AktStR: Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen, 2016 S. 617: Grunderwerbsteuer bei Abtretung eines Anspruchs auf Übertragung eines Gesellschaftsanteils Grunderwerbsteuer bei Abtretung eines Anspruchs auf Übertragung eines Gesellschaftsanteils Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen Jahrgang: 2016 . Seite: 617 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. Die Abtretung eines kaufvertraglichen Anspruchs auf Übertragung von mind. 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft und die Begründung der Verpflichtung dazu unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer. Gleiches gilt für die Übertragung der Gesellschaftsanteile vom bisherigen Gesellschafter unmittelbar auf den Abtretungsempfänger. BFH-Urt. v. 12.5.2016 - II R 26/14, BFH/NV 2016, 1396 I. Vorbemerkungen 1. Allgemeines Die Bedeutung der GrESt in der täglichen Beratungspraxis ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Insb. die FinVerw hat die grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG zunehmend in den Fokus ihrer Prüfungen gestellt. Die dabei erzielten Mehrsteuern sind beträchtlich. Für den steuerlichen Berater steht die GrESt häufig nur selten im Fokus der Beratung. Das führt immer wieder zu unglücklichen Diskussionen mit dem Mandanten, wenn die FinVerw eine GrESt „entdeckt”, die vorher nicht i.R.d. steuerlichen Beratung berücksichtigt bzw. diskutiert wurde. Da grunderwerbsteuerliche Erwerbsvorgänge grds. nach § 18 GrEStG auch für den beteiligten Mandanten anzeigepflichtig sind, stellt eine durch evtl. Unkenntnis der grunderwerbsteuerlichen Folgen unterlassene Anzeige ein großes Gefahrenpotenzial da. Hier kann die Diskussion mit dem Fiskus schnell in Richtung Steuerhinterziehung bzw. leichtfertige Steuerverkürzung gehen. Die Bundesländer haben die Bedeutung der GrESt als Einnahmequelle in der Vergangenheit ebenfalls erkannt. Die Anhebung der Steuersätze in fast allen Bundesländern auf bis zu 6,5 % spricht eine deutliche Sprache. Auch der Gesetzgeber fühlte sich in den letzten Jahren immer wieder aufgerufen neue steuerbare Tatbestände zu schaffen, z.B. die wirtschaftliche Beteiligung nach § 1 Nr. 3 a GrEStG, die Neuregelungen zur verfassungswidrigen Ersatz-BMG nach § 8 Abs. 2 GrEStG und zur Anwendung des § 1 Nr. 2 a GrEStG beim mittelbaren Gesellschafterwechsel. Diese Entwicklungen spiegeln sich auch in der Rspr. der FG und des II. Senats des BFH wieder. Die „Flut” der Urteile zur GrESt stieg in den vergangenen Jahren auffällig an. 2. Anteilsvereinigung und Anteilserwerb nach § 1 Abs. 3 GrEStG a) Grundsätze § 1 Abs. 3 GrEStG „Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegen der Steuer, soweit eine Besteuerung nach Absatz 2a nicht in Betracht kommt, außerdem: 1. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden würden; 2. die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Nummer 1 vorausgegangen ist; 3. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft begründet; 4. der Übergang unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 vom Hundert der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne der Nummer 3 vorausgegangen ist.” Ein besonderer grunderwerbsteuerlicher Anknüpfungspunkt ist neben der reinen Grundstücksübertragung die sog. Anteilsvereinigung in einer Hand bzw. der Anteilserwerb gem. § 1 Abs. 3 GrEStG. Hierbei handelt es sich um eine in der Praxis oft übersehene Steuerfalle. Dies liegt daran, dass der Besteuerungstatbestand zwar auf den einer KapG gehörenden Grundbesitz abzielt, aber nicht an eine Grundstücksübertragung, sondern an eine Übertragung von Anteilen an einer KapG, die über Grundbesitz verfügt, anknüpft. Es werden also letztlich fingierte Grundstückserwerbe besteuert. Soweit einem unmittelbaren oder mittelbaren Anteilseigner erstmals mind. 95 % der Anteile