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Anordnung einer Außenprüfung bei Verdacht einer Steuerstraftat
AktStR: Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover, 2022 S. 501: Anordnung einer Außenprüfung bei Verdacht einer Steuerstraftat Anordnung einer Außenprüfung bei Verdacht einer Steuerstraftat Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover Jahrgang: 2022 . Seite: 501 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. Da sich für den Erlass einer Prüfungsanordnung keine konkreten und allgemeingültigen Maßstäbe zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und zur Beachtung des Willkür- und Schikaneverbots entwickeln lassen, wirft der Beschwerdeführer keine abstrakte Rechtsfrage i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO auf, wenn er geklärt sehen will, ob aus bestimmten Umständen des Streitfalls abstrahierend erhöhte Begründungsanforderungen i.R.d. Ermessensprüfung des Finanzamts abzuleiten sind. BFH-Beschl. v. 24.5.2022 - VIII B 53/21, BFH/NV 2022, 804 I. Vorbemerkungen Besteuerungsverfahren und Steuerfahndungsverfahren sind sowohl hinsichtlich ihrer Rechtsnatur als auch ihrem Ziel nach gänzlich unterschiedlicher Art. 1. Besteuerungsverfahren Nach § 88 AO hat das Finanzamt den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Art und Umfang der Ermittlungen richten sich nach den Umständen des Einzelfalls; an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten ist das Finanzamt nicht gebunden. Im Besteuerungsverfahren hat der Stpfl. umfangreiche Mitwirkungs-, Erklärungs-, Auskunfts- und Offenbarungspflichten. Er ist nach § 90 AO zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet, hat nach § 93 AO die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Bücher, Aufzeichnungen und andere Urkunden gem. § 97 AO vorzulegen sowie das Betreten von Grundstücken und Räumen zu gestatten, 99 AO. Bei Nichterfüllung dieser Pflichten hat die FinVerw die Zwangsmittel des Zwangsgeldes, Ersatzvornahme und unmittelbaren Zwangs, § 328 AO. Kommt der Stpfl. der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht nach, kann das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen schätzen (§ 162 AO) und sich insoweit im oberen Bereich des Schätzungsrahmens bewegen. Nach herrschender Meinung führen selbst Schätzungsfehler bei Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nur zur Rechtswidrigkeit und nicht zur Nichtigkeit des Schätzungsbescheids, es sei denn, dass das Finanzamt bewusst und willkürlich zum Nachteil des Stpfl. geschätzt hat. Zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen kann sich das Finanzamt nicht nur an die Beteiligten wenden. Nach § 93 AO haben auch andere Personen dem Finanzamt die zur Feststellung eines erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Allerdings ist § 93 AO kein „Freibrief“ für das Finanzamt, ohne konkrete Veranlassung „ins Blaue“ hinein Auskunftsersuchen an andere als die Beteiligten zu stellen, um auszuforschen, ob überhaupt steuerlich erhebliche Sachverhalte vorliegen; vielmehr muss im Einzelfall ein konkreter Anlass für das Auskunftsersuchen gegeben sein. Bei Stpfl., die einen gewerblichen oder LuF-Betrieb unterhalten oder freiberuflich tätig sind, kann nach § 193 AO zur Ermittlung der Verhältnisse des Stpfl. eine Ap durchgeführt werden. Auch hier obliegt dem Stpfl. eine Mitwirkungspflicht, § 200 AO. Nach § 199 Abs. 1 AO ist der Außenprüfer gehalten, die für die Besteuerungsgrundlagen maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse auch zu Gunsten und nicht nur zuungunsten des Stpfl. zu prüfen. 