird ein bisher bedingt verzinstes Darlehen ohne Bedingungseintritt in ein die Restlaufzeit umfassendes unbedingt verzinstes Darlehen mit einem Zinssatz, der dem effektiven Zinssatz eines bei einer Landesbank refinanzierten Darlehens entspricht, umgewandelt, so liegt auch dann ein verzinsliches Darlehen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG vor, wenn die Verzinsungsabrede zwar vor dem Bilanzstichtag erfolgt ...

Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2019 . Seite: 57
Eine USt-Vorauszahlung, die innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres gezahlt wird, ist auch dann im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit abziehbar, wenn der 10. Januar des Folgejahres auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt (entgegen EStH 2017, § 11 EStG H 11, Stichwort A ...

Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
Jahrgang: 2019 . Seite: 67
Dem Erwerber eines Anteils an einer PersG kann die Mitunternehmerstellung bereits vor der zivilrechtlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils zuzurechnen sein. Voraussetzung dafür ist, dass der Erwerber rechtsgeschäftlich eine auf den Erwerb des Gesellschaftsanteils gerichtete, rechtli ...

Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
Jahrgang: 2019 . Seite: 83
1. Die tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 34 EStG) setzt voraus, dass der Stpfl. die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Hierzu muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens ...

Dr. Norbert Bolz, Richter am FG a.D., Hannover
Jahrgang: 2019 . Seite: 97
1. Die Gewährung von Krankenversicherungsschutz ist i.H.d. geleisteten Beiträge Sachlohn, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags von seinem Arbeitgeber ausschließlich Versicherungsschutz und nicht auch eine Geldzahlung verlangen kan ...

AktStR: Dr. Norbert Bolz, Richter am FG a.D., Hannover, 2019 S. 111: Verlust aus der Veräußerung von Aktien Verlust aus der Veräußerung von Aktien Dr. Norbert Bolz, Richter am FG a.D., Hannover Jahrgang: 2019 . Seite: 111 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. 1. Eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG ist weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig (entgegen BMF-Schr. v. 18.1.2016 - IV C 1 - S 2252/08/10004, BStBl I 2016, 85, Rz 59). 2. Es steht grds. im Belieben des Stpfl., ob, wann und mit welchem Ertrag er Wertpapiere erwirbt und wieder veräußert (vgl. BFH-Urt. v. 25.8.2009 - IX R 55/07, BFH/NV 2010, 387, Rz 13). Dadurch macht der Stpfl. lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch, missbraucht sie aber nicht. BFH-Urt. v. 12.6.2018 - VIII R 32/16, BFH/NV 2018, 1184 I. Vorbemerkungen Zu den Einkünften aus KapV gehört seit Einführung der Abgeltungsteuer u.a. der Gewinn aus der Veräußerung von Aktien, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG.  Gewinn ist der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten, § 20 Abs. 4 S. 1 EStG. Vom Anwendungsbereich des Gesetzes ist gem. § 20 Abs. 4 und Abs. 6 EStG auch ein negativer Gewinn - ein Veräußerungsverlust - erfasst.  Dieser darf allerdings nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen und auch nicht nach § 10 d EStG abgezogen, sondern nur mit künftigen Einkünften aus KapV verrechnet werden, § 20 Abs. 6 S. 1 und 2 EStG. Für Verluste aus Aktiengeschäften gilt eine weitere Einschränkung: Sie dürfen nur mit Gewinnen aus Aktiengeschäften ausgeglichen werden, § 20 Abs. 6 S. 4 EStG. 1. Begriff der Veräußerung Fraglich ist, wie der Veräußerungsbegriff des Gesetzes zu verstehen ist. § 20 Abs. 2 S. 1 EStG enthält keine Legaldefinition für die namentlich einzeln aufgeführten Veräußerungstatbestände. Im Wege der Fiktion gilt als Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 EStG auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine KapG. 2. Auffassung des BFH Nach ständiger Rspr. des BFH ist unter einer Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 EStG die entgeltliche Übertragung des - zumindest wirtschaftlichen - Eigentums auf einen Dritten zu verstehen.  