an einer grundstückshaltenden Gesellschaft zuzurechnen sind, wird grunderwerbsteuerlich von einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ausgegangen und ein Grundstückserwerb fingiert. Bei den Erwerben des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG wird fingiert, dass der Erwerber, in dessen Hand die Anteile an der Gesellschaft vereinigt werden, „von der Gesellschaft das Grundstück erhält”. Bei den Erwerben des § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG wird ein Erwerb von dem übertragenden Anteilseigner fingiert. Diese Unterscheidung hat bei der Anwendung von Befreiungsvorschriften und bei der Frage des Steuerschuldners Bedeutung. Auch eine mittelbare Anteilsvereinigung unterliegt der GrESt. Nach Auffassung der FinVerw sind nur solche mittelbaren Beteiligungen zu berücksichtigen, die zu mind. 95 % gehalten werden. Es reicht danach nicht aus, wenn alle mittelbaren Beteiligungen rechnerisch dazu führen, dass in der Hand des Erwerbers durchgerechnet 95 % der Anteile vereinigt werden. Ist das Quantum von 95 % erreicht, zählt die mittelbare Beteiligung voll und nicht nur mit dem entspr. Prozentsatz. Eine evtl. durch § 1 Abs. 3 GrEStG ausgelöste Steuer ist nicht als Anschaffungsnebenkosten für die Anteile an der Gesellschaft zu qualifizieren. Folglich scheidet eine Aktivierung aus, sodass ein Abzug als BA zu erfolgen hat. b) Voraussetzungen Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der GrESt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mind. 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG), oder das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mind. 95 % der Anteile der Gesellschaft begründet (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). Ist der Vereinigung der Anteile bzw. der Übertragung der vereinigten Anteile kein schuldrechtliches Geschäft vorausgegangen, so unterliegen der GrESt auch die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mind. 95 % der Anteile der Gesellschaft (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG) bzw. der Übergang unmittelbar oder mittelbar von mind. 95 % der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG). Die GrESt entsteht in diesen Fällen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Durch ein Rechtsgeschäft wird die Vereinigung von mind. 95 % der Anteile einer Gesellschaft in der Hand eines - inländischen oder ausländischen - Gesellschafters ausgelöst. Bereits ein schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft auf Übertragung der Anteile gilt als Vereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). Alternativ werden alle bereits vereinigten Anteile auf einen anderen Erwerber übertragen. Der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von mind. 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft sowie der Erwerb derjenigen fehlenden Anteile, die beim Erwerber zu einer 95 %-igen Beteiligung führen, unterliegt gem. § 1 Abs. 3 GrEStG der GrESt. Der Gesellschaft muss im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbstatbestands der Anteile ein Grundstück zivilrechtlich gehören oder grunderwerbsteuerlich zugerechnet werden können . Hintergrund dieses zur Vermeidung von Steuerumgehungen konzipierten Ergänzungstatbestands ist das grunderwerbsteuerliche Verständnis, dass die Verwertungsmöglichkeit an einem Grundstück auch dadurch erworben werden kann, dass sämtliche Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft erworben bzw. vereinigt werden. Der Erwerbsvorgang des § 1 Abs. 3 GrEStG ist auch erfüllt, wenn die Gesellschaft, deren sämtlichen Anteile erworben werden, zivilrechtlich zwar nicht selbst über Grundbesitz verfügt, ihrerseits aber ggf. über eine Vielzahl von Stufen mind. 