2. Steuerfahndungsverfahren Die Aufgabe der Steuerfahndung ist hingegen eine andere. Nach § 208 AO ist Aufgabe der Steuerfahndung 1. die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten, 2. die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in Nr. 1 bezeichneten Fällen und 3. die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Die mit der Steuerfahndung betrauten Finanzämter für Fahndung und Strafsachen haben die Befugnisse, die auch den Finanzämtern zustehen. Geht es um die Prüfung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der konkreten Tätigkeit der Steuerfahndung, differenziert der BFH entsprechend seiner Auffassung von der Doppelfunktion der Steuerfahndung zwischen der Aufgabenzuweisung nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO und den zur Erfüllung dieser Aufgaben verliehenen Befugnissen nach § 208 Abs. 1 S. 2 AO. Konkrete Ordnungsmaßnahmen sind danach rechtmäßig, solange sich die Steuerfahndung i.R.d. ihr zugewiesenen Aufgabenbereichs hält und die in Anspruch genommene Befugnis ihr zusteht. Soweit es die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Fälle nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO betrifft, geht der BFH davon aus, dass ein Anlass für ein Tätigwerden der Steuerfahndung bestehen muss. Es muss also aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommen. Unzulässig sind danach typische polizeiliche Ausforschungsmaßnahmen wie insb. Ermittlungen „ins Blaue hinein“, Rasterfahndungen oder Ausforschungsdurchsuchungen. 3. Parallelität beider Verfahren In der Praxis verlaufen das Besteuerungsverfahren und das Fahndungsverfahren häufig zeitgleich. Nicht selten werden beide Verfahren von der gleichen Behörde durchgeführt, da nach § 368 Abs. 1 AO die Finanzbehörde den Sachverhalt beim Verdacht einer Straftat ermittelt. Vielfach ist derselbe Beamte nach § 208 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO tätig. Da beide Verfahren von unterschiedlichen Prinzipien bestimmt sind, birgt dies Gefahren. Im Besteuerungsverfahren hat der Stpfl. die vorstehend dargestellten umfangreichen Mitwirkungspflichten. Demgegenüber gilt im Strafverfahren der Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“, wonach niemand gezwungen werden kann, sich selbst anzuklagen („ Nemo-tenetur-Prinzip“). Es gilt als Ausdruck der verfassungsrechtlich garantierten Menschenwürde und findet seine Ausprägung in dem in § 136 Abs. 1 S. 2 StPO statuierten Schweigerecht. § 136 Abs. 1 StPO „Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu öffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Er ist ferner darüber zu belehren, dass er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen kann. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf hingewiesen werden, dass er sich schriftlich äußern kann.“ Zur Vermeidung von Zwangsmitteln i.R.d. Verfahrens wäre der Stpfl. an sich gehalten, Tatsachen offenzulegen, die zu seiner Verurteilung beitragen können. § 393 Abs. 1 AO soll in dieser Konfliktsituation den einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verdächtigten Stpfl. schützen, ihn insb. davor bewahren, dass seine strafprozessualen Rechte ins Leere laufen. § 393 Abs. 1 AO „Die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren richten sich nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften. Im Besteuerungsverfahren sind jedoch Zwangsmittel (§ 328 AO) gegen den Steuerpflichtigen unzulässig, wenn er dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Dies gilt stets, soweit gegen ihn wegen einer solchen Tat das Strafverfahren eingeleitet worden ist. Der Steuerpflichtige ist hierüber zu belehren, soweit dazu Anlass besteht.