Im Hinblick auf die Entgeltlichkeit des Geschäfts bestehen allerdings unterschiedliche Auffassungen zwischen BFH und FinVerw. Nach Auffassung des BFH liegt eine entgeltliche Anteilsübertragung auch dann vor, wenn wertlose Anteile zwischen fremden Dritten ohne Gegenleistung oder gegen einen lediglich symbolischen Kaufpreisübertragen werden. Der BFH hält daher das Teilabzugsverbot des § 3 c Abs. 2 EStG wegen fehlender Einnahmen in Fällen, in denen objektiv wertlose Anteile zu einem symbolischen Kaufpreis (z.B. von 1 EUR) oder zu einem Kaufpreis von 0 EUR veräußert werden, für nicht anwendbar.  Der Tatbestand einer entgeltlichen Veräußerung sei hier ebenso erfüllt wie im Falle der Einziehung von Aktien und der Übertragung der eingezogenen Aktien auf die Gläubiger einer amerikanischen AG auf der Grundlage eines Insolvenzplanverfahrens nach US-amerikanischem Recht , weil die entgeltliche Eigentumsübertragung ggf. auch zwangsweise, etwa im Wege der Zwangsversteigerung, erfolgen könne.  3. Auffassung der FinVerw Die FinVerw hingegen verneint eine Veräußerung, wenn der Veräußerungspreis die tatsächlichen Transaktionskosten nicht übersteigt. Wird die Höhe der in Rechnung gestellten Transaktionskosten nach Vereinbarung mit dem depotführenden Institut dergestalt begrenzt, dass sich die Transaktionskosten aus dem Veräußerungserlös unter Berücksichtigung eines Abzugsbetrages errechnen, wird zudem ein Veräußerungsverlust nicht berücksichtigt.  Die FinVerw nimmt in diesen Fällen einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO an, weil der einzige Zweck eines solchen Aktienverkaufs gegen einen nur symbolischen, nicht dem realen Wert entsprechenden Kaufpreis darin bestehe, in den Genuss einer Steuerminderung zu kommen. Faktisch hätten die Vertragsparteien in diesen Fällen einen Veräußerungspreis von 0 EUR vereinbart. Dieses wirtschaftliche Ergebnis könne der Aktieninhaber aber auch erzielen, wenn er die Aktien in seinem Depot belasse. Sie wären dann wegen ihrer Wertlosigkeit aus seinem Depot zu irgendeinem Zeitpunkt schlicht ausgebucht worden. Die Ausbuchung stellt nach Auffassung der FinVerw aber weder eine Veräußerung i.S.v. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG dar, noch liegt danach einer der Ersatztatbestände des § 20 Abs. 2 S. 2 EStG vor. 4. Bescheinigung der Bank Verfahrensrechtlich ergibt sich eine weitere Besonderheit: Nach § 32 d Abs. 4 EStG kann der Stpfl. für die Kapitalerträge, die der KapESt unterlegen haben, mit der ESt-Erklärung eine Steuerfestsetzung beantragen. Dies gilt insb. in Fällen eines noch nicht i.R.d. § 43 a Abs. 3 EStG berücksichtigten Verlusts und eines Verlustvortrags nach § 20 Abs. 6 EStG. Nach § 20 Abs. 6 S. 5 EStG dürfen Verluste aus KapV, die der KapESt unterliegen, jedoch nur verrechnet werden oder die Einkünfte mindern, die der Stpfl. in den folgenden VZ aus KapV erzielt, wenn eine Bescheinigung i.S.d. § 43 a Abs. 3 S. 4 EStG vorliegt. Nach der zuletzt genannten Vorschrift hat die auszahlende Stelle auf Verlangen des Gläubigers der Kapitalerträge über die Höhe eines nicht ausgeglichenen Verlusts eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erteilen ; der Verlustübertrag entfällt in diesem Fall. Der unwiderrufliche Antrag auf Erteilung einer solchen Bescheinigung muss nach § 43 a Abs. 3 S. 5 EStG bis zum 15. Dezember des laufenden Jahres der auszahlenden