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft hält ( mittelbare Anteilsübertragung). In diesem Fall „gehört” das Grundstück aus grunderwerbsteuerlicher Sicht der erworbenen Gesellschaft; es liegt eine grunderwerbsteuerbare mittelbare Anteilsübertragung vor. Ob ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft „gehört”, richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein Grundstück „gehört” der Gesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der GrESt unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Nr. 3 a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Umgekehrt folgt daraus, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft „gehört”, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Nr. 3 a GrEStG war. Die Anwendung der Regelungen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG erfasst nach Auffassung der FinVerw sämtliche Geschäfte, die i.R.v. gesellschaftsrechtlichen Vorgängen zur Vereinigung bzw. Übertragung von mind. 95 % der Anteile an grundbesitzenden Gesellschaften führen. Dabei kann die Vereinigung von Anteilen durch Anteilsübergänge kraft Gesetzes erfolgen, z.B. Erbfolge, Verschmelzungen, Spaltungen. Auch die Abtretung eines Anteilsübertragungsanspruchs fällt nach Auffassung der FinVerw grds. in den Anwendungsbereich der Vorschrift. 3. Anzeigepflichten Vorgänge, die zu Anteilsvereinigungen führen, sind grds. durch den beurkundenden Notar, durch die Gerichte oder die Beteiligten anzuzeigen . Die Feststellungen der LRH und der GrESt-Stellen zeigen, dass Anzeigen in den meisten Fällen aus unterschiedlichen Gründen unterbleiben. Teilweise sind die Notare nicht über die Beteiligungsverhältnisse informiert. Zum anderen sind den beteiligten Personen die grunderwerbsteuerlichen Regelungen nicht bekannt, sodass aus diesem Grund eine Anzeige unterbleibt. Da Anteilsübertragungen an KapG regelmäßig beurkundungspflichtig und nach § 54 EStDV dem FA anzuzeigen sind, gelangen bei vielen Anteilsvereinigungen Informationen an den Veranlagungsbezirk. Dieser wird damit in die Lage versetzt, entsprechende Fallgestaltungen festzustellen und die GrESt-Stelle durch Übersendung einer Ablichtung des Vertrags sowie der Angabe des der Gesellschaft gehörenden Grundbesitzes zu unterrichten. Die Praxis zeigt aber, dass diesen Mitwirkungsaufgaben nicht immer nachgekommen wird. Rechtlich ist die Anzeigepflicht in diesen Fällen nicht erfüllt worden. Die Anzeige muss an die zuständige Organisationseinheit erfolgen, also an die GrESt-Stelle. Dieses Erfordernis kann in der Praxis zu größeren Problemen führen, da in einigen Bundesländern eine Zentralisierung der GrESt-Veranlagung stattgefunden hat. In Folge dieser Zentralisierung wurden FÄ i.R.v. Zuständigkeitsvereinbarungen für die Bearbeitung der GrESt für andere Belegenheits-FÄ als zuständig erklärt. Diese FÄ wären i.R.d. Anzeigepflicht auch die FÄ, an die eine Anzeige für den jeweiligen Erwerbstatbestand gerichtet werden muss. Eine unterbliebene bzw. an die örtlich unzuständige Behörde bzw. Organisationseinheit gerichtete Anzeige, ist keine Anzeige i.S.d. GrEStG. Der Erwerbsvorgang gilt als nicht angezeigt und für die Frage der Verjährung kommt es zu einer dreijährigen Anlaufhemmung i.S.d. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass die fehlende Anzeige des grunderwerbsteuerlichen Vorgangs vom Fiskus auch als Versuch der Steuerhinterziehung bzw. der leichtfertigen Steuerverkürzung gewertet werden kann. 4. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfrage Fällt die Abtretung eines Anteilsübertragungsanspruchs an eine Tochtergesellschaft des Erwerbers unter den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG? II. BFH-Urt. v. 12.5.2016 - II R 26/14, BFH/NV 2016, 1396 1. Sachverhalt Die A-Bank-AG hatte ursprünglich 100 % der Anteile an der B-AG gehalten, die ihrerseits 100 % der Anteile an verschiedenen KapG hielt. Diese waren Eigentümer von in Deutschland belegenen Grundstücken. Im September 2006 verkaufte die A-Bank ihre Anteile an der B-AG an die C-Bank. Letzterer stand das Recht zu, vor dem Vollzug des Vertrags eine Gesellschaft ihrer Unternehmensgruppe als Käuferin zu benennen. Nach Erfüllung der Bedingungen und noch vor Vollzug der Transaktion benannte die C-Bank die Klin. (T-GmbH, Tochter-KapG der C-Bank) als Käuferin. Zur Umsetzung des ausgeübten Benennungsrechts schlossen die A-Bank, die C-Bank und die Klin. im Dezember 2006 eine Änderungsvereinbarung. Mit notariell beurkundetem Vertrag übertrug die A-Bank der Anteile an der B-AG unmittelbar auf die Klin. Das FA erließ gegenüber der C-Bank aufgrund des Vertrags aus September 2006 einen auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 u. 2 sowie § 17 GrEStG gestützten Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die GrESt. In der Anteilsübertragung aus Dezember 2006 sah das FA einen (weiteren) grunderwerbsteuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 u. 2 GrEStG und erließ gegenüber der Klin. einen entsprechenden Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die GrESt. Darin war die A-Bank als Veräußerin bezeichnet. Dagegen wandte sich die Klin. mit dem Einspruch, woraufhin das FA - nach einem entsprechenden Verböserungshinweis - weitere von dem Erwerbsvorgang betroffene Grundstücke in die nunmehr auf § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG gestützte Feststellung mit einbezog und die Besteuerungsgrundlagen für die GrESt gegenüber der C-Bank als Veräußerin und der Klin. als Gesamtschuldner gesondert und einheitlich feststellte. In der Sache wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Das FG Köln wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Klin. Tochter-KapG der C-Bank 1.9.2006 Verkauf der Anteile an der B-AG an den Erwerber C-Bank (grunderwerbsteuerlich erfasst nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG) 1.12.2006 Abtretung der Ansprüche aus dem schuldrechtlichen Vertrag durch die C-Bank an eine Tochter-KapG (T-GmbH) FA Besteuerung des Vorgangs vom 1.12.2006 nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG (Steuerschuldner: Erwerber und Verkäufer gesamtschuldnerisch) → erneute GrESt! FG Abweisung der Klage 2. Entscheidung und Begründung Auf die Rev. der Klin. hob der BFH das Urt. auf und gab der Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung statt: § 1 Abs. 3 Nr. 3 erfasst nach dem eindeutigen Wortlaut nur die Begründung eines Anspruchs auf Übertragung von mind. 95 % der Anteile an einer Gesellschaft, nicht aber die Abtretung eines bereits bestehenden Übertragungsanspruchs. Der Eintritt der Klin. in den Anteilskaufvertrag vom 1.9.2006 unterliegt somit nicht § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Die Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG ist ausgeschlossen, wenn dem Übergang der Anteile ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, durch das ein Anspruch auf Übertragung der Anteile i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG begründet wurde. Die Einschränkung dient nicht nur dem Schutz des Erwerbers vor einer doppelten Inanspruchnahme aufgrund der bloßen Erfüllung eines bereits zuvor begründeten schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts, sondern vielmehr zugleich dem Interesse des Veräußerers der Anteile, der anderenfalls Gefahr liefe, als Steuerschuldner zweier auf denselben Gegenstand gerichteter Erwerbsvorgänge in Anspruch genommen zu werden. III. Anmerkungen Der BFH nimmt in seinem Urt. wichtige Abgrenzungen im Bereich der Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG vor. Soweit die FinVerw eine weitere Auslegung dieser Vorschrift weiterverfolgen will, wird sie in entsprechender Form auf dieses Urteil reagieren müssen. Grds. gilt zwar, dass i.R.d. GrESt