“ Der Gesetzgeber hat sich nicht dazu durchringen können, die Mitwirkungspflichten des Stpfl. im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn wegen einer Straftat gänzlich außer Kraft zu setzen. Stattdessen hat er einen „Mittelweg“ gewählt, indem er die Mitwirkungspflichten zwar bestehen lässt, jedoch auf die Anwendung von Zwangsmitteln insoweit verzichtet. Der Gesetzgeber hat die grundsätzliche Aufrechterhaltung der verfahrensrechtlichen Stellung des Stpfl. trotz Einleitung des Strafverfahrens damit gerechtfertigt, das anderenfalls zu befürchten wäre, dass der unredliche Stpfl. gegenüber dem ehrlichen Stpfl. bessergestellt würde. 4. Vom BFH zu beantwortende Rechtsfrage Vor dem Hintergrund dieses Konflikts stellte sich dem BFH folgende Frage: Ist es für die (erstmalige) Anordnung einer Außenprüfung von Bedeutung, ob hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Straftat besteht und bestehen insoweit erhöhte Begründungsanforderungen für eine Prüfungsanordnung? II. BFH-Beschl. v. 24.5.2022 - VIII B 53/21, BFH/NV 2022, 804 1. Sachverhalt Die Beschwerdeführerin ist eine Freiberufler-PersG. Gegen einen der Gesellschafter war ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Nutzung von Kraftfahrzeugen im Rahmen seiner früheren Einzelpraxis in den Jahren 2012 bis 2014 anhängig. Gegenstand des Verfahrens war, ob die Fahrzeuge zu Recht dem Betriebsvermögen der Einzelpraxis zugeordnet waren. Das Finanzamt hatte parallel eine Ap gegen die Beschwerdeführerin für die VZ 2014 - 2017 angeordnet. In diesen Jahren befanden sich einzelne der Fahrzeuge des Gesellschafters aus seiner vormaligen Einzelpraxis nach einer Übertragung zwischenzeitlich im Gesamthandsvermögen der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin hielt die Anordnung der Ap ohne eine besondere Begründung für ermessensfehlerhaft, da bei ihrem Erlass schon gegen einen der Gesellschafter strafrechtliche Ermittlungen anhängig waren und die Außenprüfung auf der Ebene der Gesellschaft offensichtlich strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Gesellschafter gedient habe. Das Sächsische FG wies die Klage als unbegründet ab. Die Anordnung der Ap habe nicht dazu gedient, Vorwürfen gegen den Gesellschafter für die VZ 2012 - 2014 nachzugehen. Zweck sei es vielmehr gewesen, Sachverhalte für den Prüfungszeitraum 2014 bis 2017 im Zusammenhang mit den betroffenen Fahrzeugen auf der Ebene der Beschwerdeführerin aufzuklären. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahre 2014 - 2017 Beschwerdeführerin Freiberufler-PersG: Gegen einen der Gesellschafter war ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren i.Z.m. der Nutzung von Kfz in seiner früheren Einzelpraxis in den Jahren 2012 - 2014 anhängig. Frage: Zutreffende Zuordnung zum Betriebsvermögen? Finanzamt ordnete Ap gegen die Beschwerdeführerin für die Jahre 2014 - 2017 an. Kfz befanden sich im Gesamthandsvermögen der Beschwerdeführerin. Ap ermessensfehlerhaft, da schon Strafverfahren läuft und diese offensichtlich strafrechtlichen Ermittlungen diene Sächsisches FG Klage unbegründet, da Zweck der Ap war, Sachverhalte für den Prüfungszeitraum 2014 - 2017 i.Z.m. den Kfz aufzuklären. 2. Entscheidung und Begründung Der BFH wies die NZB als unbegründet zurück. Die Beschwerdeführerin geht selbst davon aus, dass eine Ap nach § 193 Abs. 1 AO bei Freiberuflern in den Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grds. unbeschränkt zulässig ist. Die Anordnung einer Ap nach den Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbotes ist nicht fehlerhaft, wenn hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht. Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine Prüfungsanordnung ohne eine besondere Begründung jedenfalls ermessensfehlerhaft ist, wenn bei ihrem Erlass schon gegen einen der Gesellschafter ermittelt wird und die Ap auf Ebene der Gesellschaft offensichtlich strafrechtlichen Ermittlungen gegen diesen Gesellschafter dient, ist jedenfalls im Streitfall nicht klärungsfähig. Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist, sollten Sachverhalte des Prüfungszeitraums 2014 - 2017 auf Ebene der Beschwerdeführerin aufgeklärt werden, die die Nutzung der früheren Fahrzeuge des Gesellschafters, aber nicht deren Zuordnung zur Einzelpraxis des Gesellschafters in den Vorjahren betrafen. III. Anmerkungen 1. Außenprüfung bei laufendem Steuerstrafverfahren Der Beschl. des BFH befasst sich mit der Frage, ob ein bestehender Anfangsverdacht einer Steuerstraftat oder ein anhängiges steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren die Anordnung einer Ap ausschließt. Grds. ist es eine Ermessensentscheidung des Finanzamts, ob und in welchem Umfang bei einem Stpfl. nach § 193 AO eine Ap angeordnet wird. Diese ist vom Gericht nach § 102 FGO nur darauf zu prüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden. Der BFH betont in Fortführung seiner Grundsatzentscheidung v. 15.6.2016 , dass es für die Anordnung einer Ap unerheblich ist, ob hinsichtlich der betroffenen Steuerarten und Besteuerungszeiträume der Anfangsverdacht einer Steuerstraftat besteht. Eine sich gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Ap und Steuerfahndung besteht nicht. Es ist möglich und zulässig, dass Ermittlungsmaßnahmen des Außenprüfers eine Doppelfunktion haben. Besteuerungsverfahren und Steuerstrafverfahren stehen grds. unabhängig und gleichrangig nebeneinander. Ist gegen den Stpfl. ein Strafverfahren eingeleitet worden, ist er gem. § 393 Abs. 1 S. 4 AO darüber zu belehren. Entsprechendes regelt § 10 BpO. Selbst Verstöße hiergegen - insb. gegen die Belehrungspflichten und damit gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit - führen jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung. Denn die vorgenannten Regelungen betreffen nicht die Voraussetzungen, unter denen eine Ap angeordnet werden kann, und damit das „Ob“, sondern bestimmen, nach welchen rechtsstaatlichen Grundsätzen und damit das „Wie“ einer zuvor angeordneten Prüfung. Beratungshinweis: Verstöße gegen die Belehrungspflicht im Steuerstrafverfahren Anders ist die Rechtslage in dem getrennt zu betrachtenden Steuerstrafverfahren. Verstöße gegen Belehrungspflichten insb. auch zu dem steuerlichen Zwangsmittelverbot nach § 393 Abs. 1 S. 4 AO führen dort zu einem Beweisverwertungsverbot. Bei einem anhängigen Steuerstrafverfahren ist der Beschuldigte allerdings nicht verpflichtet, Steuererklärungen für die strafbefangenen Zeiträume und Steuerarten abzugeben. Die Erklärungspflicht ist bis zum Verfahrensabschluss suspendiert. Gleichwohl ist das Finanzamt berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Beratungshinweis: Auswirkungen auf andere Jahre Diese aus dem Selbstbelastungsverbot abgeleitete Auffassung führt allerdings nicht dazu, dass der Stpfl. auch berechtigt wäre, die Steuererklärungen für Folgejahre oder Altjahre zu verweigern, selbst wenn sich aus diesen die Einkünfte der strafbefangenen Jahre schließen lassen. 2. Steuerstrafverfahren bei laufender Außenprüfung In der Praxis stellt sich häufig jedoch nicht die Frage, ob eine Ap trotz eines anhängigen Steuerstrafverfahrens zulässig ist; vielmehr haben Stpfl. nicht selten den Eindruck, der Außenprüfer sei nicht oder jedenfalls nicht vorrangig im Besteuerungsverfahren tätig. Tatsächlich neigen Betriebsprüfer häufig dazu, möglichst spät über einen strafrechtlichen Anfangsverdacht mit den sich daraus ergebenden Mitwirkungsverweigerungsrechten zu belehren. § 10 Abs. 1 S. 2 BpO begründet eine Unterrichtungspflicht des Außenprüfers gegenüber der Straf- und Bußgeldsachenstelle bereits dann, wenn lediglich die Möglichkeit der Durchführung eines Strafverfahrens besteht. Eine solche Mitteilung gewährt dem Stpfl. jedoch noch nicht die Rechte eines Beschuldigten. Verdichten sich hiernach jedoch die Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO, muss