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Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2024 . Seite: 529
Die Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach § 175 b Abs. 1 AO ist auch zulässig, wenn die unzutreffende Berücksichtigung der von einem Dritten übermittelten Daten auf einen Fehler der Finanzbehörde zurückzuführen ist. BFH-Urt. v. 20.2.2024 - IX R 20/23, BFH/NV 2024, 951 I. Vorbemerkungen 1. Elektronische Datenübermittlung und ...

Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Steuerberater, Troisdorf
Jahrgang: 2023 . Seite: 501
Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und - wenn ja - unter welchen Voraussetzungen ein äußerer Betriebsvergleich in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF zulässig ist. BFH-Beschl. v. 14.12.2022 - X R 19/21, DStR 2023, 517 I. Vorbemer ...

Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
Jahrgang: 2023 . Seite: 335
Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeit en nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der ...

Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2023 . Seite: 155
1. Die von einem Erben durch eine unterlassene Berichtigung gem. § 153 Abs. 1 AO begangene Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) führt nicht zu einer weiteren Verlängerung der Festsetzungsfrist, wenn diese sich schon aufgrund einer Steuerhinterziehung des Erblassers nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO auf zehn Jahre ...

Dirk Krohn, Steueroberamtsrat, Burg/Dithmarschen
Jahrgang: 2022 . Seite: 671
1. Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des ...

Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
Jahrgang: 2022 . Seite: 501
Da sich für den Erlass einer Prüfungsanordnung keine konkreten und allgemeingültigen Maßstäbe zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und zur Beachtung des Willkür- und Schikaneverbots entwickeln lassen, wirft der Beschwerdeführer keine abstrakte Rechtsfrage i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO auf, wenn er geklärt sehen will, ...

Dr. Michael Messner, Notar, RA, FAStR u. FAErbR, Hannover
Jahrgang: 2021 . Seite: 831
1. § 23 Abs. 1 S. 3 EStG ist eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift i.S.v. § 42 Abs. 1 S. 2 AO; damit ist die Annahme eines Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AO für den Fall der Veräußerung nach unentgeltlicher Übertragung grundsätzlich ausgeschlossen. 2. Hat der ...

Dipl.-Finw. Markus Perschon, Steuerberater, Escheburg
Jahrgang: 2021 . Seite: 839
1. Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt für die Auswahl des Zinsgegenstands und die Bestimmung des Zinssatzes im Steuerrecht ist ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab. Zinsregelungen als steuerliche Nebenleistungen bedürfen zur Wahrung der Belastungsgleichheit eines über den Zweck d ...

AktStR: Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg, 2021 S. 641: Gestaltungsmissbrauch bei Verschmelzung einer „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“ Gestaltungsmissbrauch bei Verschmelzung einer „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“ Prof. Dr. Bert Kaminski, Helmut Schmidt Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg Jahrgang: 2021 . Seite: 641 Zur PDF-Fassung dieses Beitrages. 1. Einzelsteuergesetzliche Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen, die tatbestandlich nicht einschlägig sind, schließen die Anwendung des § 42 AO nicht aus. 2. Bei der Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs i.S.d. § 42 Abs. 2 AO sind diejenigen Wertungen des Gesetzgebers, die den von ihm geschaffenen einzelsteuergesetzlichen Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen zugrunde liegen, zu berücksichtigen. 