Stelle zugehen. Beratungshinweis: Hinweis an Mandanten Mandanten sollten auf diese Notwendigkeit des Antrags und insb. die Frist bis zum 15. Dezember hingewiesen werden. Es stellt sich die Frage, ob Stpfl., die ihrem Finanzamt eine entsprechende Bescheinigung deshalb nicht vorlegen können, weil sich die auszahlende Stelle an die Vorgaben der FinVerw gehalten hat und demgemäß davon ausgegangen ist, dass der vom Stpfl. erzielte Verlust einkommensteuerrechtlich unbeachtlich ist, gleichwohl eine Steuerfestsetzung und damit die begehrte Verlustverrechnung beantragen können. Beratungshinweis: Nachweiserfordernis Nach der nunmehr geltenden Rechtslage sind Banken hierbei gem. § 44 Abs. 1 S. 3 EStG ausdrücklich an die Auslegung der FinVerw gebunden. Dies führt zur Notwendigkeit, bei abweichenden Auffassungen - etwa wie im Besprechungsurteil - über das Vorliegen eines Veräußerungstatbestands über alternative Nachweise nachzudenken, um später etwa Verluste nutzen zu können. 5. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfragen Vor diesem Hintergrund hatte der BFH nunmehr die folgenden Fragen zu beantworten: Liegt eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG auch vor, wenn beim Verkauf von Aktien der Veräußerungserlös die Transaktionskosten nicht übersteigt? Steht der Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG entgegen, dass die Bank eine Bescheinigung nach § 43 a Abs. 3 S. 4 EStG deshalb nicht erteilt hat, weil nach der sie bindenden Verwaltungsauffassung kein nicht ausgeglichener Verlust vorliegt und die Bescheinigung eines Verlustes durch den Stpfl. daher nicht erlangt werden kann? II. BFH-Urteil v. 12.6.2018 - VIII R 32/16, BFH/NV 2018, 1184 1. Sachverhalt Der Kläger hatte 2009 und 2010 über eine Sparkasse 800 Inhaber-Stammaktien einer AG zu Anschaffungskosten i.H.v. insg. 5.759,78 EUR erworben. Einen Teil dieser Aktien (anteilige Anschaffungskosten: 3.817,40 EUR) veräußerte er am 21.10.2013 für insg. 8 EUR an die Sparkasse. Diese behielt in gleicher Höhe Transaktionskosten ein. Die restlichen Aktien (anteilige Anschaffungskosten: 1.942,38 EUR) veräußerte er am 20.12.2013 für insg. 6 EUR an die Sparkasse, wobei diese wiederum Transaktionskosten i.H.d. Kaufpreises berechnete. Die Sparkasse buchte den Verlust i.H.v. insg. 5.759,78 EUR nicht in die Verlustverrechnungstöpfe ein und stellte über den Verlust auch keine Bescheinigung aus. Sie berief sich dafür auf ein BMF-Schr. v. 9.10.2012.  Der Kläger machte den Verlust in seiner ESt-Erklärung 2013 i.H.v. 5.759,78 EUR bei den Einkünften aus KapV geltend und stellte u.a. den Antrag gem. § 32 d Abs. 4 EStG. Daneben gab er positive Kapitalerträge i.H.v. 9.541 EUR an, davon 6.839 EUR Gewinn aus Aktienveräußerungen. Das Finanzamt berücksichtigte die Verluste im ESt-Bescheid 2013 v. 22.10.2014 wegen der fehlenden Steuerbescheinigung nicht. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das Finanzamt mit der Begründung zurück, es liege keine Veräußerung vor, weil der Veräußerungspreis die Transaktionskosten nicht übersteige.  Das FG gab der Klage statt.  I.R.d. Revisionsverfahrens, dem das BMF beigetreten war, brachte das Finanzamt vor, dass ein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO vorliege. Der Kläger habe die Aktien faktisch zu einem Veräußerungspreis von 0 EUR veräußert. Der geringe Preis von 6 bzw. 8 EUR sei nur vereinbart worden, um in den Genuss einer Steuerminderung zu kommen. Sachgerecht sei es, die Anteile ohne steuerliche Auswirkungen auszubuchen. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahr 2013 Kläger Erwerb von 800 Stammaktien einer AG im Jahr 2009 und 2010 mit Anschaffungskosten von insg. 5.759,78 EUR. Einen Teil verkaufte er im Oktober 2013 für insg. 8 EUR, den Rest für insg. 6 EUR im Dezember 2013. Die Sparkasse behielt Transaktionskosten i.H.d. Veräußerungspreise ein. Sparkasse stellte gem. BMF-Schr. v. 9.10.2012 Verluste nicht in die Verlustverrechnungstöpfe ein und erstellte keine Bescheinigung über die Verluste. Antrag nach § 32 d Abs. 4 EStG: Verrechnung der Verluste mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien (6.839 EUR). Finanzamt Verlustberücksichtigung scheidet mangels Veräußerung und wg. fehlender Steuerbescheinigung aus. FG Veräußerung liegt vor und fehlende Steuerbescheinigung ist unbeachtlich. Revision Beitritt des BMF Finanzamt: Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO - Ausbuchung der Anteile sei die sachgerechte Vorgehensweise 2. Entscheidung und Begründung Die Rev. des Finanzamts war erfolglos. Der BFH bestätigte das Urt. der Vorinstanz mit im Wesentlichen folgender Begründung: Eine entgeltliche Anteilsübertragung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG liegt auch vor, wenn wertlose Anteile zwischen fremden Dritten ohne Gegenleistung oder gegen einen lediglich symbolischen Kaufpreis übertragen werden. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG ist daher insb. weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig.  Es liegt auch kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO vor. Denn das Ziel des Klägers, sich von den nahezu wertlosen Wertpapieren durch Übertragung auf einen Dritten zu trennen, war (sinnvoll) nicht anders als durch eine Veräußerung zu erreichen. Damit hat der Kläger lediglich von einer ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht. III. Anmerkungen Die Rezensionsentscheidung belegt erneut, dass der BFH bei der Anerkennung von Verlusten im Zusammenhang mit Forderungsausfällen oder Anteilsveräußerungen - sei es im Anwendungsbereich des § 17 EStG oder im Bereich des § 20 EStG - der häufig engherzigen Auffassung der Verwaltung nicht folgt. 1. Entwicklung der BFH-Rechtsprechung Zwar hatte der IX. Senat mit seiner Entscheidung vom 11.7.2017  seine bisherige Rspr. zur Anerkennung nachträglicher Anschaffungskosten i.R.d. § 17 EStG nach Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts verschärft ; zeitnah hatte allerdings der VIII. Senat erstmals den Ausfall einer privaten Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus KapV anerkannt  und damit zugleich der Entscheidung des IX. Senats ein wenig von ihrer Schärfe genommen. Beide Entscheidungen sind allerdings bis heute nicht im BStBl veröffentlicht worden. Die FinVerw hat vielmehr zunächst nur mit "Stillhalteerlassen" auf diese Entwicklungen in der Rspr. reagiert.  Sie hat das BFH-Urt. v. 24.10.2017 auch nicht in der letzten partiellen Änderung des Anwendungserlasses zur Abgeltungsteuer erwähnt.  Der VIII. Senat widerspricht der Auffassung der FinVerw, wonach der Forderungsausfall keine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 2 EStG ist.  Bereits zuvor hatte der IX. Senat einen weiteren Veräußerungsbegriff als die Verwaltung vertreten, indem er im Anwendungsbereich des § 17 EStG entschied, dass eine entgeltliche Veräußerung auch dann vorliegt, wenn objektiv wertlose Anteile zu einem Kaufpreis von 0 EUR  oder lediglich zu einem symbolischen Kaufpreis (z.B. von 1 EUR)  veräußert werden. 2. Besonderheiten des Urteilsfalls Der Rezensionsfall unterscheidet sich hiervon dadurch, dass vorliegend Aktien zu einem Gesamtverkaufspreis von 8 EUR bzw. von 6 EUR veräußert wurden, wobei die Bank wiederum jeweils Transaktionskosten in gleicher Höhe berechnet hatte. Die FinVerw sieht in diesen Fällen den Tatbestand der Veräußerung als nicht erfüllt an und berücksichtigt Veräußerungsverluste, die im Zusammenhang mit derartigen Geschäften entstehen, nicht.  