zwingend die förmliche Verfahrenseinleitung mit den entsprechenden Bekanntgabe- und Belehrungspflichten erfolgen. Im Gegensatz zum Strafverfahren, wo die Verletzung der Bekanntgabepflicht des § 397 Abs. 3 AO sowie der Belehrungspflichten i.S.d. § 136 StPO, § 393 Abs. 1 S. 4 AO zu einem strafrechtlichen Verwertungsverbot führen, lehnt der BFH ein entsprechendes Verwertungsverbot trotz nachhaltiger Kritik aus dem Schrifttum im Besteuerungsverfahren ab. Beratungshinweis: Unterbrechung der Prüfung ohne Ankündigung der Fortsetzung Unterbricht der Außenprüfer seine Prüfung ohne konkrete Begründung oder nennt keinen konkreten Termin zur Fortführung, sollten bei dem Stpfl. die Alarmglocken klingeln und er Kontakt zu seinem steuerlichen Berater oder direkt einem Steuerstrafverteidiger suchen. Zu den Aufgaben der Steuerfahndung gehört im Übrigen die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Zusammenhang mit der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten auch dann, wenn hinsichtlich dieser Delikte bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. 3. Verfahrensabschluss, insbesondere tatsächliche Verständigung Nach den vordergründig häufig eher formalen und zeitlich relevanten Aspekten der Parallelität des Betriebsprüfungsverfahrens einerseits und des Strafverfahrens andererseits sowie der hieraus resultierenden Belehrungsverpflichtungen und Verwertungsverboten spielt in der Praxis der häufige Wunsch des Stpfl. nach einer einvernehmlichen Erledigung beider Verfahren die zentrale Rolle. Im steuerlichen Verfahren existiert das richterrechtliche Instrument der tatsächlichen Verständigung. Das Strafrecht bietet i.R.d. Ermittlungsverfahrens keine so eindeutige und rechtssichere Gestaltung. Nach § 160 b StPO sind im Ermittlungsverfahren zwar Gespräche zwischen den Verfahrensbeteiligten zu ermöglichen, diese beinhalten jedoch im Gegensatz zu der für die Hauptverhandlung geltenden Vorschrift des § 257 c StPO keine Bindungswirkung. Im Schrifttum wird deshalb mit Recht gefordert, konkrete gesetzliche Regelungen für Steuerstrafverfahren in die StPO zu integrieren. Ungeachtet dessen ist jedoch zu konstatieren, dass die Vertreter der Ermittlungsbehörden sich regelmäßig an einvernehmliche Absprachen zur Verfahrensbeendigung halten. Beratungshinweis: Keine Anerkennung strafrechtlich relevanten Verhaltens Strafrechtlich relevante Aussagen in einer tatsächlichen Verständigung, wie etwa die Einräumung vorsätzlichen Handelns, sind in der tatsächlichen Verständigung zu vermeiden. Es sollte vielmehr im Gegenteil eine Erklärung dahingehend aufgenommen werden, dass die tatsächliche Verständigung keine Anerkennung eines strafrechtlich relevanten Verhaltens beinhaltet. Zu beachten ist, dass es sich bei dem Besteuerungsverfahren einerseits und dem Strafverfahren andererseits um zwei grds. voneinander unabhängige Verfahren handelt. Verfahrensrechtlich muss sich deshalb der Strafrichter von der Tat selbst ein Bild machen und kann die Aussagen in der tatsächlichen Verständigung nicht seinem Urteil zu Grunde legen. Beratungshinweis: Parallele Beendigung beider Verfahren Trotz dieser verfahrensrechtlich eindeutigen Situation ist es in der Praxis häufig schwierig, nach einer zuvor getroffenen tatsächlichen Verständigung i.R.e. strafrechtlichen Abschlusses von dieser zu Gunsten des Beschuldigten abweichende, geringere steuerliche BMG durchzusetzen. Es empfiehlt sich deshalb, frühzeitig und parallel Kontakt zu den Finanzbehörden einerseits und den Strafverfolgungsbehörden andererseits aufzunehmen, um beide Verfahren konsensual gleichzeitig zu beenden. Bei den Gesprächen mit den Vertretern der Finanzbehörden und der Strafverfolgungsbehörden ist auch zu berücksichtigen, dass im Besteuerungsverfahren andere