3. Wird eine „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“ verschmolzen und verrechnet diese die positiven Einkünfte der „Gewinngesellschaft“ des Rückwirkungszeitraums mit ihren eigenen Verlusten, dann stellt dies nach der Rechtslage des Jahres 2008 keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar. Dies gilt auch dann, wenn die „Gewinngesellschaft“ die Gewinne des Rückwirkungszeitraums bereits an ihre frühere Muttergesellschaft ausgeschüttet hatte. BFH-Urt. v. 17.11.2020 - I R 2/18, DStR 2021, 1419 I. Vorbemerkungen Der Gesetzgeber versucht durch eine Reihe von Regelungen, Gestaltungen zu vermeiden, die zu einer aus seiner Sicht nicht berechtigten Beeinflussung der steuerlichen BMG führen. Hiermit ist die Notwendigkeit verbunden, eine Abgrenzung zwischen den Fällen vorzunehmen, die als „angemessen“ gelten und denen, die als „missbräuchlich“ anzusehen sind. Dies führt vor allem für die Rechtsanwendungspraxis zu nicht unerheblichen Problemen. 1. Missbrauchsklauseln a) § 42 AO als allgemeine Missbrauchsklausel Der Gesetzgeber hat § 42 AO zuletzt durch das JStG 2008  geändert, nachdem bereits durch das StÄndG 2001  die Einfügung eines Abs. 2 erfolgt war. Diese Regelung ist gem. Art. 97 § 7 EGAO (i.d.F. des JStG 2008) ab dem 1.1.2008, also für Kalenderjahre, die nach dem 31.12.2007 enden, anzuwenden. Der Gesetzgeber wollte damit eine „präzise und effektive“ Regelung schaffen, die im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unerlässlich sei.  Die Norm hat danach jetzt folgenden Wortlaut:  § 42 AO – Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten „(1) Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. (2) Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.“ Gegenüber der alten Fassung wird in § 42 AO Abs. 1 S. 2 und 3 eine Regelung zum Verhältnis einzelsteuergesetzlicher Umgehungsverhinderungsregelungen ggü. der Missbrauchsklausel der AO geschaffen. Nach – zumindest bisher – h.M. im Schrifttum sind mit diesen Neuregelungen keine tief greifenden Änderungen verbunden.  b) Spezialgesetzliche Umgehungsverhinderungsregelungen Ob eine einzelgesetzliche Norm der Verhinderung von Steuerumgehungen oder zumindest deren Möglichkeit dient, ist im Wege der Auslegung zu bestimmen. Hierbei spielen die folgenden Kriterien eine Rolle:  der Wortlaut der Regelung, die systematische Stellung im Gesetz und die Entstehungsgeschichte. Beratungshinweis: Bedeutung der Abgrenzungsfrage Der Frage, ob eine spezialgesetzliche Regelung als Umgehungsverhinderungsvorschrift zu qualifizieren ist, kommt sowohl für die alte Rechtslage (dazu unter c) als auch für die neue Rechtslage (dazu unter III.2) Bedeutung zu. Diese praktische Abgrenzung erweist sich jedoch oft als schwierig. c) Bisherige Auflösung des Konkurrenzverhältnisses In der bisherigen Rspr. ging der BFH davon aus, dass eine einzelgesetzliche Missbrauchsvermeidungsklausel eine Sperrwirkung ggü. einer allgemeinen Anwendung des § 42 AO entfalte. So führt der I. Senat aus: „Sind in einem konkreten Einzelfall die Voraussetzungen der speziellen Missbrauchsbestimmungen nicht erfüllt, darf die Wertung des Gesetzgebers nicht durch eine extensive Anwendung des § 42 Abs. 1 AO a.F. unterlaufen werden (Zitate). Verbleiben Rechtsfolgelücken, ist es allein Aufgabe des Gesetzgebers, der mittels der speziellen Missbrauchsbekämpfungsnormen die Grenzen des Missbrauchs gezogen hat, diese zu schließen (Zitate…)“.  2. Vom BFH zu entscheidende Rechtsfragen Vor diesem Hintergrund hatte der BFH die folgenden Fragen zu beantworten: Welches Verhältnis besteht zwischen den spezialgesetzlichen Umgehungsvermeidungsregelungen und dem Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO? Liegt ein Gestaltungsmissbrauch vor, wenn eine Gesellschaft, die aus ihrer originären gewerblichen Tätigkeit einen Gewinn erzielt hat, rückwirkend auf eine Gesellschaft mit Verlusten verschmolzen wird, um einen Verlustausglich zu ermöglichen? II. BFH-Urt. v. 17.11.2020 - I R 2/18, DStR 2021, 1419 1. Sachverhalt Die A-GmbH hatte i.R. ihrer gewerblichen Tätigkeit Verluste erlitten. Hieraus resultierten im Streitjahr 2008 erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten, die zu einer drohenden Insolvenz führten. Um ihre Finanzierungssituation zu verbessern, erhielt die Gesellschaft von