Dem tritt der VIII. Senat mit überzeugenden Argumenten entgegen. Er verweist darauf, dass das Gesetz weitere Tatbestandsmerkmale als den entgeltlichen Rechtsträgerwechsel nicht aufstellt. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor, da der Kläger die Anteile an der AG gegen einen Kaufpreis auf einen Dritten übertragen hatte. Zwar war dieser nur gering und die Bank behielt in gleicher Höhe Transaktionskosten ein; das Tatbestandsmerkmal der "Entgeltlichkeit " war damit jedoch gleichwohl erfüllt. 3. Kein Gestaltungsmissbrauch Anders als das beklagte Finanzamt und das dem Revisionsverfahren beigetretene BMF sah der BFH hierin jedoch keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO. Da ein Stpfl. seine Verhältnisse grds. so gestalten darf, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen, ist nach ständiger Rspr. eine rechtliche Gestaltung erst dann unangemessen, wenn der Stpfl. nicht die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg gewählt hat, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll.  Diese Merkmale waren nach Auffassung des BFH im Streitfall nicht erfüllt. Unstreitig wollte sich der Kläger vorliegend von seinen nahezu wertlosen Wertpapiere n trennen. Der BFH anerkennt, dass das vom Kläger erstrebte Ziel (wirtschaftlich sinnvoll) nur durch eine Veräußerung zu erreichen war. Da der Gesetzgeber aber die Veräußerung von Aktien ausdrücklich in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG vorsieht und der Besteuerung unterwirft, verstößt ein Stpfl., der sich derart gesetzeskonform verhält, nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung. An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass ein Verlustgeschäft vorliegt, da auch Veräußerungsverluste vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst werden. Darüber hinaus gestand der BFH dem Kläger aber auch im Hinblick auf den Veräußerungszeitpunkt völlige Entscheidungsfreiheit zu. Denn wenn das Gesetz an freie wirtschaftliche Dispositionen - hier Aktienveräußerungen - anknüpft, liegt es nach Ansicht des BFH in der Natur der Sache, dass der Stpfl. auch den Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Besteuerung bestimmen kann. Ob, wann und mit welchem Ertrag ein Stpfl. Wertpapiere erwirbt und wieder veräußert, liegt in der alleinigen Dispositionsbefugnis des Stpfl. Auch dadurch macht er lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch, missbraucht diese aber nicht.  Beratungshinweis: Gezielter Verkauf Der BFH betont die Handlungsfreiheit des Stpfl. Damit besteht auch die Möglichkeit, kurz vor Jahresende etwa das Depot auf Aktien durchzusehen, bei denen Kursverluste eingetreten sind und diese zu verkaufen. Eine solche Vorgehensweise ist sinnvoll, wenn positive Veräußerungsgewinne aus Aktien entstanden sind und diese für einen Verlustausgleich genutzt werden können. Hieraus lassen sich Zins- und Liquiditätsvorteile erzielen. 4. Ausbuchung als Alternative? Das Finanzamt hatte dem Kläger im Streitfall vorgehalten, er hätte das von ihm gewünschte wirtschaftliche Ergebnis auch dadurch erzielen können, wenn er die Aktien in seinem Depot belassen hätte, die dann wegen ihrer Wertlosigkeit zu einem späteren Zeitpunkt aus seinem Depot schlicht ausgebucht worden wären. Dieser Vorgang wäre allerdings steuerlich unbeachtlich geblieben, da die Ausbuchung nach Auffassung der FinVerw weder eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG darstellt, noch einen der Ersatztatbestände des § 20 Abs. 2 S. 2 EStG erfüllt. Der BFH hat zu den Fragen über die zivil- und steuerrechtliche Einordnung und die tatsächlichen Bedingungen einer Ausbuchung mangels Streiterheblichkeit nicht Stellung nehmen müssen. Er hat allerdings klargestellt, dass die