Anforderungen an das Beweismaß und andere Beweislastregeln gelten, die auch zu Ungunsten des Stpfl. wirken. Im Strafverfahren ist stets vom Zweifelsgrundsatz („ in dubio pro reo“) auszugehen. Beratungshinweis: Mögliche Höhe der Belastung Auf Grundlage der Feststellungs- und Beweislastregeln gelingt es im parallelen Gespräch mit den Vertretern beider Verfahren häufig, für die Beendigung des Strafverfahrens geringere BMG („ Abschläge“) durchzusetzen als i.R.e. steuerlichen tatsächlichen Verständigung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gerade bei Mandanten mit sehr guten Einkommensverhältnissen die Höhe eines Tagessatzes oder einer Geldauflage ein Mehrfaches der in Rede stehenden Steuer betragen kann. Grundlegend dazu BFH-Urt. v. 20.12.2000 - I R 50/00, BStBl II 2001, 381; zuletzt BFH-Urt. v. 21.8.2019 - X R 16/17, BStBl II 2020, 99, Rz 25, 26 m.w.N. BT-Drucks. 7/4292, 46 Sächsisches FG, Urt. v. 22.3.2021 - 6 K 1631/19, n.v. BFH-Urt. v. 28.9.2011 - VIII R 8/09, BStBl II 2012, 395 BFH-Urt. v. 15.6.2016 - III R 8/15, BStBl II 2017, 25, Rz 20 m.w.N. BFH-Urt. v. 23.1.2002 - XI R 10, 11/01, BStBl II 2002, 328 BFH-Beschl. v. 14.4.2020 - VI R 32/17, BStBl II 2020, 487 BGH-Beschl. v.16.6.2005 - 5 StR 118/05, BFH/NV 2005, 380 BGH-Beschl. v. 26.4.2001 - 5 StR 587/00, BFH/NV 2001, 220; vgl. auch Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, AO § 404 Rz 128 m.w.N. BFH-Beschl. v. 19.9.2001 - XI B 6/01, BStBl II 2002, 4 BGH-Beschl. v. 10.1.2002 - 5 StR 452/01, BFH/NV 2002, 110 BFH-Urt. v. 23.4.2008 - X R 20/08, BFH/NV 2008, 1682 Madauß, NZWist 2014, 296, 299 ff. m.w.N. Kohlmann/Matthes, Steuerstrafrecht, § 397 AO Rz 47 m.w.N. BFH-Urt. v. 23.1.2002 - XI R 10,11/01, BStBl II 2002, 328 m.w.N. BFH-Beschl. v. 16.12.1997 - VII B 45/97, BStBl II 1998, 231 Grundlegend BFH-Urt. v. 11.12.1984 - VIII R 131/76, BStBl II 1985, 354, 357 Wilke, DStR 2018, 108, 114 Roth, Stbg 2017, 124, 125 BFH-Urt. v. 9.5.1963 - IV F 1/61, DB 1963, 984; vgl. auch Blumers, DB 1983, 1571, 1572
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BMF-Schreiben zur Besteuerung von Lebensversicherungen nach dem AltEinkG
Prof. Dr. H.-Michael Korth, WP/StB, Hannover
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A. Vorbemerkung I. Rechtslage bis zum 31.12.2004 Bereits bis zum 31.12.2004 waren Zinsen aus Lebensversicherungen grds. steuerlich zu erfassen. Eine Ausnahme galt jedoch - und das war der Regelfall - für Zinsen aus Versicherungen, deren Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG in der bis zum VZ 2004 gültigen Fassung als SA abzugsfähig waren. Dies waren Beiträge z ...
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Neue Rechtsprechung zum AltEinkG: Altersvorsorgeaufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten?
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A. Vorbemerkungen I. Ertragsanteilsbesteuerung nach alten Recht Mit dem am 1.1.2005 in Kraft getretenen AltEinkG ist der Gesetzgeber der Aufforderung des BVerfG in seinem Urteil vom 6.3.2002 nachgekommen, die Besteuerung von Renten und Pensionen im EStG neu zu regeln. Nach der bis einschl. 2004 geltenden Gesetzesfa ...
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Alterseinkünftegesetz (AltEinkG)
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A. Vorbemerkungen BVerfGBVerfG Das BVerfG hat durch Urteil vom 6.3.2002 das heutige System der Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen einerseits und Altersbezügen andererseits als verfassungswidrig beurteilt. Hauptkritikpunkt war die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Rentnern und Pensionären sowohl während der Erzielung von Erwerbseinkommen als auch beim Bezug von Alterseinkünften. Vereinfacht stel ...
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