der C-GmbH das Angebot, die Anteile an der D-GmbH (einer 100 %igen Tochter der C) zu erwerben. Deren Vermögen setzte sich im Wesentlichen aus liquiden Mitteln und Steuererstattungsansprüchen zusammen. Am 29.1.2009 erfolgten Ausschüttungen bzw. am 17.2.2009 Vorabausschüttungen von D an C. Der Erwerb der Anteile an der D-GmbH durch A erfolgte am 23.2.2009. Am 24.2.2009 wurde eine rückwirkende Verschmelzung der D-GmbH auf die A-GmbH auf den 1.7.2008 vollzogen. In der Folge wurden die während des Rückwirkungszeitraums entstandenen Gewinne der D-GmbH mit den Verlusten der A-GmbH saldiert. Das Finanzamt versagte diese Verrechnung, weil nach seiner Auffassung die Anteilsveräußerung und die anschließende Verschmelzung eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung i.S.v. § 42 AO bildeten. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch gerichtete Klage vor dem Hessischen FG  hatte Erfolg. Es ging davon aus, dass infolge der Nichtanwendbarkeit von § 8 c KStG und § 12 Abs. 3 UmwStG sowie damit der ggf. einschlägigen spezialgesetzlichen Missbrauchsverhinderungsregelung § 42 AO nicht anzuwenden ist. Sachverhalt in tabellarisch zusammengefasster Form Streitjahr 2008 Kläger A-GmbH hatte i.R. ihrer Tätigkeit Verluste erlitten. Hieraus resultierten erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten, die zu einer drohenden Insolvenz führten. Um ihre Finanzierungssituation zu verbessern, erhielt die Gesellschaft von der C-GmbH das Angebot, die Anteile an der D-GmbH (einer 100 %igen Tochter der C) zu erwerben. Deren Vermögen setzte sich aus liquiden Mitteln und Steuererstattungsansprüchen zusammen. Am 29.1.2009 wurden Ausschüttungen bzw. am 17.2.2009 Vorabausschüttungen von D an C vorgenommen. Der Erwerb der Anteile an der D-GmbH durch A erfolgte am 23.2.2009. Am 24.2.2009 wurde eine rückwirkende Verschmelzung der D-GmbH auf die A-GmbH auf den 1.7.2008 vorgenommen. In der Folge wurden die während des Rückwirkungszeitraums entstandenen Gewinne der D-GmbH mit den Verlusten der A-GmbH saldiert. Finanzamt Nichtanerkennung wegen § 42 AO Hessisches FG Nichtanwendung des § 8 c KStG und des § 12 Abs. 3 UmwStG führt dazu, dass für eine Anwendung des § 42 AO kein Raum verbleibt. 2. Entscheidung und Begründung Der BFH wies die Rev. des Finanzamts zurück und begründete dies – z.T. abweichend vom FG – wie folgt: Allein das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine Gestaltung nicht unangemessen.   § 42 Abs. 1 AO a.F. enthält keinen normativen Maßstab für die Beurteilung der Angemessenheit. Die Angemessenheit ist vielmehr dem „umgangenen“ Gesetz und den flankierenden (speziellen) Missbrauchsvorschriften zu entnehmen. Im Streitfall stand die Existenz von § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 2002 auf der einen und von § 8 Abs. 4 KStG 2002 a.F. auf der anderen Seite der Annahme einer unangemessenen Gestaltung entgegen. Durch beide Bestimmungen hat der Gesetzgeber gezeigt, dass er das Problem einer missbräuchlichen Nutzung von Verlusten in Umwandlungsfällen gesehen hat. Dass er die Verlustnutzung ausdrücklich dennoch nur in diesen beiden Fällen ausgeschlossen hat, lässt auf seinen Willen schließen, die Annahme eines Missbrauchs darauf beschränken zu wollen. III. Anmerkungen 1. Verhältnis zwischen § 42 AO und spezialgesetzlichen Missbrauchsvermeidungsregelungen Der I. Senat erblickt in der unter I.1.a) dargestellten Neuregelung eine weitgehende Änderung. Nach seiner Auffassung lässt der Wortlaut „keinen Zweifel daran, dass solche einzelsteuergesetzlichen Vorschriften die Anwendung des § 42 AO nur dann verdrängen, wenn sie tatbestandlich einschlägig sind“.  