Dispositionsfreiheit eines Stpfl. nicht durch steuerliche Sanktionen derart eingeschränkt werden darf, dass er sich auf unbestimmte Zeit nicht von (lästig gewordenen) Aktien trennen kann. Beratungshinweis: Veräußerung vorzugswürdig Vor dem Hintergrund der z.Zt. noch unklaren Rechtslage hinsichtlich der steuerlichen Folgen einer Ausbuchung sollten Stpfl., deren Aktien wertlos geworden sind, allerdings vorrangig eine Veräußerung gegen geringes Entgelt anstelle einer Ausbuchung vornehmen. Ist die Depotausbuchung allerdings bereits erfolgt, sollte die Hoffnung auf steuerliche Berücksichtigung des Verlustes gleichwohl nicht aufgegeben werden. Denn im Schrifttum wird mit durchaus überzeugenden Argumenten dafür geworben, die Ausbuchung wertlos gewordener Anteile in den Veräußerungsbegriff des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG einzubeziehen. Diese Auffassung vertritt insb. Monika Jachmann-Michel als Vorsitzende des für die Rezensionsentscheidung zuständigen VIII. Senats.  Das wirtschaftliche Ergebnis der Ausbuchung wertlos gewordener Anteile komme dem ihrer Übertragung auf einen anderen Rechtsträger bei einer Gegenleistung von 0 EUR (Veräußerung) unter dem Aspekt einer leistungsfähigkeitsgerechten wie folgerichtigen Einkommensbesteuerung so nahe, dass es sachgerecht wäre, diese Ausbuchung in verfassungskonformer Auslegung des Veräußerungsbegriffs unter ihn zu fassen. Hierdurch würde einer ansonsten u.U. drohenden Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG begegnet.  Stpfl., deren wertlos gewordene Aktien von ihrer Bank ausgebucht worden sind, sollten daher versuchen, die steuerliche Verlustverrechnung ggf. im Klagewege zu erstreiten. Die Chancen, spätestens im Revisionsverfahren Recht zu bekommen, stehen jedenfalls nicht schlecht. 5. Verfahrensrechtliche Besonderheiten Im Streitfall hatte der Kläger einen Antrag auf Steuerfestsetzung nach § 32 d Abs. 4 EStG gestellt, um eine Verrechnung seines Verlustes durch die Veräußerung der (wertlosen) Aktien mit den Gewinnen aus der Veräußerung von anderen (gewinnträchtigen) Aktien zu erreichen. Die hierfür gem. § 20 Abs. 6 S. 5 EStG erforderliche Bescheinigung i.S.d. § 43 a Abs. 3 S. 4 EStG hatte ihm die Bank - den Vorgaben der FinVerw folgend - nicht erteilt. Er hatte sie aber auch nicht beantragt. Beratungshinweis: Keine Möglichkeit zur Beantragung Selbst wenn der Stpfl. einen solchen Antrag gestellt hätte, hätte die Sparkasse keine solche Bescheinigung ausgestellt, weil einerseits nach der für diese bindenden Verwaltungsauffassung kein Veräußerungsvorgang vorlag und der zweite Verkauf erst am 21. Dezember 2013 und damit nach dem für die Beantragung entscheidenden Stichtag 15. Dezember erfolgte. Dies stand nach Auffassung des BFH der vom Kläger begehrten Verlustverrechnung jedoch nicht entgegen. Insoweit hat der BFH auf Sinn und Zweck der Vorschrift des § 20 Abs. 6 S. 5 EStG abgestellt, die allein der Verhinderung eines doppelten Verlustabzug s diene. Eine solche Gefahr bestand im Streitfall hingegen nicht, weil die Bank aufgrund der veröffentlichten Auffassung der FinVerw davon ausging, dass der erzielte Verlust einkommensteuerrechtlich unbeachtlich war. Demzufolge war es ausgeschlossen, dass der Verlust doppelt berücksichtigt wurde. Der BFH hält es daher für reinen Formalismus, in diesem Fall für die Verlustverrechnung eine Bescheinigung i.S.d. § 20 Abs. 6 S. 5 EStG zu verlangen.  IV. Beratungshinweise Die Entwicklungen in der Rspr. zur steuerlichen Anerkennung von Substanzverlusten - sei es i.R.d. § 17 EStG oder des § 20 Abs. 6 EStG - bleiben abzuwarten. Zwar können nach der neuesten Rspr. auch Forderungsausfälle einer privaten Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus KapV geltend gemacht werden; angesichts der noch ausstehenden Reaktion der FinVerw verbleiben jedoch gewisse Unsicherheiten.  