Anknüpfungspunkt das jeweilige Rechtsgeschäft ist und es aus diesem Aspekt heraus immer wieder zu einer gefühlten Doppelbelastung kommen kann. So in den Fällen von mehrfachen Übertragungen desselben Grundstücks durch z.T. nur durch logische Sekunden getrennte Rechtsgeschäfte. Hier könnte man den Grundsatz formulieren, es handele sich in diesen Fällen nicht um eine Doppelbesteuerung, sondern um zwei Einzelakte, die jeweils einzeln grunderwerbsteuerlich zu würdigen sind („Nicht doppelt, sondern nur Zweimal Einmal”). Insoweit ist der Ansatz des Fiskus im vorliegenden Fall, beide Sachverhalte gesondert zu würdigen, noch nachvollziehbar. Denn sowohl bei dem Anteilsübertragungsvertrag vom 1.9.2006 als auch bei dem Abtretungsvertrag vom 1.12.2006 handelt es sich isoliert betrachtet um zwei rechtsgeschäftliche Vorgänge. I.R.d. Prüfung des zweiten Vorgangs nach den gesetzlichen Grundlagen zeigt der BFH aber die innere Verknüpfung der Nr. 3 und 4 auf. Dieser neue Rechtsansatz führt im Ergebnis zu einer Verhinderung einer Besteuerung nach der Nr. 4, wenn - irgendwann - einmal ein Vorgang nach der Nr. 3 vorausgegangen ist. Hier wird aus der Sicht des gesamtschuldnerisch mit betroffenen Veräußerers argumentiert, der ansonsten für ein Grundstück und aus seiner Sicht einem Rechtsgeschäft zweimal (also wirklich doppelt) mit GrESt belastet werden könnte. Diese Ausführungen überzeugen zumindest in den Fällen, in denen der Veräußerer gesamtschuldnerisch auch als Steuerschuldner behandelt wird. Bei der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG gilt der Veräußerer aber nach § 13 Nr. 5 GrEStG nicht als Steuerschuldner, sodass in diesen Fällen eine Doppelbelastung aus Sicht des Veräußerers nicht gegeben wäre. Ob insoweit die Grundsätze des BFH-Urt. gleichwohl i.R.d. Prüfung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG anzuwenden sind, bleibt abzuwarten. U.E. sollte dies aber der Fall sein, denn die Einschränkung hinsichtlich des vorangegangenen Rechtsgeschäfts würde nach dem Wortlaut der Vorschrift auch bei der Anteilsvereinigung gelten. Die Entscheidung ist zu KapG ergangen. Bekanntlich sieht § 1 Nr. 2 a GrEStG für PersG einen dem für KapG geltenden § 1 Abs. 3 GrEStG vergleichbaren Tatbestand vor. Schließt der Käufer einen Vertrag über den Erwerb von sämtlichen Anteilen einer grundbesitzenden PersG ab, wird bei ihm der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Zwar wäre grds. der Tatbestand des § 1 Nr. 2 a GrEStG vorrangig, doch ist dieser (noch) nicht erfüllt, weil eine Übertragung der Gesellschaftsanteile noch nicht erfolgt ist. Wird der Übertragungsanspruch abgetreten und danach erfüllt, kommt es erst mit der Erfüllung zur Tatbestandsverwirklichung. Fraglich ist, ob dies ausreichend ist, um die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG - ggf. rückwirkend - entfallen zu lassen. Die vorliegende Entscheidung musste diese Frage nicht beantworten. Eine konsequente Anwendung der Entscheidungsgrundsätze würde jedoch zu diesem Ergebnis führen. Im Einzelfall sollte geprüft werden, ob die bestehende Rechtsunsicherheit mit einer verbindlichen Auskunft beseitigt werden kann. Vgl. auch Messner, AkStR 2016, 281 Vgl. hierzu Kaminski, AktStR 2016, 1 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder 2.12.1999, BStBl I 1999, 991 Tz 2 Vgl. BFH-Urt. v. 20.4.2011 - I R 2/10, BStBl II 2011, 761 mit Anm. Messner, AktStR 2011, 563 sowie OFD NRW, Verf. v. 21.4.2015 - S 2174 - St 141 (01/2009) / S 2174 - 1001 - St 141, DB 2015, 1013 Vgl. a. BFH-Urt. v. 20.12.2000 - II R 26/99, BFH/NV 2001, 1040 BFH-Urt. v. 11.12 2014 - II R 26/12, BStBl II 2015, 402 und BFH-Urt. v. 20.1.2016 - II R 29/14, BStBl II 2016, 358 § 19 Abs. 1 Nr. 4 - 7 GrEStG FG Köln, Urt. v. 26.3.2014 - 5 K 235/11, EFG 2014, 1501
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