Sind sie hingegen nicht einschlägig, müsse ergänzend § 42 AO geprüft werden, weil diese Norm für diese ergänzenden Fälle nicht verdrängt werde. Auch der Auslegungsgrundsatz „lex specialis derogat legi generali“ solle nicht zu einem anderen Ergebnis führen, weil durch diesen nur eine Normenkollision vermieden werden soll. An einem solchen Konkurrenzverhältnis fehle es aber, wenn eine Norm gar nicht einschlägig sei. Dies hat zur Folge, dass neben den spezialgesetzlichen Missbrauchsverhinderungsregelungen des § 12 Abs. 3 UmwStG und § 8 c KStG ergänzend § 42 AO zu prüfen ist. Beratungshinweis: Keine automatische Anwendung des § 42 AO Diese Entscheidungsgrundsätze bedeuten nicht, dass in einem solchen Fall automatisch eine Anwendung des § 42 AO erfolgen kann. Vielmehr ist im jeweiligen Einzelfall genau zu prüfen, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Vorliegend war § 12 Abs. 3 UmwStG nicht einschlägig, weil die Regelung anordnet, dass die übernehmende Körperschaft in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft eintritt. Nach § 11 Abs. 2 UmwStG kann beantragt werden, dass die Buchwert e übernommen werden, was vorliegend geschehen ist. Dieses Wahlrecht wurde fristgemäß ausgeübt. Das Einkommen der übertragenden Körperschaft sowie des übernehmenden Rechtsträgers sind gem. § 2 Abs. 1 UmwStG so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtags der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), ganz oder teilweise auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen wäre. Dies steht einer Verlustnutzung nicht im Wege. Auch § 8 c KStG enthält keine Regelung für Körperschaften, die keine Verluste haben. Vorliegend wurde die Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft übertragen, sodass die Regelung nicht zur Anwendung kommen konnte. 2. Missbräuchlichkeit der Gestaltung Nachdem im ersten Schritt entschieden wurde, dass es keine Sperrwirkung infolge der spezialgesetzlichen Missbrauchsverhinderungsvorschrift gibt, die der Anwendung des § 42 AO grds. entgegenstand, musste geprüft werden, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Hierzu schreibt der BFH fest, dass für die Prüfung, ob ein Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 Abs. 2 AO vorliegt, auf die Wertungen des Gesetzgebers abzustellen sei, die er den von ihm geschaffenen einzelsteuergesetzlichen Umgehungsverhinderungsvorschriften zugrunde gelegt hat. Hierzu verweist er auch auf die h.M. in der Literatur.  Vor diesem Hintergrund kam der I. BFH-Senat zu dem Ergebnis, dass im Streitfall kein Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO vorlag. Der BFH bestätigt zunächst die in der bisherigen Rspr. anerkannten folgenden Grund-sätze:  Der Stpfl. darf seine Verhältnisse grds. so gestalten, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen und dabei zivilrechtliche Gestaltungen, die vom Gesetz vorgesehen sind, frei verwenden. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Stpfl. nicht die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Der BFH hatte bereits in der Vergangenheit in einer Reihe von Entscheidungen  anerkannt, dass Gestaltungen zur Nutzung eines erwirtschaften Verlusts nicht missbräuchlich sind. Dies stimme „im Kern“ mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip überein, das der Gesetzgeber in § 10 d EStG normiert hat. Beratungshinweis: Keine weiteren außersteuerlichen Motive erforderlich Folgerichtig ist es, wenn der I. BFH-Senat  vor diesem Hintergrund bereits in der Vergangenheit darauf verzichtet hat, zusätzliche wirtschaftliche Motive für die Rechtfertigung solcher Gestaltungen zur Verlustnutzung zu verlangen. Er stellt darauf ab, dass es sich um Verluste handelt, die sich beim Kläger „infolge des ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolgs“ aufgebaut hatten. Zugleich betont er die „Qualität“ der Verluste: Es seien die bei einer auf Einkünfteerzielung gerichteten Tätigkeit selbst erwirtschafteten Verluste anders zu behandeln als auf dem Markt „eingekaufte“ Fremdverluste (Mantelkaufgestaltungen). Verluste, die auf der Inanspruchnahme steuerlicher Subventionsnormen (z.B. Sonderabschreibungen) beruhen, hätten wiederum eine andere „Qualität“. Vor dem Hintergrund, dass es sich vorliegend um „echte“ betriebswirtschaftliche Verluste handelt, begründet der Senat, warum deren Nutzung nicht missbräuchlich sei. Dies ist bemerkenswert, weil vorliegend Sonderaspekte