Wer sich diesen nicht aussetzen will, sollte eine Veräußerung der Forderung - ggf. nur zu einem symbolischen Kaufpreis - in Erwägung ziehen. Soweit es sich bei dem Käufer nicht um eine nahestehende Person handelt, sind derartige Veräußerungsverluste steuerlich anzuerkennen. Die Rezensionsentscheidung zeigt, dass diese Grundsätze auch auf die Veräußerung von wertlos gewordenen Aktien zu einem ebenfalls nur symbolischen Kaufpreis Anwendung finden. Die fehlende Bescheinigung der Bank stellt jedenfalls kein Verfahrenshindernis dar. Eine Ausbuchung wertlos gewordener Aktien sollte in Anbetracht der noch fehlenden höchstrichterlichen Rspr. hierzu allenfalls subsidiär in Erwägung gezogen werden. Vor diesem Hintergrund sollte die FinVerw ihre in Rz 59 Abs. 2 des BMF-Schr. v. 18.1.2016 zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung schleunigst überdenken.      Für erworbene Anteile vor dem 1.1.2009 ist die Übergangsregelung gem. § 23 EStG i.V.m. § 52 Abs. 28 S. 11 EStG zu beachten.       BFH-Urt. v. 12.1.2016 - IX R 48/14, BStBl II 2016, 456       BFH-Urt. v. 12.5.2015 - IX R 57/13, BFH/NV 2015, 1364       BFH-Urt. v. 6.4.2011 - IX R 61/10, BStBl II 2012, 8; BFH-Urt. v. 1.10.2014 - IX R 13/13, BFH/NV 2015, 198       BFH-Urt. v. 12.5.2015 - IX R 57/13, BFH/NV 2015, 1364       BFH-Urt. v. 10.12.1969 - I R 43/67, BStBl II 1970, 310       BMF-Schr. v. 18.1.2016 - IV C 1 - S 2252/08/10004 :017, BStBl I 2016, 85, Rz 59       S. Muster I im BMF-Schr. v. 3.12.2014 - IV C 1 - S 2401/08/10001:011, BStBl I 2014, 1586       BMF-Schr. v. 9.10.2012 - IV C 1 - S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953, Rz 59, nunmehr ersetzt durch BMF-Schr. v. 18.1.2016 - IV C 1 - S 2252/08/10004, BStBl I 2016, 85, Rz 59       BMF-Schr. v. 9.10.2012 - IV C 1 - S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953, Rz 59       Nds. FG, Urt. v. 26.10.2016 - 2 K 12095/15, EFG 2017, 132       Entgegen BMF-Schr. v. 18.1.2016 - IV C 1 - S 2252/08/10004, BStBl I 2016, 85, Rz 59       BFH-Urt. v. 11.7.2017 - IX R 36/15, BFH/NV 2017, 1501; bespr. v. Bolz, AktStR 2018, 9       Vgl. hierzu eingehend auch BFH-Urt. 20.7.2018 - IX R 5/15, BFH/NV 2019, 71 sowie hierzu Perschon, AktStR 2019, 123 (in diesem Heft)       BFH-Urt. v. 24.10.2017 - VIII R 13/15, BFH/NV 2018, 280; bespr. v. Krohn, AktStR 2018, 23       OFD NW v. 23.1.2018 - ESt-Nr. 01/2018, DStR 2018, 921; Weiss, GmbHR 2018, 587       BMF-Schr. v. 12.4.2018 - IV C 1 - S 2252/08/100004:021, BStBl I 2018, 624       BMF-Schr. v. 18.1.2016 - IV C 1 - S 2252/07/10004:017, BStBl I 2016, 85, Rz 60       BFH-Urt. v. 1.10.2014 - IX R 13/13, BFH/NV 2015, 198       BFH-Urt. v. 6.4.2011 - IX R 61/10, BStBl II 2012, 8       BMF-Schr. v. 18.1.2016 - IV C 1 - S 2252/07/10004:017, BStBl I 2016, 85, Rz 59       BFH-Urt. v. 8.3.2017 - IX R 5/16, BStBl II 2017, 930       BFH-Urt. v. 11.10.2000 - I R 99/96, BStBl II 2001, 22 sowie hierzu auch BFH-Urt. v. 20.7.2018 - IX R 5/15, BFH/NV 2019, 71 mit Anm. Perschon, AktStR 2019, 134 (in diesem Heft)       Jachmann-Michel, DB 2018, 2777, 2779       Für einen weiten Veräußerungsbegriff auch Moritz/Strohm, in: Frotscher/Geurts, EStG, § 20 (n.F.) Rz 268: von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 20 Rz 144; Schmitt-Homann, BB 2010, 351, 354       BFH-Urt. v. 20.10.2016 - VIII R 55/13, BStBl II 2017, 264; BFH-Urt. v. 9.5.2017 - VIII R 54/14, BStBl II 2018, 262; BFH-Urt. v. 29.8.2017 - VIII R 23/15, BFH/NV 2018, 104       Vgl. hierzu auch BFH-Urt. v. 20.7.2018 - IX R 5/15, BFH/NV 2019, 71 mit Anm. Perschon, AktStR 2019, 123 (in diesem Heft)   

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