seitens des Finanzamts angeführt wurden, die jedoch nicht zu einer abweichenden Würdigung durch den BFH führten: Es gäbe keinen wirtschaftlichen Grund für den Abschluss des Geschäfts durch die A-GmbH, weil die positiven Liquiditätswirkungen ausschließlich auf steuerlichen Aspekten beruhen. Die D-GmbH sei eine inaktive Gesellschaft, deren Gewinne größtenteils an den bisherigen Gesellschafter ausgeschüttet worden sind. Diesen Fall grenzt der BFH gegenüber den früheren Fällen des Mantelkaufs ab, hält deren Grundsätze aber vorliegend nicht für einschlägig. Es erfolgte ein entgeltlicher Erwerb der Anteile an der D-GmbH von einem Dritten. In Übereinstimmung mit der bisherigen Rspr.  ist dies nicht schädlich. Beratungshinweis: Bedeutung der Aussagen Es ist nachhaltig zu begrüßen, dass der BFH sich in der Frage der Verlustnutzung und dessen Abgrenzung zum Gestaltungsmissbrauch so eindeutig positioniert hat. Schließlich ist zu erwarten, dass sich aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie künftig entsprechende Fragen häufiger stellen werden. Zugleich sollte ergänzend immer überlegt werden, ob betriebswirtschaftliche Argumente (z.B. das Entstehen von Synergieeffekten) angeführt werden können, um durch diese die Diskussion um das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs vermeiden zu können. Dies war vorliegend aufgrund des inaktiven Geschäftsbetriebs der D-GmbH nur schwer möglich, aber üblicherweise dürften sich entsprechende Argumente finden lassen. 3. § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG i.d.F. des Gesetzes v. 26.6.2013 Bei einer Analyse des Falls ist zu beachten, dass für Umwandlungen, die nach dem 6.6.2013 zum HR angemeldet werden, die Ergänzung durch das Gesetz v. 26.6.2013  in § 2 Abs. 4 S. 3 ff. UmwStG zu berücksichtigen ist. Dieser lautet: „Der Ausgleich oder die Verrechnung von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum mit verrechenbaren Verlusten, verbleibenden Verlustvorträgen, nicht ausgeglichenen negativen Einkünften und einem Zinsvortrag nach § 4 h Absatz 1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes des übernehmenden Rechtsträgers ist nicht zulässig. Ist übernehmender Rechtsträger eine Organgesellschaft, gilt Satz 3 auch für einen Ausgleich oder eine Verrechnung beim Organträger entsprechend. Ist übernehmender Rechtsträger eine Personengesellschaft, gilt Satz 3 auch für einen Ausgleich oder eine Verrechnung bei den Gesellschaftern entsprechend. Die Sätze 3 bis 5 gelten nicht, wenn übertragender Rechtsträger und übernehmender Rechtsträger vor Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags verbundene Unternehmen im Sinne des § 271 Absatz 2 des Handelsgesetzbuches sind.“ Während des Rückwirkungszeitraums ist der übertragende Rechtsträger zivilrechtlich noch existent, folglich kann er zivilrechtlich noch Gewinne und Verluste erwirtschaften. Steuerlich werden diese Ergebnisse bereits dem übernehmenden Rechtsträger zugerechnet. Die Sätze 3 bis 6 behandeln den ggü. Satz 1 umgekehrten Fall, nämlich die Verrechnung von Gewinnen, die der übertragende Rechtsträger während des Rückwirkungszeitraums erzielt hat, mit Verlusten (und Zinsvorträgen) des übernehmenden Rechtsträgers. Die Vorschrift soll den Untergang der Verlustvorträge (und Zinsvorträge) des übertragenden Rechtsträgers absichern. Dieser Untergang konnte nämlich dadurch verhindert werden, dass nicht die Verlustgesellschaft auf die Gewinngesellschaft, sondern umgekehrt die Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft umgewandelt wurde. Eine solche Gestaltung ist – wie das Besprechungsurteil zeigt – nicht rechtsmissbräuchlich. Beratungshinweis: Systematische Einordnung Die Regelung ist systematisch bedenklich. Wenn das Steuerrecht die Ergebnisse des übertragenden Rechtsträgers während des Rückwirkungszeitraums dem übernehmenden Rechtsträger zurechnet, wäre es systemgerecht, wenn insoweit bei dem übernehmenden Rechtsträger eine Verrechnung der Verluste im Wege des Verlustausgleichs erfolgt. Die Begründung zum Gesetzentwurf stützt diese Regelung lediglich auf modellhafte Gestaltungen, in denen Gesellschaften mit hohen stillen Reserven auf Verluste ausweisende Gesellschaften umgewandelt worden seien.  Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs sieht der Gesetzeswortlaut jedoch nicht vor. § 2 Abs. 4 S. 4, 5 UmwStG enthalten besondere Bestimmungen, falls die steuerlichen Auswirkungen der zugerechneten positiven Einkünfte nicht bei dem übernehmenden Rechtsträger, sondern bei einer anderen Person eintreten. Beratungshinweis: Reichweite der Regelung Nicht ausdrücklich bestimmt wird, ob sich die Vorschrift auch auf die GewSt auswirkt. Das könnte zweifelhaft sein, weil der Wortlaut sich nur auf „Verluste“ bezieht, nicht auf negative Gewerbeerträge. Andererseits erfasst die Vorschrift auch laufende Verluste des übernehmenden Rechtsträgers und damit den Verlustausgleich, der über § 7 S. 1 GewStG auch für die GewSt wirkt. Die vorstehende Regelung war auf den vorliegenden Fall zeitlich nicht anwendbar. Sofern keine Berufung auf die Ausnahme der verbundenen Unternehmen erfolgen kann, könnte nunmehr ausschließlich eine Verlustverrechnung mit Gewinnen aus der fortgeführten Gesellschaft nach der Verschmelzung erfolgen. Beratungshinweis: Offene Fragen Das FG Berlin-Brandenburg hat sich mit Urt. v. 22.10.2020  sehr grundlegend mit ausgewählten Fragen des § 2 Abs. 4 S. 2 UmwStG beschäftigt. Dessen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Vorschrift findet unabhängig von einer Missbrauchsabsicht bzw. dem Vorliegen von modellhaften Gestaltungen Anwendung und gilt grds. auch bei üblichen Umwandlungen. Die Vorschrift gilt nur für die ESt oder KSt, nicht auch für die GewSt. Die Verlustverrechnung wird ausnahmsweise nicht ausgeschlossen, soweit der Verlust (nur) auf der Geltendmachung eines Investitionsabzugsbetrags beruht (und damit rein steuerlicher Natur ist). Gegen dieses Urt. ist unter dem Az I R 48/20 Rev. anhängig. Daher ist zu erwarten, dass der BFH hierzu richtungsweisende Klarstellungen treffen wird. Dies gilt insb. für die Frage der GewSt.      JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl I 2007, 3150       StÄndG 2001 v. 20.12.2001, BGBl I 2001, 3794       Vgl. BT-Drucks. 16/6290, 81 sowie zur Entscheidungsgeschichte z.B. Maak/Wollweber, DStR 2008, 182       Hervorhebungen durch den Verfasser       Vgl. z.B. die Nachweise bei Ratschow, in: Klein, AO, 14. Aufl., München 2020, § 42 Rz 2       Vgl. AEAO zu § 42 Nr. 1 und Spindler, StbJb 2008/2009, 39 ff., 51       BFH-Urt. v. 18.12.2013 - I R 25/12, BFH/NV 2014, 904; Hervorhebungen des Verfassers       Hessisches FG, Urt. v. 29.11.2017 - 4 K 127/15, EFG 2018, 486 mit Anm. Loewens       Vgl. BFH-Urt. v. 21.8.2012 - VIII R 32/09, BStBl II 2013, 16       Tz 20 des Urteils, Hervorhebungen des Verfassers       Sinngemäß: Das besondere Gesetz verdrängt die Anwendung des allgemeinen Gesetzes.       Spindler, StBJB 2008/2009, 52; Hey, DStR, Beihefter zu Heft 3/2014, 9; Drüen, in: Tipke/Kruse, Vorbemerkungen zur Neufassung des § 42 AO Rz 13a; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz 292       Z.B. BFH-Urt. v. 19.1.2017 - IV R 10/14, BStBl II 2017, 466; BFH-Urt. v. 8.3.2017 - IX R 5/16, BStBl II 2017, 930; BFH-Urt. v. 12.6.2018 - VIII R 32/16, BStBl II 2019, 221       Vgl. insb. BFH-Urt. v. 19.8.1999 - I R 77/96, BStBl II 2001, 43; BFH-Urt. v. 17.10.2001 - I R 97/00, BFHE 197, 63, BFH-Urt. v. 29.5.2008 - IX R 77/06, BStBl II 2008, 789, BFH-Urt. v. 7.12.2010 - IX R 40/09, BStBl II 2011, 427; BFH-Urt. v. 4.12.2014 - IV R 28/11, BFH/NV 2015, 495       BFH-Urt. v. 19.8.1999 - I R 77/96, BStBl II 2001, 43; BFH-Urt. v. 17.10.2001 - I R 97/00, BFHE 197, 63       BFH-Urt. v. 17.10.2001 - I R 97/00, BFHE 197, 63       Gesetz v. 26.6.2013, BStBl I 2013, 802; hierzu Mückl, GmbHR 2013, 1084       BR-Drucks. 632/1/12, 58       FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.10.2020 - 10 K 10192/19, EFG 2021, 507, mit Anm. Weinschütz   

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